Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].Städtels, allwo er ihren Brüdern ein in mancherlei Hin- Hm! So war er denn wirklich ein "moderner" Städtels, allwo er ihren Brüdern ein in mancherlei Hin- Hm! So war er denn wirklich ein „moderner“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0026" n="18"/> Städtels, allwo er ihren Brüdern ein in mancherlei Hin-<lb/> ſicht doch etwas merkwürdiger Lehrer geweſen war, mit<lb/> ihm getheilt hätte — ſotanes Tafeltuch ſchnitt er alſo<lb/> mitten durch — und ließ ſich auf den curioſen Einfall<lb/> kommen, ein … „moderner“ Menſch zu werden. —</p><lb/> <p>Hm! So war er denn wirklich ein „moderner“<lb/> Menſch geworden. Und ſo ſaß er zu dieſer Stunde<lb/> dort auf dem Sopha, zog ſeine Virginia-Cigarette<lb/> mechaniſch durch die Lippen, gab den Qualm<lb/> mechaniſch von ſich, preßte ab und zu Zeige- und<lb/> Mittelfinger der linken Hand gegen die linke Seite<lb/> ſeiner Schläfen und dachte manchmal an Hedwig<lb/> Irmer. Wie dumm ihm jetzt die Geſchichte vorkam,<lb/> die er vor kaum einer Stunde mit dieſer Dame<lb/> in Scene geſetzt! Nein! Er wußte es: er beſaß<lb/> kein … wenigſtens noch kein tieferes Intereſſe für<lb/> dieſes Weib .. Ob er wohl jemals in den Beſitz<lb/> dieſes „tieferen Intereſſes“ für Fräulein Irmer ge-<lb/> langen würde? Kaum .. Er konnte ſich allerdings<lb/> nicht trauen. Zuweilen überraſchte ihn ſein ſonder-<lb/> bar complicirtes Ich mit Thatſachen, die ihn in<lb/> Erſtaunen ſetzten. Er hätte eigentlich immer <hi rendition="#aq">en<lb/> vedette</hi> ſich gegenüber ſein müſſen. Doch vorausbe-<lb/> ſtimmen konnte er abſolut Nichts. So mußte er<lb/> ſich denn eben überraſchen laſſen. Beſaß er Ellen-<lb/> bogen? O ja! Aber er gebrauchte ſie nicht, ſich<lb/> Platz auf der Welt zu verſchaffen. Wollte er ſie<lb/> nicht dazu gebrauchen? Hm! War er blaſirt?<lb/><hi rendition="#aq">Gâté</hi>? Nein! Nein! Er kannte ja das Leben noch<lb/> kaum. Es war ja eigentlich noch gar nicht ſo lange<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [18/0026]
Städtels, allwo er ihren Brüdern ein in mancherlei Hin-
ſicht doch etwas merkwürdiger Lehrer geweſen war, mit
ihm getheilt hätte — ſotanes Tafeltuch ſchnitt er alſo
mitten durch — und ließ ſich auf den curioſen Einfall
kommen, ein … „moderner“ Menſch zu werden. —
Hm! So war er denn wirklich ein „moderner“
Menſch geworden. Und ſo ſaß er zu dieſer Stunde
dort auf dem Sopha, zog ſeine Virginia-Cigarette
mechaniſch durch die Lippen, gab den Qualm
mechaniſch von ſich, preßte ab und zu Zeige- und
Mittelfinger der linken Hand gegen die linke Seite
ſeiner Schläfen und dachte manchmal an Hedwig
Irmer. Wie dumm ihm jetzt die Geſchichte vorkam,
die er vor kaum einer Stunde mit dieſer Dame
in Scene geſetzt! Nein! Er wußte es: er beſaß
kein … wenigſtens noch kein tieferes Intereſſe für
dieſes Weib .. Ob er wohl jemals in den Beſitz
dieſes „tieferen Intereſſes“ für Fräulein Irmer ge-
langen würde? Kaum .. Er konnte ſich allerdings
nicht trauen. Zuweilen überraſchte ihn ſein ſonder-
bar complicirtes Ich mit Thatſachen, die ihn in
Erſtaunen ſetzten. Er hätte eigentlich immer en
vedette ſich gegenüber ſein müſſen. Doch vorausbe-
ſtimmen konnte er abſolut Nichts. So mußte er
ſich denn eben überraſchen laſſen. Beſaß er Ellen-
bogen? O ja! Aber er gebrauchte ſie nicht, ſich
Platz auf der Welt zu verſchaffen. Wollte er ſie
nicht dazu gebrauchen? Hm! War er blaſirt?
Gâté? Nein! Nein! Er kannte ja das Leben noch
kaum. Es war ja eigentlich noch gar nicht ſo lange
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