Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

zwar nicht gleich nach ihrer Geburt sich selbst
helfen können, aber auch solche Aeltern haben,
welche sich ihrer mit der bewundernswürdig-
sten Sorgfalt und Treue annehmen, bis sie ihre
Hülfe nicht mehr brauchen. Wie fleißig und
zärtlich füttern nicht diese ihre Jungen! Sie
scheuen keine Mühe und Gefahr zu ihrer Sicher-
heit und Vertheidigung. Die furchtsamsten
Thiere, welche sonst vor Menschen und andern
Thieren fliehen, widersetzen sich ihren Feinden,
und wagen sich um ihrer Jungen willen, in
die größte Gefahr. Sie suchen sie an Oer-
ter zu tragen, wo sie ungestört und in Ruhe
aufwachsen können. Sie schmeicheln ihnen
und rufen sie mit einem liebreichen Glucken,
um sie zu füttern! Sie legen ihnen ihre
Speise vor, zertheilen sie, wenn sie ihnen zu
groß ist, lehren sie ihre Nahrung finden und
aufnehmen; sie säugen, wärmen und führen
sie, bis sie sich selbst versorgen können. Wo-
her haben sie diese Triebe? Wer hat sie so
fertig gemacht, sie zu befriedigen, als der un-
endliche Verstand ihres Schöpfers?

Was wir auch in dem Reiche der Thie-
re bewundern, beweist das Daseyn eines We-
sens, welches die Schätze aller Erkenntniß und

Weis-
P 4

zwar nicht gleich nach ihrer Geburt ſich ſelbſt
helfen können, aber auch ſolche Aeltern haben,
welche ſich ihrer mit der bewundernswürdig-
ſten Sorgfalt und Treue annehmen, bis ſie ihre
Hülfe nicht mehr brauchen. Wie fleißig und
zärtlich füttern nicht dieſe ihre Jungen! Sie
ſcheuen keine Mühe und Gefahr zu ihrer Sicher-
heit und Vertheidigung. Die furchtſamſten
Thiere, welche ſonſt vor Menſchen und andern
Thieren fliehen, widerſetzen ſich ihren Feinden,
und wagen ſich um ihrer Jungen willen, in
die größte Gefahr. Sie ſuchen ſie an Oer-
ter zu tragen, wo ſie ungeſtört und in Ruhe
aufwachſen können. Sie ſchmeicheln ihnen
und rufen ſie mit einem liebreichen Glucken,
um ſie zu füttern! Sie legen ihnen ihre
Speiſe vor, zertheilen ſie, wenn ſie ihnen zu
groß iſt, lehren ſie ihre Nahrung finden und
aufnehmen; ſie ſäugen, wärmen und führen
ſie, bis ſie ſich ſelbſt verſorgen können. Wo-
her haben ſie dieſe Triebe? Wer hat ſie ſo
fertig gemacht, ſie zu befriedigen, als der un-
endliche Verſtand ihres Schöpfers?

Was wir auch in dem Reiche der Thie-
re bewundern, beweiſt das Daſeyn eines We-
ſens, welches die Schätze aller Erkenntniß und

Weis-
P 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0245" n="231"/>
zwar nicht gleich nach ihrer Geburt &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
helfen können, aber auch &#x017F;olche Aeltern haben,<lb/>
welche &#x017F;ich ihrer mit der bewundernswürdig-<lb/>
&#x017F;ten Sorgfalt und Treue annehmen, bis &#x017F;ie ihre<lb/>
Hülfe nicht mehr brauchen. Wie fleißig und<lb/>
zärtlich füttern nicht die&#x017F;e ihre Jungen! Sie<lb/>
&#x017F;cheuen keine Mühe und Gefahr zu ihrer Sicher-<lb/>
heit und Vertheidigung. Die furcht&#x017F;am&#x017F;ten<lb/>
Thiere, welche &#x017F;on&#x017F;t vor Men&#x017F;chen und andern<lb/>
Thieren fliehen, wider&#x017F;etzen &#x017F;ich ihren Feinden,<lb/>
und wagen &#x017F;ich um ihrer Jungen willen, in<lb/>
die größte Gefahr. Sie &#x017F;uchen &#x017F;ie an Oer-<lb/>
ter zu tragen, wo &#x017F;ie unge&#x017F;tört und in Ruhe<lb/>
aufwach&#x017F;en können. Sie &#x017F;chmeicheln ihnen<lb/>
und rufen &#x017F;ie mit einem liebreichen Glucken,<lb/>
um &#x017F;ie zu füttern! Sie legen ihnen ihre<lb/>
Spei&#x017F;e vor, zertheilen &#x017F;ie, wenn &#x017F;ie ihnen zu<lb/>
groß i&#x017F;t, lehren &#x017F;ie ihre Nahrung finden und<lb/>
aufnehmen; &#x017F;ie &#x017F;äugen, wärmen und führen<lb/>
&#x017F;ie, bis &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t ver&#x017F;orgen können. Wo-<lb/>
her haben &#x017F;ie die&#x017F;e Triebe? Wer hat &#x017F;ie &#x017F;o<lb/>
fertig gemacht, &#x017F;ie zu befriedigen, als der un-<lb/>
endliche Ver&#x017F;tand ihres Schöpfers?</p><lb/>
        <p>Was wir auch in dem Reiche der Thie-<lb/>
re bewundern, bewei&#x017F;t das Da&#x017F;eyn eines We-<lb/>
&#x017F;ens, welches die Schätze aller Erkenntniß und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Weis-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[231/0245] zwar nicht gleich nach ihrer Geburt ſich ſelbſt helfen können, aber auch ſolche Aeltern haben, welche ſich ihrer mit der bewundernswürdig- ſten Sorgfalt und Treue annehmen, bis ſie ihre Hülfe nicht mehr brauchen. Wie fleißig und zärtlich füttern nicht dieſe ihre Jungen! Sie ſcheuen keine Mühe und Gefahr zu ihrer Sicher- heit und Vertheidigung. Die furchtſamſten Thiere, welche ſonſt vor Menſchen und andern Thieren fliehen, widerſetzen ſich ihren Feinden, und wagen ſich um ihrer Jungen willen, in die größte Gefahr. Sie ſuchen ſie an Oer- ter zu tragen, wo ſie ungeſtört und in Ruhe aufwachſen können. Sie ſchmeicheln ihnen und rufen ſie mit einem liebreichen Glucken, um ſie zu füttern! Sie legen ihnen ihre Speiſe vor, zertheilen ſie, wenn ſie ihnen zu groß iſt, lehren ſie ihre Nahrung finden und aufnehmen; ſie ſäugen, wärmen und führen ſie, bis ſie ſich ſelbſt verſorgen können. Wo- her haben ſie dieſe Triebe? Wer hat ſie ſo fertig gemacht, ſie zu befriedigen, als der un- endliche Verſtand ihres Schöpfers? Was wir auch in dem Reiche der Thie- re bewundern, beweiſt das Daſeyn eines We- ſens, welches die Schätze aller Erkenntniß und Weis- P 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/245
Zitationshilfe: Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/245>, abgerufen am 22.07.2024.