Fräulein Irmer, die soeben nach ihrem Theeglase gegriffen, setzte es wieder nieder und antwortete: "-- Papa war gerade in den letzten Tagen recht leidend -- hatte viel nervösen Kopfschmerz .. Er läßt sich Ihnen übrigens bestens empfehlen, Herr Quöck --"
"Danke, liebes Fräulein, danke --! Ich glaube, Ihr Herr Papa arbeitet zu viel .. er sollte sich mehr Ruhe gönnen ... das viele Denken strengt so an --"
"Mag sein, Herr Quöck -- aber das ist nun einmal sein Leben -- und ich glaube, man kann die Gesetze, nach denen sich ein individuelles Leben regelt, nicht ungestraft verletzen --"
Herr Quöck kaute gerade an einem etwas heißen Stück Bratkartoffel herum und konnte darum nicht sogleich zu Wort kommen. Adam wandte sich zu seiner Nachbarin hin --:
"-- Wenn ich mich nicht irre, mein gnädiges Fräulein, hörte ich neulich -- ich erinnere mich freilich nicht gleich, wo? --, daß Ihr Herr Vater auch -- hm! auch Bücher zu schreiben pflegt --? -- Ich huldige zeitweilig leider auch dieser tristen Praxis -- es wäre mir darum ganz interessant und zudem eine hohe Ehre, Ihren Herrn Vater gelegentlich persönlich kennen lernen zu dürfen -- "Collegialität" ist zwar sonst nicht gerade --"
"Papa ist, wie gesagt, sehr leidend .. wir leben sehr zurückgezogen .. empfangen selten Besuche .. Papa ist so ungesellschaftlich geworden .. das ist ja natürlich .. Aber wenn Ihnen daran liegt, Herr Doctor -- -- ich werde Papa vorbereiten -- --"
Conradi, Adam Mensch. 4
Fräulein Irmer, die ſoeben nach ihrem Theeglaſe gegriffen, ſetzte es wieder nieder und antwortete: „— Papa war gerade in den letzten Tagen recht leidend — hatte viel nervöſen Kopfſchmerz .. Er läßt ſich Ihnen übrigens beſtens empfehlen, Herr Quöck —“
„Danke, liebes Fräulein, danke —! Ich glaube, Ihr Herr Papa arbeitet zu viel .. er ſollte ſich mehr Ruhe gönnen ... das viele Denken ſtrengt ſo an —“
„Mag ſein, Herr Quöck — aber das iſt nun einmal ſein Leben — und ich glaube, man kann die Geſetze, nach denen ſich ein individuelles Leben regelt, nicht ungeſtraft verletzen —“
Herr Quöck kaute gerade an einem etwas heißen Stück Bratkartoffel herum und konnte darum nicht ſogleich zu Wort kommen. Adam wandte ſich zu ſeiner Nachbarin hin —:
„— Wenn ich mich nicht irre, mein gnädiges Fräulein, hörte ich neulich — ich erinnere mich freilich nicht gleich, wo? —, daß Ihr Herr Vater auch — hm! auch Bücher zu ſchreiben pflegt —? — Ich huldige zeitweilig leider auch dieſer triſten Praxis — es wäre mir darum ganz intereſſant und zudem eine hohe Ehre, Ihren Herrn Vater gelegentlich perſönlich kennen lernen zu dürfen — „Collegialität“ iſt zwar ſonſt nicht gerade —“
„Papa iſt, wie geſagt, ſehr leidend .. wir leben ſehr zurückgezogen .. empfangen ſelten Beſuche .. Papa iſt ſo ungeſellſchaftlich geworden .. das iſt ja natürlich .. Aber wenn Ihnen daran liegt, Herr Doctor — — ich werde Papa vorbereiten — —“
Conradi, Adam Menſch. 4
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Fräulein Irmer, die ſoeben nach ihrem Theeglaſe
gegriffen, ſetzte es wieder nieder und antwortete:
„— Papa war gerade in den letzten Tagen recht
leidend — hatte viel nervöſen Kopfſchmerz .. Er läßt
ſich Ihnen übrigens beſtens empfehlen, Herr Quöck —“
„Danke, liebes Fräulein, danke —! Ich glaube,
Ihr Herr Papa arbeitet zu viel .. er ſollte ſich mehr
Ruhe gönnen ... das viele Denken ſtrengt ſo an —“
„Mag ſein, Herr Quöck — aber das iſt nun
einmal ſein Leben — und ich glaube, man kann
die Geſetze, nach denen ſich ein individuelles Leben
regelt, nicht ungeſtraft verletzen —“
Herr Quöck kaute gerade an einem etwas heißen
Stück Bratkartoffel herum und konnte darum nicht
ſogleich zu Wort kommen. Adam wandte ſich zu
ſeiner Nachbarin hin —:
„— Wenn ich mich nicht irre, mein gnädiges
Fräulein, hörte ich neulich — ich erinnere mich
freilich nicht gleich, wo? —, daß Ihr Herr Vater
auch — hm! auch Bücher zu ſchreiben pflegt —? —
Ich huldige zeitweilig leider auch dieſer triſten
Praxis — es wäre mir darum ganz intereſſant und
zudem eine hohe Ehre, Ihren Herrn Vater gelegentlich
perſönlich kennen lernen zu dürfen — „Collegialität“
iſt zwar ſonſt nicht gerade —“
„Papa iſt, wie geſagt, ſehr leidend .. wir leben
ſehr zurückgezogen .. empfangen ſelten Beſuche ..
Papa iſt ſo ungeſellſchaftlich geworden .. das iſt ja
natürlich .. Aber wenn Ihnen daran liegt, Herr
Doctor — — ich werde Papa vorbereiten — —“
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/57>, abgerufen am 28.11.2024.
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