Adam schwieg eine kleine Weile und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Er war da in ein zweideutiges Fahrwasser gerathen. So ging das Spiel nicht weiter. Er trieb einem Ziele zu, das ihn jetzt nicht im Geringsten reizte. Oder doch? Dünkte ihn diese Frau noch immer begehrenswerth? Sie schien auf etwas anzuspielen, das zwischen ihnen einmal mehr oder weniger deutlich zur Sprache gekommen war. Vielleicht legte sie der ganzen Ge- schichte doch mehr Werth und Bedeutung bei. Vielleicht war sie doch tiefer engagirt. Nun! das konnte ihm ja nur schmeichelhaft sein. Und augen- blicklich war es ihm gewiß auch nur günstig, wenn diese Dame, die ihm einen Dienst leisten sollte, stärkere Sympathien für ihn hegte.
Adam wurde ganz ruhig und sicher. Mit klarer Stimme begann er: "Ich bin gekommen, gnädige Frau, Sie um eine Gefälligkeit zu bitten --"
"Und die wäre --?" fragte Lydia, neugierig und erstaunt zugleich. So redet doch kein Mann, der um eine Frau .. um eine Frau, die er .. die er -- liebt -- -- --
Nun wollten die Worte dem Herrn Doctor doch nicht so glatt über die Lippen schlüpfen. Er zauderte, er hustete verlegen, er athmete kurz, gepreßt, eine Reihe von Wendungen und Fassungen schwirrte ihm durch den Kopf, er prüfte sie mechanisch, indem er sie sich leise objectivirte, er konnte sich nicht entscheiden, er war nicht im Stande, die prägnanteste
„Wenn auch —?“
Adam ſchwieg eine kleine Weile und fuhr ſich mit der Hand über die Stirn. Er war da in ein zweideutiges Fahrwaſſer gerathen. So ging das Spiel nicht weiter. Er trieb einem Ziele zu, das ihn jetzt nicht im Geringſten reizte. Oder doch? Dünkte ihn dieſe Frau noch immer begehrenswerth? Sie ſchien auf etwas anzuſpielen, das zwiſchen ihnen einmal mehr oder weniger deutlich zur Sprache gekommen war. Vielleicht legte ſie der ganzen Ge- ſchichte doch mehr Werth und Bedeutung bei. Vielleicht war ſie doch tiefer engagirt. Nun! das konnte ihm ja nur ſchmeichelhaft ſein. Und augen- blicklich war es ihm gewiß auch nur günſtig, wenn dieſe Dame, die ihm einen Dienſt leiſten ſollte, ſtärkere Sympathien für ihn hegte.
Adam wurde ganz ruhig und ſicher. Mit klarer Stimme begann er: „Ich bin gekommen, gnädige Frau, Sie um eine Gefälligkeit zu bitten —“
„Und die wäre —?“ fragte Lydia, neugierig und erſtaunt zugleich. So redet doch kein Mann, der um eine Frau .. um eine Frau, die er .. die er — liebt — — —
Nun wollten die Worte dem Herrn Doctor doch nicht ſo glatt über die Lippen ſchlüpfen. Er zauderte, er huſtete verlegen, er athmete kurz, gepreßt, eine Reihe von Wendungen und Faſſungen ſchwirrte ihm durch den Kopf, er prüfte ſie mechaniſch, indem er ſie ſich leiſe objectivirte, er konnte ſich nicht entſcheiden, er war nicht im Stande, die prägnanteſte
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„Wenn auch —?“
Adam ſchwieg eine kleine Weile und fuhr ſich
mit der Hand über die Stirn. Er war da in ein
zweideutiges Fahrwaſſer gerathen. So ging das
Spiel nicht weiter. Er trieb einem Ziele zu, das
ihn jetzt nicht im Geringſten reizte. Oder doch?
Dünkte ihn dieſe Frau noch immer begehrenswerth?
Sie ſchien auf etwas anzuſpielen, das zwiſchen
ihnen einmal mehr oder weniger deutlich zur Sprache
gekommen war. Vielleicht legte ſie der ganzen Ge-
ſchichte doch mehr Werth und Bedeutung bei.
Vielleicht war ſie doch tiefer engagirt. Nun! das
konnte ihm ja nur ſchmeichelhaft ſein. Und augen-
blicklich war es ihm gewiß auch nur günſtig, wenn
dieſe Dame, die ihm einen Dienſt leiſten ſollte,
ſtärkere Sympathien für ihn hegte.
Adam wurde ganz ruhig und ſicher. Mit
klarer Stimme begann er: „Ich bin gekommen,
gnädige Frau, Sie um eine Gefälligkeit zu bitten —“
„Und die wäre —?“ fragte Lydia, neugierig
und erſtaunt zugleich. So redet doch kein Mann,
der um eine Frau .. um eine Frau, die er ..
die er — liebt — — —
Nun wollten die Worte dem Herrn Doctor
doch nicht ſo glatt über die Lippen ſchlüpfen. Er
zauderte, er huſtete verlegen, er athmete kurz, gepreßt,
eine Reihe von Wendungen und Faſſungen ſchwirrte
ihm durch den Kopf, er prüfte ſie mechaniſch, indem
er ſie ſich leiſe objectivirte, er konnte ſich nicht
entſcheiden, er war nicht im Stande, die prägnanteſte
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/385>, abgerufen am 22.11.2024.
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