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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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krankhafter Blässe glänzenden, dick überperlten Stirn.
Jetzt fühlte sie den unangenehm scharfen Blick
Adams. Sie wurde unruhig .. in ihr Gesicht trat
ein seltsamer Ausdruck, der zugleich Scheu, Aengst-
lichkeit, Verlegenheit .. einen leisen Aerger über
die Ungeschicklichkeit ihres Vaters .. und doch auch
eine gewisse Freude -- aber worüber? -- verrieth.

"Was arbeiten Sie jetzt, Herr Doctor?" fragte
Irmer nach einer kleinen Weile und sah mit müdem,
erloschenem Blick zu seinem Nachbar hin.

"Ach Gott! Dies und Das! Es ist nicht der
Mühe werth. Ich mache jetzt anthropologische
Studien -- die sind werthvoller und .. nothwen-
diger --" bemerkte Adam kurz.

Hedwig sah mit unsäglich wehmüthigem Blicke
zu ihrem Vater hin.

Eine längere Pause entstand. Adam betrachtete
mit sehr gemischten Empfindungen die beiden
Menschen, die da vor ihm saßen. Er fühlte sich
nicht wohl bei ihnen -- nein! Ihre Hülflosigkeit
machte ihn nervös .. peinigte, beklemmte ihn.
Und doch appellirten sie, gewiß ganz, ohne daß sie
es wollten, an sein Mitleid. Sie erwählten ihn
unwillkürlich zum Vertrauten ihrer Schmerzen ..
und sie wandten sich, gewiß nicht minder unbewußt,
an ihn um Hülfe .. um Linderung .. Rettung ..
Nun fiel es Adam schwer aufs Herz .. nun that
es ihm sehr weh, daß er nicht helfen konnte .. Das
"Schicksal" mußte wieder einmal seinen üblichen Lauf
nehmen. Eines Tages würde Irmer sterben und

Conradi, Adam Mensch. 14

krankhafter Bläſſe glänzenden, dick überperlten Stirn.
Jetzt fühlte ſie den unangenehm ſcharfen Blick
Adams. Sie wurde unruhig .. in ihr Geſicht trat
ein ſeltſamer Ausdruck, der zugleich Scheu, Aengſt-
lichkeit, Verlegenheit .. einen leiſen Aerger über
die Ungeſchicklichkeit ihres Vaters .. und doch auch
eine gewiſſe Freude — aber worüber? — verrieth.

„Was arbeiten Sie jetzt, Herr Doctor?“ fragte
Irmer nach einer kleinen Weile und ſah mit müdem,
erloſchenem Blick zu ſeinem Nachbar hin.

„Ach Gott! Dies und Das! Es iſt nicht der
Mühe werth. Ich mache jetzt anthropologiſche
Studien — die ſind werthvoller und .. nothwen-
diger —“ bemerkte Adam kurz.

Hedwig ſah mit unſäglich wehmüthigem Blicke
zu ihrem Vater hin.

Eine längere Pauſe entſtand. Adam betrachtete
mit ſehr gemiſchten Empfindungen die beiden
Menſchen, die da vor ihm ſaßen. Er fühlte ſich
nicht wohl bei ihnen — nein! Ihre Hülfloſigkeit
machte ihn nervös .. peinigte, beklemmte ihn.
Und doch appellirten ſie, gewiß ganz, ohne daß ſie
es wollten, an ſein Mitleid. Sie erwählten ihn
unwillkürlich zum Vertrauten ihrer Schmerzen ..
und ſie wandten ſich, gewiß nicht minder unbewußt,
an ihn um Hülfe .. um Linderung .. Rettung ..
Nun fiel es Adam ſchwer aufs Herz .. nun that
es ihm ſehr weh, daß er nicht helfen konnte .. Das
„Schickſal“ mußte wieder einmal ſeinen üblichen Lauf
nehmen. Eines Tages würde Irmer ſterben und

Conradi, Adam Menſch. 14
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[209/0217] krankhafter Bläſſe glänzenden, dick überperlten Stirn. Jetzt fühlte ſie den unangenehm ſcharfen Blick Adams. Sie wurde unruhig .. in ihr Geſicht trat ein ſeltſamer Ausdruck, der zugleich Scheu, Aengſt- lichkeit, Verlegenheit .. einen leiſen Aerger über die Ungeſchicklichkeit ihres Vaters .. und doch auch eine gewiſſe Freude — aber worüber? — verrieth. „Was arbeiten Sie jetzt, Herr Doctor?“ fragte Irmer nach einer kleinen Weile und ſah mit müdem, erloſchenem Blick zu ſeinem Nachbar hin. „Ach Gott! Dies und Das! Es iſt nicht der Mühe werth. Ich mache jetzt anthropologiſche Studien — die ſind werthvoller und .. nothwen- diger —“ bemerkte Adam kurz. Hedwig ſah mit unſäglich wehmüthigem Blicke zu ihrem Vater hin. Eine längere Pauſe entſtand. Adam betrachtete mit ſehr gemiſchten Empfindungen die beiden Menſchen, die da vor ihm ſaßen. Er fühlte ſich nicht wohl bei ihnen — nein! Ihre Hülfloſigkeit machte ihn nervös .. peinigte, beklemmte ihn. Und doch appellirten ſie, gewiß ganz, ohne daß ſie es wollten, an ſein Mitleid. Sie erwählten ihn unwillkürlich zum Vertrauten ihrer Schmerzen .. und ſie wandten ſich, gewiß nicht minder unbewußt, an ihn um Hülfe .. um Linderung .. Rettung .. Nun fiel es Adam ſchwer aufs Herz .. nun that es ihm ſehr weh, daß er nicht helfen konnte .. Das „Schickſal“ mußte wieder einmal ſeinen üblichen Lauf nehmen. Eines Tages würde Irmer ſterben und Conradi, Adam Menſch. 14

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/217>, abgerufen am 28.11.2024.