sätzlich nicht --" hatte Adam laut lachend einge- räumt, zugestanden, ganz und gar ohne inneren Rückhalt -- und doch ein klein Wenig gnädig, einen Fingerhut voll Souveränität in der Seele, eine Idee "von oben 'runter" ... Aber er kannte ja diese Dame, dieses "janz jöttliche Frauenzimmer" über- haupt nach gar nicht. Also! War er etwa neu- gierig --? Quatsch. Seitdem er sich selber so oft als pointenloser, interessant dekadirter Schlingel vor- kam, hatte Adam ein wahres und auch ganz auf- richtiges, ehrliches Entsetzen vor allem Neuen, Außerge- wöhnlichen, allem "Ei--genartigen." Manchmal wenig- stens pilzte sich das Abwehrgefühl prall auf und energisch entgegen --: "Alles! -- nur das nicht!" Dieser verfluchte Exotismus! Das "gewöhnliche" Leben ist ernst, schwer, traurig, elend, verworren, monströs, angenehm, lieblich, beseligend, berauschend genug. Ha! das "gewöhnliche," das gewöhnlichste Leben. Aber Adam hatte die Einladung Herrn Quöcks doch angenommen. "Selbst--verständlich!" Sich so Etwas auch entgehen lassen sollen! Ein patenter Abend: Wein, Cigarren, Scat, Souper, Weiber -- da bleibe der Teufel zu Hause! Lydia --? Nein! Sie reizte ihn nicht. Dieser dämliche Köder. Viel- leicht eine ganz angenehme Zugabe ... eine pikante Würze -- warum denn nicht --? Also abwarten. Nur nichts erwarten. Hinterher ist man auch nicht enttäuscht. Enttäuschungen verstimmen so. Und wenn man die Karten nachher doch wieder in die Hand nimmt, in die Hand nehmen muß, sind sie mit
ſätzlich nicht —“ hatte Adam laut lachend einge- räumt, zugeſtanden, ganz und gar ohne inneren Rückhalt — und doch ein klein Wenig gnädig, einen Fingerhut voll Souveränität in der Seele, eine Idee „von oben 'runter“ ... Aber er kannte ja dieſe Dame, dieſes „janz jöttliche Frauenzimmer“ über- haupt nach gar nicht. Alſo! War er etwa neu- gierig —? Quatſch. Seitdem er ſich ſelber ſo oft als pointenloſer, intereſſant dekadirter Schlingel vor- kam, hatte Adam ein wahres und auch ganz auf- richtiges, ehrliches Entſetzen vor allem Neuen, Außerge- wöhnlichen, allem „Ei—genartigen.“ Manchmal wenig- ſtens pilzte ſich das Abwehrgefühl prall auf und energiſch entgegen —: „Alles! — nur das nicht!“ Dieſer verfluchte Exotismus! Das „gewöhnliche“ Leben iſt ernſt, ſchwer, traurig, elend, verworren, monſtrös, angenehm, lieblich, beſeligend, berauſchend genug. Ha! das „gewöhnliche,“ das gewöhnlichſte Leben. Aber Adam hatte die Einladung Herrn Quöcks doch angenommen. „Selbſt—verſtändlich!“ Sich ſo Etwas auch entgehen laſſen ſollen! Ein patenter Abend: Wein, Cigarren, Scat, Souper, Weiber — da bleibe der Teufel zu Hauſe! Lydia —? Nein! Sie reizte ihn nicht. Dieſer dämliche Köder. Viel- leicht eine ganz angenehme Zugabe ... eine pikante Würze — warum denn nicht —? Alſo abwarten. Nur nichts erwarten. Hinterher iſt man auch nicht enttäuſcht. Enttäuſchungen verſtimmen ſo. Und wenn man die Karten nachher doch wieder in die Hand nimmt, in die Hand nehmen muß, ſind ſie mit
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ſätzlich nicht —“ hatte Adam laut lachend einge-
räumt, zugeſtanden, ganz und gar ohne inneren
Rückhalt — und doch ein klein Wenig gnädig, einen
Fingerhut voll Souveränität in der Seele, eine Idee
„von oben 'runter“ ... Aber er kannte ja dieſe
Dame, dieſes „janz jöttliche Frauenzimmer“ über-
haupt nach gar nicht. Alſo! War er etwa neu-
gierig —? Quatſch. Seitdem er ſich ſelber ſo oft
als pointenloſer, intereſſant dekadirter Schlingel vor-
kam, hatte Adam ein wahres und auch ganz auf-
richtiges, ehrliches Entſetzen vor allem Neuen, Außerge-
wöhnlichen, allem „Ei—genartigen.“ Manchmal wenig-
ſtens pilzte ſich das Abwehrgefühl prall auf und
energiſch entgegen —: „Alles! — nur das nicht!“
Dieſer verfluchte Exotismus! Das „gewöhnliche“
Leben iſt ernſt, ſchwer, traurig, elend, verworren,
monſtrös, angenehm, lieblich, beſeligend, berauſchend
genug. Ha! das „gewöhnliche,“ das gewöhnlichſte
Leben. Aber Adam hatte die Einladung Herrn
Quöcks doch angenommen. „Selbſt—verſtändlich!“
Sich ſo Etwas auch entgehen laſſen ſollen! Ein patenter
Abend: Wein, Cigarren, Scat, Souper, Weiber —
da bleibe der Teufel zu Hauſe! Lydia —? Nein!
Sie reizte ihn nicht. Dieſer dämliche Köder. Viel-
leicht eine ganz angenehme Zugabe ... eine pikante
Würze — warum denn nicht —? Alſo abwarten.
Nur nichts erwarten. Hinterher iſt man auch nicht
enttäuſcht. Enttäuſchungen verſtimmen ſo. Und
wenn man die Karten nachher doch wieder in die
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/44>, abgerufen am 21.11.2024.
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