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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.

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Und wie deutlich leuchtet er nicht aus der
wundervollen Erzeugung und Fortpflanzung al-
ler Thierarten hervor? Alle Thiere, bey denen
ein zwiefaches Geschlecht bemerkt wird, empfin-
den auch einen mächtigen Trieb, sich zu paaren
und zu begatten, und alle, die diesen Trieb em-
pfinden, finden ein Geschlecht, mit dem sie sich
paaren und Junge erzeugen können. Zu diesem
Endzwecke stimmet alles überein. Alle wissen die
bequemste Zeit ihrer Begattung; jedes kennt den
Gatten seiner Art, und unterscheidet ihn von al-
len andern Lebendigen, obgleich unter den man-
nichfaltigen Arten von vierfüßigen Thieren, be-
sonders unter den Vögeln, Fischen und Jnsekten
eine solche Aehnlichkeit anzutreffen ist, daß die
Menschen sie kaum durch die sorgfältigste Beob-
achtung von einander unterscheiden können. Wo-
her haben sie diese genaue Kenntniß? Warum
verwechseln sie einander nicht? Warum entstehet
unter den verschiednen Arten der Thiere, so lange
sie ihre natürliche Freyheit behalten, keine solche
Vermischung, wodurch sie ausarten, und die er-
sten Gattungen ganz von der Erde verschwinden
könnten! Jst es nicht ein Wunder der Weisheit,
daß die Thiere, wo Weiblein und Männlein
einander weder an Gestalt noch Farbe gleichen,
sich doch nicht von einander verirren? Wer lehrt

sie
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Und wie deutlich leuchtet er nicht aus der
wundervollen Erzeugung und Fortpflanzung al-
ler Thierarten hervor? Alle Thiere, bey denen
ein zwiefaches Geſchlecht bemerkt wird, empfin-
den auch einen mächtigen Trieb, ſich zu paaren
und zu begatten, und alle, die dieſen Trieb em-
pfinden, finden ein Geſchlecht, mit dem ſie ſich
paaren und Junge erzeugen können. Zu dieſem
Endzwecke ſtimmet alles überein. Alle wiſſen die
bequemſte Zeit ihrer Begattung; jedes kennt den
Gatten ſeiner Art, und unterſcheidet ihn von al-
len andern Lebendigen, obgleich unter den man-
nichfaltigen Arten von vierfüßigen Thieren, be-
ſonders unter den Vögeln, Fiſchen und Jnſekten
eine ſolche Aehnlichkeit anzutreffen iſt, daß die
Menſchen ſie kaum durch die ſorgfältigſte Beob-
achtung von einander unterſcheiden können. Wo-
her haben ſie dieſe genaue Kenntniß? Warum
verwechſeln ſie einander nicht? Warum entſtehet
unter den verſchiednen Arten der Thiere, ſo lange
ſie ihre natürliche Freyheit behalten, keine ſolche
Vermiſchung, wodurch ſie ausarten, und die er-
ſten Gattungen ganz von der Erde verſchwinden
könnten! Jſt es nicht ein Wunder der Weisheit,
daß die Thiere, wo Weiblein und Männlein
einander weder an Geſtalt noch Farbe gleichen,
ſich doch nicht von einander verirren? Wer lehrt

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[229/0243] Und wie deutlich leuchtet er nicht aus der wundervollen Erzeugung und Fortpflanzung al- ler Thierarten hervor? Alle Thiere, bey denen ein zwiefaches Geſchlecht bemerkt wird, empfin- den auch einen mächtigen Trieb, ſich zu paaren und zu begatten, und alle, die dieſen Trieb em- pfinden, finden ein Geſchlecht, mit dem ſie ſich paaren und Junge erzeugen können. Zu dieſem Endzwecke ſtimmet alles überein. Alle wiſſen die bequemſte Zeit ihrer Begattung; jedes kennt den Gatten ſeiner Art, und unterſcheidet ihn von al- len andern Lebendigen, obgleich unter den man- nichfaltigen Arten von vierfüßigen Thieren, be- ſonders unter den Vögeln, Fiſchen und Jnſekten eine ſolche Aehnlichkeit anzutreffen iſt, daß die Menſchen ſie kaum durch die ſorgfältigſte Beob- achtung von einander unterſcheiden können. Wo- her haben ſie dieſe genaue Kenntniß? Warum verwechſeln ſie einander nicht? Warum entſtehet unter den verſchiednen Arten der Thiere, ſo lange ſie ihre natürliche Freyheit behalten, keine ſolche Vermiſchung, wodurch ſie ausarten, und die er- ſten Gattungen ganz von der Erde verſchwinden könnten! Jſt es nicht ein Wunder der Weisheit, daß die Thiere, wo Weiblein und Männlein einander weder an Geſtalt noch Farbe gleichen, ſich doch nicht von einander verirren? Wer lehrt ſie P 3

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/243>, abgerufen am 22.07.2024.