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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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sich, indem er diesem spontanen Bedürfnisse nach-
gab und dasselbe in einen bewußten Willensakt
umsetzte, nur von einer zufälligen Stimmung, einer
ersten besten Laune leiten? Wollte er sich zerstreuen,
auf andere Gedanken kommen, sich den stechenden
Schmerz in den Schläfen vergessen machen? Oder
reizte ihn irgend Etwas an diesem Weibe, das er
schon öfter im Cafe Caesar gesehen ... dessen
aufgereckte Gestalt mit ihrer reservirten Halbfülle
seinem Auge wohlgethan? War ihm dieses bleiche
Gesicht mit der sonderbaren Kreuzung im Ausdruck,
wenn seine ursprüngliche Herbheit und abweisende
Strenge sich mit der momentanen Verlegenheit,
Scheu und Unsicherheit paarten -- war es ihm "an-
ziehend"? Adam war noch nicht zu einem trans-
parenten Ergebnisse gelangt, als er sich schon über den
Fahrdamm schreiten und die Richtung nach jener
einmündenden Straße nehmen sah, um deren Ecke
Fräulein Irmer soeben verschwunden war.

Einige Minuten später hatte der grübelnde Herr
Doctor die Dame dicht vor sich.

Fräulein Irmer ging langsam, einförmig, bei-
nahe schwerfällig. Sie wandte sich nicht nach rechts
noch nach links, gerade aufgerichtet trug sie den
Kopf und mußte, wie Adam aus ihrer Haltung
schloß, stets in der Richtung ihres Weges vor sich
hinstarren -- und doch über all' die Menschen, die vor
ihr hergingen oder ihr begegneten, hinwegsehen, un-
berührt von den lärmenden, zuckenden Schatten,
mit denen das unstäte Leben sie umgab. Adam

ſich, indem er dieſem ſpontanen Bedürfniſſe nach-
gab und daſſelbe in einen bewußten Willensakt
umſetzte, nur von einer zufälligen Stimmung, einer
erſten beſten Laune leiten? Wollte er ſich zerſtreuen,
auf andere Gedanken kommen, ſich den ſtechenden
Schmerz in den Schläfen vergeſſen machen? Oder
reizte ihn irgend Etwas an dieſem Weibe, das er
ſchon öfter im Café Caeſar geſehen ... deſſen
aufgereckte Geſtalt mit ihrer reſervirten Halbfülle
ſeinem Auge wohlgethan? War ihm dieſes bleiche
Geſicht mit der ſonderbaren Kreuzung im Ausdruck,
wenn ſeine urſprüngliche Herbheit und abweiſende
Strenge ſich mit der momentanen Verlegenheit,
Scheu und Unſicherheit paarten — war es ihm „an-
ziehend“? Adam war noch nicht zu einem trans-
parenten Ergebniſſe gelangt, als er ſich ſchon über den
Fahrdamm ſchreiten und die Richtung nach jener
einmündenden Straße nehmen ſah, um deren Ecke
Fräulein Irmer ſoeben verſchwunden war.

Einige Minuten ſpäter hatte der grübelnde Herr
Doctor die Dame dicht vor ſich.

Fräulein Irmer ging langſam, einförmig, bei-
nahe ſchwerfällig. Sie wandte ſich nicht nach rechts
noch nach links, gerade aufgerichtet trug ſie den
Kopf und mußte, wie Adam aus ihrer Haltung
ſchloß, ſtets in der Richtung ihres Weges vor ſich
hinſtarren — und doch über all' die Menſchen, die vor
ihr hergingen oder ihr begegneten, hinwegſehen, un-
berührt von den lärmenden, zuckenden Schatten,
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[4/0012] ſich, indem er dieſem ſpontanen Bedürfniſſe nach- gab und daſſelbe in einen bewußten Willensakt umſetzte, nur von einer zufälligen Stimmung, einer erſten beſten Laune leiten? Wollte er ſich zerſtreuen, auf andere Gedanken kommen, ſich den ſtechenden Schmerz in den Schläfen vergeſſen machen? Oder reizte ihn irgend Etwas an dieſem Weibe, das er ſchon öfter im Café Caeſar geſehen ... deſſen aufgereckte Geſtalt mit ihrer reſervirten Halbfülle ſeinem Auge wohlgethan? War ihm dieſes bleiche Geſicht mit der ſonderbaren Kreuzung im Ausdruck, wenn ſeine urſprüngliche Herbheit und abweiſende Strenge ſich mit der momentanen Verlegenheit, Scheu und Unſicherheit paarten — war es ihm „an- ziehend“? Adam war noch nicht zu einem trans- parenten Ergebniſſe gelangt, als er ſich ſchon über den Fahrdamm ſchreiten und die Richtung nach jener einmündenden Straße nehmen ſah, um deren Ecke Fräulein Irmer ſoeben verſchwunden war. Einige Minuten ſpäter hatte der grübelnde Herr Doctor die Dame dicht vor ſich. Fräulein Irmer ging langſam, einförmig, bei- nahe ſchwerfällig. Sie wandte ſich nicht nach rechts noch nach links, gerade aufgerichtet trug ſie den Kopf und mußte, wie Adam aus ihrer Haltung ſchloß, ſtets in der Richtung ihres Weges vor ſich hinſtarren — und doch über all' die Menſchen, die vor ihr hergingen oder ihr begegneten, hinwegſehen, un- berührt von den lärmenden, zuckenden Schatten, mit denen das unſtäte Leben ſie umgab. Adam

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/12>, abgerufen am 21.11.2024.