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Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

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XXI. Betrachtung.

Wollen wir nun den Namen der Schüler und
Nachahmer Jesu mit Recht tragen: so laßt uns,
wie er, die Menschen lieben, denn er sagt selbst:
Daran wird jedermann erkennen, daß ihr meine
Jünger seyd, so ihr Liebe unter einander habt.
*)
Jeder Mensch, jeder Christ sey also ein Gegenstand
unserer Achtung, unsers Wohlwollens. Keinen
wollen wir gering schätzen, wenn er auch gleich nicht
unser Landsmann, unser Religionsverwandter ist;
wenn gleich seine äußerliche Gestalt unansehnlich ist,
wenn er gleich in schlechter Kleidung einhergeht, wenn
er gleich in geringen dürftigen Umständen lebt.
Denn dies alles benimmt ihm seinen wahren Werth
nicht. Jeder Mensch trägt zu unserm und zum all-
gemeinen Besten das Seinige bey, jeder ist ein Mit-
glied von der großen Familie Gottes. Jeder ist ein
Erlöster Jesu, jeder ist zu einer ewigen Fortdauer,
zu einem bessern Leben bestimmt. Keiner ist schlech-
terdings von allen guten Eigenschaften ganz entblößt,
keiner begeht lauter schlechte und böse Handlungen;
jeder hat immer etwas Gutes, das man an ihm schäz-
zen kann, und warum man ihn lieben muß. Wenn
du also einen Menschen liebst, so liebst du in ihm
Gott selbst, dessen Geschöpf er ist, und dessen Bild
er trägt. Wer aber seinen Bruder nicht liebet, den er
siehet, wie kann er Gott lieben, den er nicht siehet.
**)

Doch
*) Joh. 13, 35.
**) 1. Joh. 4, 20.
J 4
XXI. Betrachtung.

Wollen wir nun den Namen der Schüler und
Nachahmer Jeſu mit Recht tragen: ſo laßt uns,
wie er, die Menſchen lieben, denn er ſagt ſelbſt:
Daran wird jedermann erkennen, daß ihr meine
Jünger ſeyd, ſo ihr Liebe unter einander habt.
*)
Jeder Menſch, jeder Chriſt ſey alſo ein Gegenſtand
unſerer Achtung, unſers Wohlwollens. Keinen
wollen wir gering ſchätzen, wenn er auch gleich nicht
unſer Landsmann, unſer Religionsverwandter iſt;
wenn gleich ſeine äußerliche Geſtalt unanſehnlich iſt,
wenn er gleich in ſchlechter Kleidung einhergeht, wenn
er gleich in geringen dürftigen Umſtänden lebt.
Denn dies alles benimmt ihm ſeinen wahren Werth
nicht. Jeder Menſch trägt zu unſerm und zum all-
gemeinen Beſten das Seinige bey, jeder iſt ein Mit-
glied von der großen Familie Gottes. Jeder iſt ein
Erlöſter Jeſu, jeder iſt zu einer ewigen Fortdauer,
zu einem beſſern Leben beſtimmt. Keiner iſt ſchlech-
terdings von allen guten Eigenſchaften ganz entblößt,
keiner begeht lauter ſchlechte und böſe Handlungen;
jeder hat immer etwas Gutes, das man an ihm ſchäz-
zen kann, und warum man ihn lieben muß. Wenn
du alſo einen Menſchen liebſt, ſo liebſt du in ihm
Gott ſelbſt, deſſen Geſchöpf er iſt, und deſſen Bild
er trägt. Wer aber ſeinen Bruder nicht liebet, den er
ſiehet, wie kann er Gott lieben, den er nicht ſiehet.
**)

Doch
*) Joh. 13, 35.
**) 1. Joh. 4, 20.
J 4
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[135/0161] XXI. Betrachtung. Wollen wir nun den Namen der Schüler und Nachahmer Jeſu mit Recht tragen: ſo laßt uns, wie er, die Menſchen lieben, denn er ſagt ſelbſt: Daran wird jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger ſeyd, ſo ihr Liebe unter einander habt. *) Jeder Menſch, jeder Chriſt ſey alſo ein Gegenſtand unſerer Achtung, unſers Wohlwollens. Keinen wollen wir gering ſchätzen, wenn er auch gleich nicht unſer Landsmann, unſer Religionsverwandter iſt; wenn gleich ſeine äußerliche Geſtalt unanſehnlich iſt, wenn er gleich in ſchlechter Kleidung einhergeht, wenn er gleich in geringen dürftigen Umſtänden lebt. Denn dies alles benimmt ihm ſeinen wahren Werth nicht. Jeder Menſch trägt zu unſerm und zum all- gemeinen Beſten das Seinige bey, jeder iſt ein Mit- glied von der großen Familie Gottes. Jeder iſt ein Erlöſter Jeſu, jeder iſt zu einer ewigen Fortdauer, zu einem beſſern Leben beſtimmt. Keiner iſt ſchlech- terdings von allen guten Eigenſchaften ganz entblößt, keiner begeht lauter ſchlechte und böſe Handlungen; jeder hat immer etwas Gutes, das man an ihm ſchäz- zen kann, und warum man ihn lieben muß. Wenn du alſo einen Menſchen liebſt, ſo liebſt du in ihm Gott ſelbſt, deſſen Geſchöpf er iſt, und deſſen Bild er trägt. Wer aber ſeinen Bruder nicht liebet, den er ſiehet, wie kann er Gott lieben, den er nicht ſiehet. **) Doch *) Joh. 13, 35. **) 1. Joh. 4, 20. J 4

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/161>, abgerufen am 25.11.2024.