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Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

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XXXIII. Betrachtung.
Fehler vergrößert, oder das, was sie in deinem Be-
tragen tadeln, übertrieben; so wird doch in den mei-
sten Fällen auf deiner Seite immer etwas wahres
zum Grunde liegen. Und wohl dir, wenn du ein-
siehst, es sey nicht ganz unwahr, was dein Feind von
dir geurtheilt hat, wohl dir, wenn du dadurch weiser
und vorsichtiger wirst. Fühlest du dich aber frey
von den Fehlern, die man dir aufbürdet, hast du auf
keine Art den Tadel verdient, womit man dich be-
legt; nun dann vertheidige dich mit Anstand und
mit der Würde, die dem Unschuldigen so natürlich
ist, und ihn jederzeit selbst in den Augen seiner Feinde
ehrwürdig macht. Mache übrigens nicht viel Wor-
te, wenn du von deinen guten Absichten und deiner
Unschuld sprichst, sondern zeige es vielmehr durch
thätige Beweise, daß du rechtschaffen bist. Beför-
dere nur immer mit redlichem Eifer das Wohl dei-
nes Nächsten; laß nichts deinen Fleiß in der Abwar-
tung deines Berufs ermüden; höre nicht auf, wohl-
thätig zu seyn, wenn man dir auch gleich mit Undank
lohnt. Handle stets großmüthig gegen deine Be-
leidiger, und man wird bald sehen, daß die lieblosen
Urtheile, die andere über dich fällten, nicht gegrün-
det waren; man wird daraus deine Unschuld und
deinen Werth erkennen, und dich alsdann doppelt
hochschätzen. Und wenn auch deine Feinde ihre Ur-
theile nicht zurück nehmen, so wird es doch noch an-

dre

XXXIII. Betrachtung.
Fehler vergrößert, oder das, was ſie in deinem Be-
tragen tadeln, übertrieben; ſo wird doch in den mei-
ſten Fällen auf deiner Seite immer etwas wahres
zum Grunde liegen. Und wohl dir, wenn du ein-
ſiehſt, es ſey nicht ganz unwahr, was dein Feind von
dir geurtheilt hat, wohl dir, wenn du dadurch weiſer
und vorſichtiger wirſt. Fühleſt du dich aber frey
von den Fehlern, die man dir aufbürdet, haſt du auf
keine Art den Tadel verdient, womit man dich be-
legt; nun dann vertheidige dich mit Anſtand und
mit der Würde, die dem Unſchuldigen ſo natürlich
iſt, und ihn jederzeit ſelbſt in den Augen ſeiner Feinde
ehrwürdig macht. Mache übrigens nicht viel Wor-
te, wenn du von deinen guten Abſichten und deiner
Unſchuld ſprichſt, ſondern zeige es vielmehr durch
thätige Beweiſe, daß du rechtſchaffen biſt. Beför-
dere nur immer mit redlichem Eifer das Wohl dei-
nes Nächſten; laß nichts deinen Fleiß in der Abwar-
tung deines Berufs ermüden; höre nicht auf, wohl-
thätig zu ſeyn, wenn man dir auch gleich mit Undank
lohnt. Handle ſtets großmüthig gegen deine Be-
leidiger, und man wird bald ſehen, daß die liebloſen
Urtheile, die andere über dich fällten, nicht gegrün-
det waren; man wird daraus deine Unſchuld und
deinen Werth erkennen, und dich alsdann doppelt
hochſchätzen. Und wenn auch deine Feinde ihre Ur-
theile nicht zurück nehmen, ſo wird es doch noch an-

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[218/0244] XXXIII. Betrachtung. Fehler vergrößert, oder das, was ſie in deinem Be- tragen tadeln, übertrieben; ſo wird doch in den mei- ſten Fällen auf deiner Seite immer etwas wahres zum Grunde liegen. Und wohl dir, wenn du ein- ſiehſt, es ſey nicht ganz unwahr, was dein Feind von dir geurtheilt hat, wohl dir, wenn du dadurch weiſer und vorſichtiger wirſt. Fühleſt du dich aber frey von den Fehlern, die man dir aufbürdet, haſt du auf keine Art den Tadel verdient, womit man dich be- legt; nun dann vertheidige dich mit Anſtand und mit der Würde, die dem Unſchuldigen ſo natürlich iſt, und ihn jederzeit ſelbſt in den Augen ſeiner Feinde ehrwürdig macht. Mache übrigens nicht viel Wor- te, wenn du von deinen guten Abſichten und deiner Unſchuld ſprichſt, ſondern zeige es vielmehr durch thätige Beweiſe, daß du rechtſchaffen biſt. Beför- dere nur immer mit redlichem Eifer das Wohl dei- nes Nächſten; laß nichts deinen Fleiß in der Abwar- tung deines Berufs ermüden; höre nicht auf, wohl- thätig zu ſeyn, wenn man dir auch gleich mit Undank lohnt. Handle ſtets großmüthig gegen deine Be- leidiger, und man wird bald ſehen, daß die liebloſen Urtheile, die andere über dich fällten, nicht gegrün- det waren; man wird daraus deine Unſchuld und deinen Werth erkennen, und dich alsdann doppelt hochſchätzen. Und wenn auch deine Feinde ihre Ur- theile nicht zurück nehmen, ſo wird es doch noch an- dre

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/244>, abgerufen am 22.11.2024.