hangenem Scheine. Und jetzt kam das matte Flämmchen wieder näher und wurde größer, körper- licher. Adam stieß die Thür auf.
Die Luft auf der Gasse war nicht viel frischer. Oefter lief ein kleiner, kühlerer, sanft athmender Wind vorüber, der Adam wohl that. Er wurde bald ruhiger, sicherer, klarer. In den Lüften schwamm noch die letzte, die allerletzte, fast farblose Erinnerung an das weiße Licht des Tages. Bald kam der Mond herauf. Mit einer leisen, discreten Helle überhäufte er zaghaft den Himmel. Einige Tropfen fielen, bald hörte der Regen wieder auf. Adam stapfte weiter und ließ sich alle Stimmungserschei- nungen der anbrechenden, schwülen Sommernacht gefallen.
Die Straßen waren leerer geworden, das Leben stiller, heimlicher, verhaltener. Adam ward es ganz sonderbar zu Sinn. Er kam sich so grenzenlos allein, vereinsamt vor, wie ausgesetzt, wie ausgestoßen. Er empfand Mitleid mit sich in dieser großen Einsam- keit. Sein Weg ging durch kleine, enge Straßen und Gassen. Selten begegnete ihm ein Mensch, ein unbekannter, aus den Schatten des Abends auftau- chender Mensch, ein Einzelner, vielleicht auch ein Vereinzelter, oder Zwei oder Drei. Vor einer Thür, unter einem Fenster, stand wohl auch hier und da ein Pärchen und flüsterte. Adam zog vorüber. Manchmal wunderte er sich im Stillen über das, an dem er vorüberzog, wunderte sich über die warme, geschmeidige Sommernacht, über dies und das aus
hangenem Scheine. Und jetzt kam das matte Flämmchen wieder näher und wurde größer, körper- licher. Adam ſtieß die Thür auf.
Die Luft auf der Gaſſe war nicht viel friſcher. Oefter lief ein kleiner, kühlerer, ſanft athmender Wind vorüber, der Adam wohl that. Er wurde bald ruhiger, ſicherer, klarer. In den Lüften ſchwamm noch die letzte, die allerletzte, faſt farbloſe Erinnerung an das weiße Licht des Tages. Bald kam der Mond herauf. Mit einer leiſen, discreten Helle überhäufte er zaghaft den Himmel. Einige Tropfen fielen, bald hörte der Regen wieder auf. Adam ſtapfte weiter und ließ ſich alle Stimmungserſchei- nungen der anbrechenden, ſchwülen Sommernacht gefallen.
Die Straßen waren leerer geworden, das Leben ſtiller, heimlicher, verhaltener. Adam ward es ganz ſonderbar zu Sinn. Er kam ſich ſo grenzenlos allein, vereinſamt vor, wie ausgeſetzt, wie ausgeſtoßen. Er empfand Mitleid mit ſich in dieſer großen Einſam- keit. Sein Weg ging durch kleine, enge Straßen und Gaſſen. Selten begegnete ihm ein Menſch, ein unbekannter, aus den Schatten des Abends auftau- chender Menſch, ein Einzelner, vielleicht auch ein Vereinzelter, oder Zwei oder Drei. Vor einer Thür, unter einem Fenſter, ſtand wohl auch hier und da ein Pärchen und flüſterte. Adam zog vorüber. Manchmal wunderte er ſich im Stillen über das, an dem er vorüberzog, wunderte ſich über die warme, geſchmeidige Sommernacht, über dies und das aus
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hangenem Scheine. Und jetzt kam das matte
Flämmchen wieder näher und wurde größer, körper-
licher. Adam ſtieß die Thür auf.
Die Luft auf der Gaſſe war nicht viel friſcher.
Oefter lief ein kleiner, kühlerer, ſanft athmender
Wind vorüber, der Adam wohl that. Er wurde
bald ruhiger, ſicherer, klarer. In den Lüften ſchwamm
noch die letzte, die allerletzte, faſt farbloſe Erinnerung
an das weiße Licht des Tages. Bald kam der
Mond herauf. Mit einer leiſen, discreten Helle
überhäufte er zaghaft den Himmel. Einige Tropfen
fielen, bald hörte der Regen wieder auf. Adam
ſtapfte weiter und ließ ſich alle Stimmungserſchei-
nungen der anbrechenden, ſchwülen Sommernacht
gefallen.
Die Straßen waren leerer geworden, das Leben
ſtiller, heimlicher, verhaltener. Adam ward es ganz
ſonderbar zu Sinn. Er kam ſich ſo grenzenlos allein,
vereinſamt vor, wie ausgeſetzt, wie ausgeſtoßen. Er
empfand Mitleid mit ſich in dieſer großen Einſam-
keit. Sein Weg ging durch kleine, enge Straßen
und Gaſſen. Selten begegnete ihm ein Menſch, ein
unbekannter, aus den Schatten des Abends auftau-
chender Menſch, ein Einzelner, vielleicht auch ein
Vereinzelter, oder Zwei oder Drei. Vor einer
Thür, unter einem Fenſter, ſtand wohl auch hier und
da ein Pärchen und flüſterte. Adam zog vorüber.
Manchmal wunderte er ſich im Stillen über das,
an dem er vorüberzog, wunderte ſich über die warme,
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/412>, abgerufen am 24.11.2024.
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