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Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

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XX. Betrachtung.
Nie will ich mich vor Spöttern schämen
Des Dienstes, den man dir erweist;
Mich nie zu einem Schritt bequemen,
Den mein Gewissen sündlich heißt;
Drum flöße mir den Eifer ein,
Wie du, o Herr, gesinnt zu seyn.


Zwanzigste Betrachtung.
Jesu richtige Urtheile über die sogenannten
Strafgerichte Gottes.

Luc. 6, 37.

Verdammet nicht, so werdet ihr auch nicht verdammet.

Die Juden hielten zu den Zeiten Jesu alle Krank-
heiten und Gebrechen des menschlichen Körpers,
und alle ungewöhnliche Unglücksfälle, für Strafen
der Sünde. Wenn daher ein Mensch krank, oder
mit Gebrechen auf die Welt kam, so sahen sie es als
eine Folge von den Sünden der Eltern an, und be-
trachteten solche unglückliche Personen als besondere
Beyspiele der göttlichen Strafgerechtigkeit. Die
Schüler Jesu, welche an diese herrschende Meynung
gewöhnet waren, fragten ihn daher bey dem Anblick
eines blindgebohrnen Menschen: Meister! wer hat
gesündiget, dieser, oder seine Eltern, daß er blind
geboren ist?
*) Jesus ließ sich bey Beantwortung
dieser Frage nicht in eine weitläuftige Erörterung der

jüdi-
*) Joh. 9, 2.
XX. Betrachtung.
Nie will ich mich vor Spöttern ſchämen
Des Dienſtes, den man dir erweiſt;
Mich nie zu einem Schritt bequemen,
Den mein Gewiſſen ſündlich heißt;
Drum flöße mir den Eifer ein,
Wie du, o Herr, geſinnt zu ſeyn.


Zwanzigſte Betrachtung.
Jeſu richtige Urtheile über die ſogenannten
Strafgerichte Gottes.

Luc. 6, 37.

Verdammet nicht, ſo werdet ihr auch nicht verdammet.

Die Juden hielten zu den Zeiten Jeſu alle Krank-
heiten und Gebrechen des menſchlichen Körpers,
und alle ungewöhnliche Unglücksfälle, für Strafen
der Sünde. Wenn daher ein Menſch krank, oder
mit Gebrechen auf die Welt kam, ſo ſahen ſie es als
eine Folge von den Sünden der Eltern an, und be-
trachteten ſolche unglückliche Perſonen als beſondere
Beyſpiele der göttlichen Strafgerechtigkeit. Die
Schüler Jeſu, welche an dieſe herrſchende Meynung
gewöhnet waren, fragten ihn daher bey dem Anblick
eines blindgebohrnen Menſchen: Meiſter! wer hat
geſündiget, dieſer, oder ſeine Eltern, daß er blind
geboren iſt?
*) Jeſus ließ ſich bey Beantwortung
dieſer Frage nicht in eine weitläuftige Erörterung der

jüdi-
*) Joh. 9, 2.
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[123/0149] XX. Betrachtung. Nie will ich mich vor Spöttern ſchämen Des Dienſtes, den man dir erweiſt; Mich nie zu einem Schritt bequemen, Den mein Gewiſſen ſündlich heißt; Drum flöße mir den Eifer ein, Wie du, o Herr, geſinnt zu ſeyn. Zwanzigſte Betrachtung. Jeſu richtige Urtheile über die ſogenannten Strafgerichte Gottes. Luc. 6, 37. Verdammet nicht, ſo werdet ihr auch nicht verdammet. Die Juden hielten zu den Zeiten Jeſu alle Krank- heiten und Gebrechen des menſchlichen Körpers, und alle ungewöhnliche Unglücksfälle, für Strafen der Sünde. Wenn daher ein Menſch krank, oder mit Gebrechen auf die Welt kam, ſo ſahen ſie es als eine Folge von den Sünden der Eltern an, und be- trachteten ſolche unglückliche Perſonen als beſondere Beyſpiele der göttlichen Strafgerechtigkeit. Die Schüler Jeſu, welche an dieſe herrſchende Meynung gewöhnet waren, fragten ihn daher bey dem Anblick eines blindgebohrnen Menſchen: Meiſter! wer hat geſündiget, dieſer, oder ſeine Eltern, daß er blind geboren iſt? *) Jeſus ließ ſich bey Beantwortung dieſer Frage nicht in eine weitläuftige Erörterung der jüdi- *) Joh. 9, 2.

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/149>, abgerufen am 22.11.2024.