"Gefühl ... Verständniß für Freiheit -- das Bedürfniß derselben sind gewiß große, schöne, be- deutende Dinge .. Aber man darf eine Passion nicht in äußerliche, kleinliche Pedanterie'n und Will- kürlichkeiten zersplittern --"
"Ich bin übrigens sogleich zu Hause --"
"Hedwig! Wollen wir uns denn immer so fremd bleiben? Ich habe Geduld, unter Um- ständen viel Geduld -- aber ich bemerkte Ihnen schon --: ich muß zeitweilig sehr despotisch sein --"
"Ich bitte, Herr Doctor --"
"Sind Sie mir noch böse von neulich? -- Ich handle immer nur aus dem Rahmen meiner Stimmung heraus --"
"Darüber brauche ich wohl nicht zu reden. -- Aber hier sind wir ... Adieu!"
"Sie malträtiren mich geradezu, mein Fräulein! Aber wie Sie .. wie Sie wollen. . Also adieu! Empfehlen Sie mich, bitte, Ihrem Herrn Vater! Ich habe die Ehre. ." Adam lüftete den Hut und verneigte sich sehr ceremoniell. Dann blieb er noch einen Augenblick vor der geöffneten Thür stehen. Auch Hedwig war stehen geblieben. Beide sahen sich fest in die Augen. Um Adams Lippen kräuselte es sich wie ein verhaltenes Lächeln der Befriedigung.
Als Hedwig Irmer die Treppen zu ihrer Wohnung hinaufschritt, war es ihr plötzlich zu Sinn, als ver- stünde sie diesen Adam Mensch besser, als er sich
„Geben Sie mir den Arm — ja —?“
„Ich danke! Ich gehe ſo freier —“
„Gefühl ... Verſtändniß für Freiheit — das Bedürfniß derſelben ſind gewiß große, ſchöne, be- deutende Dinge .. Aber man darf eine Paſſion nicht in äußerliche, kleinliche Pedanterie'n und Will- kürlichkeiten zerſplittern —“
„Ich bin übrigens ſogleich zu Hauſe —“
„Hedwig! Wollen wir uns denn immer ſo fremd bleiben? Ich habe Geduld, unter Um- ſtänden viel Geduld — aber ich bemerkte Ihnen ſchon —: ich muß zeitweilig ſehr despotiſch ſein —“
„Ich bitte, Herr Doctor —“
„Sind Sie mir noch böſe von neulich? — Ich handle immer nur aus dem Rahmen meiner Stimmung heraus —“
„Darüber brauche ich wohl nicht zu reden. — Aber hier ſind wir ... Adieu!“
„Sie malträtiren mich geradezu, mein Fräulein! Aber wie Sie .. wie Sie wollen. . Alſo adieu! Empfehlen Sie mich, bitte, Ihrem Herrn Vater! Ich habe die Ehre. .“ Adam lüftete den Hut und verneigte ſich ſehr ceremoniell. Dann blieb er noch einen Augenblick vor der geöffneten Thür ſtehen. Auch Hedwig war ſtehen geblieben. Beide ſahen ſich feſt in die Augen. Um Adams Lippen kräuſelte es ſich wie ein verhaltenes Lächeln der Befriedigung.
Als Hedwig Irmer die Treppen zu ihrer Wohnung hinaufſchritt, war es ihr plötzlich zu Sinn, als ver- ſtünde ſie dieſen Adam Menſch beſſer, als er ſich
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„Geben Sie mir den Arm — ja —?“
„Ich danke! Ich gehe ſo freier —“
„Gefühl ... Verſtändniß für Freiheit — das
Bedürfniß derſelben ſind gewiß große, ſchöne, be-
deutende Dinge .. Aber man darf eine Paſſion
nicht in äußerliche, kleinliche Pedanterie'n und Will-
kürlichkeiten zerſplittern —“
„Ich bin übrigens ſogleich zu Hauſe —“
„Hedwig! Wollen wir uns denn immer ſo
fremd bleiben? Ich habe Geduld, unter Um-
ſtänden viel Geduld — aber ich bemerkte Ihnen
ſchon —: ich muß zeitweilig ſehr despotiſch ſein —“
„Ich bitte, Herr Doctor —“
„Sind Sie mir noch böſe von neulich? — Ich
handle immer nur aus dem Rahmen meiner Stimmung
heraus —“
„Darüber brauche ich wohl nicht zu reden. —
Aber hier ſind wir ... Adieu!“
„Sie malträtiren mich geradezu, mein Fräulein!
Aber wie Sie .. wie Sie wollen. . Alſo adieu!
Empfehlen Sie mich, bitte, Ihrem Herrn Vater!
Ich habe die Ehre. .“ Adam lüftete den Hut und
verneigte ſich ſehr ceremoniell. Dann blieb er noch
einen Augenblick vor der geöffneten Thür ſtehen.
Auch Hedwig war ſtehen geblieben. Beide ſahen
ſich feſt in die Augen. Um Adams Lippen kräuſelte
es ſich wie ein verhaltenes Lächeln der Befriedigung.
Als Hedwig Irmer die Treppen zu ihrer Wohnung
hinaufſchritt, war es ihr plötzlich zu Sinn, als ver-
ſtünde ſie dieſen Adam Menſch beſſer, als er ſich
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/106>, abgerufen am 13.05.2024.
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