Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.XVI. Betrachtung. gen zum Bösen. Wir dürfen deswegen bey unsernGebetsübungen uns nicht ängstlich an gewisse, fest- gesetzte Stunden binden; wir dürfen nicht deswegen unsre Berufsgeschäfte hinten an setzen, denn dies that der Erlöser auch nicht. Aber Niemand sage, daß sein Stand, seine Lebensart, daß die Menge seiner Geschäfte ihm das nicht erlaube. Jesus Christus arbeitete vom Aufgang bis zum Niedergang der Son- ne, und doch widmete er noch die Stunden des Abends oder der Nacht der Unterhaltung mit Gott im Gebete. Warlich! ihr seyd bedauerungswür- dige Menschen, die ihr die schönsten Stunden euers Lebens mit unaufhörlichen Zerstreuungen, mit arm- seligen Ergötzungen verschwendet, ohne an Gott, an euern Seelenzustand und an eure ewige Bestimmung zu denken. Und wenn ihr denn ja bisweilen betet, wie sichtbar ist eure Zerstreuung? Jst alsdenn nicht oft euer Gebet ein bloßes Werk der Lippen, eine lee- re Beschäftigung des Mundes, woran das Herz kei- nen Antheil hat? seyd ihr dann nicht eben so strafbar wie die Pharisäer, deren gedankenlose Geschwätzig- keit Jesus oft tadelte? o sehet doch mit Schaam und Reue auf euern Erlöser hin! lernet doch von ihm bey dem Gebete Andacht und Demuth, feyerlichen Ernst und die rechte Erhebung eures Geistes zum Himmel. Lernet von ihm jenes kindliche Zutrauen zu Gott, das ihn so freudig machte; damit auch ihr in jener ver- traulichen
XVI. Betrachtung. gen zum Böſen. Wir dürfen deswegen bey unſernGebetsübungen uns nicht ängſtlich an gewiſſe, feſt- geſetzte Stunden binden; wir dürfen nicht deswegen unſre Berufsgeſchäfte hinten an ſetzen, denn dies that der Erlöſer auch nicht. Aber Niemand ſage, daß ſein Stand, ſeine Lebensart, daß die Menge ſeiner Geſchäfte ihm das nicht erlaube. Jeſus Chriſtus arbeitete vom Aufgang bis zum Niedergang der Son- ne, und doch widmete er noch die Stunden des Abends oder der Nacht der Unterhaltung mit Gott im Gebete. Warlich! ihr ſeyd bedauerungswür- dige Menſchen, die ihr die ſchönſten Stunden euers Lebens mit unaufhörlichen Zerſtreuungen, mit arm- ſeligen Ergötzungen verſchwendet, ohne an Gott, an euern Seelenzuſtand und an eure ewige Beſtimmung zu denken. Und wenn ihr denn ja bisweilen betet, wie ſichtbar iſt eure Zerſtreuung? Jſt alsdenn nicht oft euer Gebet ein bloßes Werk der Lippen, eine lee- re Beſchäftigung des Mundes, woran das Herz kei- nen Antheil hat? ſeyd ihr dann nicht eben ſo ſtrafbar wie die Phariſäer, deren gedankenloſe Geſchwätzig- keit Jeſus oft tadelte? o ſehet doch mit Schaam und Reue auf euern Erlöſer hin! lernet doch von ihm bey dem Gebete Andacht und Demuth, feyerlichen Ernſt und die rechte Erhebung eures Geiſtes zum Himmel. Lernet von ihm jenes kindliche Zutrauen zu Gott, das ihn ſo freudig machte; damit auch ihr in jener ver- traulichen
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XVI. Betrachtung.
gen zum Böſen. Wir dürfen deswegen bey unſern
Gebetsübungen uns nicht ängſtlich an gewiſſe, feſt-
geſetzte Stunden binden; wir dürfen nicht deswegen
unſre Berufsgeſchäfte hinten an ſetzen, denn dies that
der Erlöſer auch nicht. Aber Niemand ſage, daß
ſein Stand, ſeine Lebensart, daß die Menge ſeiner
Geſchäfte ihm das nicht erlaube. Jeſus Chriſtus
arbeitete vom Aufgang bis zum Niedergang der Son-
ne, und doch widmete er noch die Stunden des
Abends oder der Nacht der Unterhaltung mit Gott
im Gebete. Warlich! ihr ſeyd bedauerungswür-
dige Menſchen, die ihr die ſchönſten Stunden euers
Lebens mit unaufhörlichen Zerſtreuungen, mit arm-
ſeligen Ergötzungen verſchwendet, ohne an Gott, an
euern Seelenzuſtand und an eure ewige Beſtimmung
zu denken. Und wenn ihr denn ja bisweilen betet,
wie ſichtbar iſt eure Zerſtreuung? Jſt alsdenn nicht
oft euer Gebet ein bloßes Werk der Lippen, eine lee-
re Beſchäftigung des Mundes, woran das Herz kei-
nen Antheil hat? ſeyd ihr dann nicht eben ſo ſtrafbar
wie die Phariſäer, deren gedankenloſe Geſchwätzig-
keit Jeſus oft tadelte? o ſehet doch mit Schaam und
Reue auf euern Erlöſer hin! lernet doch von ihm bey
dem Gebete Andacht und Demuth, feyerlichen Ernſt
und die rechte Erhebung eures Geiſtes zum Himmel.
Lernet von ihm jenes kindliche Zutrauen zu Gott, das
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