seeligere Beschäfftigung geben, als die Erkennt- niß Gottes.
Wie unruhig ist ein gutgearteter Mensch, wenn er einem Unbekannten große Wohlthaten schuldig ist! Wie unvollkommen ist die Freude über das Gute, das er ihm zu danken hat! Wie brennt er vor Verlangen, ihn kennen zu lernen! wie groß ist sein Entzücken nicht, wenn er ihn endlich ausgeforscht hat! Das Vergnügen über Wohlthaten kann groß seyn, wenn große Bedürf- nisse dadurch befriedigt werden; aber grösser wird bey einem jeden Gemüthe, das edler Empfindun- gen fähig ist, die Freude über die Wohlthäter selbst seyn. O Gott, welche Seeligkeit ists, dich zu erkennen! Wie viel fehlte dem Vergnü- gen über deine Geschenke, wenn ihm das Entzü- cken über den Geber fehlte!
O wie seelig bin ich, daß ich den Einzigen kenne, der alle Vollkommenheiten besitzt, und unter ihnen nicht einen Vorzug, dessen Kennt- niß mir nicht unaussprechliche Freude gewährt! Weil ich Gott kenne, so weiß ich, daß ich kein Werk eines unweisen und blinden Zufalls bin. Jch weiß, daß ich mein Daseyn, meine gan- ze Natur, alle ihre Kräfte, alle meine Fä-
hig-
ſeeligere Beſchäfftigung geben, als die Erkennt- niß Gottes.
Wie unruhig iſt ein gutgearteter Menſch, wenn er einem Unbekannten große Wohlthaten ſchuldig iſt! Wie unvollkommen iſt die Freude über das Gute, das er ihm zu danken hat! Wie brennt er vor Verlangen, ihn kennen zu lernen! wie groß iſt ſein Entzücken nicht, wenn er ihn endlich ausgeforſcht hat! Das Vergnügen über Wohlthaten kann groß ſeyn, wenn große Bedürf- niſſe dadurch befriedigt werden; aber gröſſer wird bey einem jeden Gemüthe, das edler Empfindun- gen fähig iſt, die Freude über die Wohlthäter ſelbſt ſeyn. O Gott, welche Seeligkeit iſts, dich zu erkennen! Wie viel fehlte dem Vergnü- gen über deine Geſchenke, wenn ihm das Entzü- cken über den Geber fehlte!
O wie ſeelig bin ich, daß ich den Einzigen kenne, der alle Vollkommenheiten beſitzt, und unter ihnen nicht einen Vorzug, deſſen Kennt- niß mir nicht unausſprechliche Freude gewährt! Weil ich Gott kenne, ſo weiß ich, daß ich kein Werk eines unweiſen und blinden Zufalls bin. Jch weiß, daß ich mein Daſeyn, meine gan- ze Natur, alle ihre Kräfte, alle meine Fä-
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ſeeligere Beſchäfftigung geben, als die Erkennt-
niß Gottes.
Wie unruhig iſt ein gutgearteter Menſch,
wenn er einem Unbekannten große Wohlthaten
ſchuldig iſt! Wie unvollkommen iſt die Freude
über das Gute, das er ihm zu danken hat! Wie
brennt er vor Verlangen, ihn kennen zu lernen!
wie groß iſt ſein Entzücken nicht, wenn er ihn
endlich ausgeforſcht hat! Das Vergnügen über
Wohlthaten kann groß ſeyn, wenn große Bedürf-
niſſe dadurch befriedigt werden; aber gröſſer wird
bey einem jeden Gemüthe, das edler Empfindun-
gen fähig iſt, die Freude über die Wohlthäter
ſelbſt ſeyn. O Gott, welche Seeligkeit iſts,
dich zu erkennen! Wie viel fehlte dem Vergnü-
gen über deine Geſchenke, wenn ihm das Entzü-
cken über den Geber fehlte!
O wie ſeelig bin ich, daß ich den Einzigen
kenne, der alle Vollkommenheiten beſitzt, und
unter ihnen nicht einen Vorzug, deſſen Kennt-
niß mir nicht unausſprechliche Freude gewährt!
Weil ich Gott kenne, ſo weiß ich, daß ich kein
Werk eines unweiſen und blinden Zufalls bin.
Jch weiß, daß ich mein Daſeyn, meine gan-
ze Natur, alle ihre Kräfte, alle meine Fä-
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/68>, abgerufen am 24.11.2024.
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