"Aha! Jetzt spielen Sie das Gespräch auf ein Gebiet hinüber, gnädige Frau, das Ihnen allerdings angenehmer sein möchte, als die Distel- und Nesselfel- der, die ich Ihnen -- na! -- -- ich sage ja -- nee! zu köstlich! zu köstlich --! Uebrigens 'n bekannter Weiberkniff -- --"
"Bitte! Beantworten Sie meine Frage --"
"Liegt Ihnen wirklich so viel daran, gnädige Frau --? Nun denn: Wenn das auch der Fall wäre -- wenn ich Hedwig Irmer -- liebte -- was wäre dann? Was hat das damit zu thun, daß -- --"
"Was dann wäre, Herr Doctor --? Hm --! Dann wären Sie nicht nur mit mir fertig, wie Sie sich vorhin auszudrücken beliebten -- dann wäre ich allerdings auch mit Ihnen fertig -- --"
Lydia stand hinter der Lehne eines Fauteuils, an welcher sie sich jetzt mit ihren kleinen, vollen Händen fest anhielt. Die ganze Gestalt war in sich zusam- mengesunken, wie von einem tiefen, seelischen Schmerze überwältigt.
"Sie auch mit mir --" sprach Adam leise nach und fuhr sich mit der linken Hand über die Stirn.
Und eine jähe, gewaltige Wandlung erfaßte ihn. Wie ein Riß klaffte es durch die Dünste und Nebel, in die er sich hineinphantasirt hatte. Dieses Weib da liebte ihn -- und er -- er liebte in diesem Augenblicke auch das Weib, er liebte es heiß, leiden- schaftlich, bis zum Wahnsinn, bis zur Verzweiflung. Das Andere, was er da vorhin zu ihr gesprochen hatte -- das war ja Alles nur Einbildung, Humbug,
„Aha! Jetzt ſpielen Sie das Geſpräch auf ein Gebiet hinüber, gnädige Frau, das Ihnen allerdings angenehmer ſein möchte, als die Diſtel- und Neſſelfel- der, die ich Ihnen — na! — — ich ſage ja — nee! zu köſtlich! zu köſtlich —! Uebrigens 'n bekannter Weiberkniff — —“
„Bitte! Beantworten Sie meine Frage —“
„Liegt Ihnen wirklich ſo viel daran, gnädige Frau —? Nun denn: Wenn das auch der Fall wäre — wenn ich Hedwig Irmer — liebte — was wäre dann? Was hat das damit zu thun, daß — —“
„Was dann wäre, Herr Doctor —? Hm —! Dann wären Sie nicht nur mit mir fertig, wie Sie ſich vorhin auszudrücken beliebten — dann wäre ich allerdings auch mit Ihnen fertig — —“
Lydia ſtand hinter der Lehne eines Fauteuils, an welcher ſie ſich jetzt mit ihren kleinen, vollen Händen feſt anhielt. Die ganze Geſtalt war in ſich zuſam- mengeſunken, wie von einem tiefen, ſeeliſchen Schmerze überwältigt.
„Sie auch mit mir —“ ſprach Adam leiſe nach und fuhr ſich mit der linken Hand über die Stirn.
Und eine jähe, gewaltige Wandlung erfaßte ihn. Wie ein Riß klaffte es durch die Dünſte und Nebel, in die er ſich hineinphantaſirt hatte. Dieſes Weib da liebte ihn — und er — er liebte in dieſem Augenblicke auch das Weib, er liebte es heiß, leiden- ſchaftlich, bis zum Wahnſinn, bis zur Verzweiflung. Das Andere, was er da vorhin zu ihr geſprochen hatte — das war ja Alles nur Einbildung, Humbug,
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„Aha! Jetzt ſpielen Sie das Geſpräch auf ein
Gebiet hinüber, gnädige Frau, das Ihnen allerdings
angenehmer ſein möchte, als die Diſtel- und Neſſelfel-
der, die ich Ihnen — na! — — ich ſage ja — nee!
zu köſtlich! zu köſtlich —! Uebrigens 'n bekannter
Weiberkniff — —“
„Bitte! Beantworten Sie meine Frage —“
„Liegt Ihnen wirklich ſo viel daran, gnädige
Frau —? Nun denn: Wenn das auch der Fall wäre
— wenn ich Hedwig Irmer — liebte — was wäre
dann? Was hat das damit zu thun, daß — —“
„Was dann wäre, Herr Doctor —? Hm —!
Dann wären Sie nicht nur mit mir fertig, wie Sie
ſich vorhin auszudrücken beliebten — dann wäre ich
allerdings auch mit Ihnen fertig — —“
Lydia ſtand hinter der Lehne eines Fauteuils, an
welcher ſie ſich jetzt mit ihren kleinen, vollen Händen
feſt anhielt. Die ganze Geſtalt war in ſich zuſam-
mengeſunken, wie von einem tiefen, ſeeliſchen Schmerze
überwältigt.
„Sie auch mit mir —“ ſprach Adam leiſe nach
und fuhr ſich mit der linken Hand über die Stirn.
Und eine jähe, gewaltige Wandlung erfaßte ihn.
Wie ein Riß klaffte es durch die Dünſte und Nebel,
in die er ſich hineinphantaſirt hatte. Dieſes Weib
da liebte ihn — und er — er liebte in dieſem
Augenblicke auch das Weib, er liebte es heiß, leiden-
ſchaftlich, bis zum Wahnſinn, bis zur Verzweiflung.
Das Andere, was er da vorhin zu ihr geſprochen
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/397>, abgerufen am 22.11.2024.
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