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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.

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ligkeit, die er selbst empfindet, ähnlicher, als sie.
Woraus entspringet seine Seeligkeit, als aus
dem vollkommnen Bewußtseyn, das er ewig
von seinen majestätischen und unendlichen Voll-
kommenheiten hat; daß er nichts will, und
nichts thun kann, als was ihnen und der Hoheit
seines Wesens anständig ist; daß niemand als er
selbst sein unendliches Wohlgefallen verdient?
Darum ist er vollkommen; darum ist er ewig see-
lig. Jch nehme also Theil an seiner Seeligkeit,
wenn ich ihn kennen lerne; ungeachtet meiner
Endlichkeit und Einschränkung genieße ich eine
göttliche Freude, und je vollkommner meine Er-
kenntniß meines Gottes wird, desto seeliger muß
ich werden; denn bey ihm ist die lebendige
Quelle, und in seinem Lichte sehen wir
das Licht.

Heißt deswegen nicht die Erkenntniß Got-
tes in seinem Worte das ewige Leben? Ver-
sichert es nicht der, der die Wahrheit selbst ist:
Das ist das ewige Leben, daß sie dich, der
du allein wahrer Gott bist, und den du ge-
sandt hast, Jesum Christum erkennen.
Was ist das ewige Leben, als die ewige Seelig-
keit? Wenn ich ihn nicht kenne, was für wahre
Freude kann ich denn hier hoffen und dort ge-

nießen?



ligkeit, die er ſelbſt empfindet, ähnlicher, als ſie.
Woraus entſpringet ſeine Seeligkeit, als aus
dem vollkommnen Bewußtſeyn, das er ewig
von ſeinen majeſtätiſchen und unendlichen Voll-
kommenheiten hat; daß er nichts will, und
nichts thun kann, als was ihnen und der Hoheit
ſeines Weſens anſtändig iſt; daß niemand als er
ſelbſt ſein unendliches Wohlgefallen verdient?
Darum iſt er vollkommen; darum iſt er ewig ſee-
lig. Jch nehme alſo Theil an ſeiner Seeligkeit,
wenn ich ihn kennen lerne; ungeachtet meiner
Endlichkeit und Einſchränkung genieße ich eine
göttliche Freude, und je vollkommner meine Er-
kenntniß meines Gottes wird, deſto ſeeliger muß
ich werden; denn bey ihm iſt die lebendige
Quelle, und in ſeinem Lichte ſehen wir
das Licht.

Heißt deswegen nicht die Erkenntniß Got-
tes in ſeinem Worte das ewige Leben? Ver-
ſichert es nicht der, der die Wahrheit ſelbſt iſt:
Das iſt das ewige Leben, daß ſie dich, der
du allein wahrer Gott biſt, und den du ge-
ſandt haſt, Jeſum Chriſtum erkennen.
Was iſt das ewige Leben, als die ewige Seelig-
keit? Wenn ich ihn nicht kenne, was für wahre
Freude kann ich denn hier hoffen und dort ge-

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[56/0070] ligkeit, die er ſelbſt empfindet, ähnlicher, als ſie. Woraus entſpringet ſeine Seeligkeit, als aus dem vollkommnen Bewußtſeyn, das er ewig von ſeinen majeſtätiſchen und unendlichen Voll- kommenheiten hat; daß er nichts will, und nichts thun kann, als was ihnen und der Hoheit ſeines Weſens anſtändig iſt; daß niemand als er ſelbſt ſein unendliches Wohlgefallen verdient? Darum iſt er vollkommen; darum iſt er ewig ſee- lig. Jch nehme alſo Theil an ſeiner Seeligkeit, wenn ich ihn kennen lerne; ungeachtet meiner Endlichkeit und Einſchränkung genieße ich eine göttliche Freude, und je vollkommner meine Er- kenntniß meines Gottes wird, deſto ſeeliger muß ich werden; denn bey ihm iſt die lebendige Quelle, und in ſeinem Lichte ſehen wir das Licht. Heißt deswegen nicht die Erkenntniß Got- tes in ſeinem Worte das ewige Leben? Ver- ſichert es nicht der, der die Wahrheit ſelbſt iſt: Das iſt das ewige Leben, daß ſie dich, der du allein wahrer Gott biſt, und den du ge- ſandt haſt, Jeſum Chriſtum erkennen. Was iſt das ewige Leben, als die ewige Seelig- keit? Wenn ich ihn nicht kenne, was für wahre Freude kann ich denn hier hoffen und dort ge- nießen?

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/70>, abgerufen am 28.11.2024.