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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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zwei Ursachen sind: die überwiegende Auswanderung männlicher
Personen und der raschere Verbrauch der Männer durch ihren
aufreibenden Beruf. Der ersteren Ursache ist entgegen zu wirken
durch ein Abzugsgeld für männliche und eine Auswanderungs-
prämie für weibliche Personen, sowie durch staatliche und pri-
vate Einrichtung einer internationalen Heirathsvermittelung
zwischen den Ein- und Auswanderungsgebieten. Die zweite
Ursache, nämlich das Mißverhältniß zwischen der aufreibenden
Wirkung der männlichen und der weiblichen Berufsarten, ist
daraus abzuleiten, daß einerseits viele unserer heutigen Arbeits-
gelegenheiten noch nicht mit dem erforderlichen und möglichen
hygienischen Schutz umgeben sind, und daß andererseits zu
viele Frauen als Jungfern den Gefahren des weiblichen Be-
rufes entzogen bleiben. "Gerade die Jungfern sind es natur-
gemäß, die ihr verfehltes Leben am längsten hinschleppen."
Auch das zu späte Durchschnittsalter der Verheirathung beim
weiblichen Geschlecht und in den höheren Ständen die immer
mehr um sich greifende Scheu vor der normalen Kinderzahl
tragen dazu bei, die durchschnittliche Lebensdauer des weiblichen
Geschlechts im Vergleiche zu der des männlichen Geschlechts zu
verlängern. Wenn künftig wieder alle Mädchen in jungen
Jahren geheirathet werden und soviel Kinder bekommen, wie
die Natur ihnen bestimmt hat, dann wird auch die Sterblich-
keit in beiden Geschlechtern sich wieder annähernd gleich stellen
und der weibliche Ueberschuß verschwinden.

Soweit Eduard von Hartmann.

Was er über die Thatsachen der numerischen Mißverhält-
nisse der beiden Geschlechter sagt, ist nur theilweise zutreffend.
Die Auswanderung ist ein Hauptgrund, nicht der Hauptgrund
desselben im Deutschen Reiche, in Großbritannien; auch in
Frankreich besteht ein Mißverhältniß trotz der Geringfügigkeit

zwei Ursachen sind: die überwiegende Auswanderung männlicher
Personen und der raschere Verbrauch der Männer durch ihren
aufreibenden Beruf. Der ersteren Ursache ist entgegen zu wirken
durch ein Abzugsgeld für männliche und eine Auswanderungs-
prämie für weibliche Personen, sowie durch staatliche und pri-
vate Einrichtung einer internationalen Heirathsvermittelung
zwischen den Ein- und Auswanderungsgebieten. Die zweite
Ursache, nämlich das Mißverhältniß zwischen der aufreibenden
Wirkung der männlichen und der weiblichen Berufsarten, ist
daraus abzuleiten, daß einerseits viele unserer heutigen Arbeits-
gelegenheiten noch nicht mit dem erforderlichen und möglichen
hygienischen Schutz umgeben sind, und daß andererseits zu
viele Frauen als Jungfern den Gefahren des weiblichen Be-
rufes entzogen bleiben. „Gerade die Jungfern sind es natur-
gemäß, die ihr verfehltes Leben am längsten hinschleppen.“
Auch das zu späte Durchschnittsalter der Verheirathung beim
weiblichen Geschlecht und in den höheren Ständen die immer
mehr um sich greifende Scheu vor der normalen Kinderzahl
tragen dazu bei, die durchschnittliche Lebensdauer des weiblichen
Geschlechts im Vergleiche zu der des männlichen Geschlechts zu
verlängern. Wenn künftig wieder alle Mädchen in jungen
Jahren geheirathet werden und soviel Kinder bekommen, wie
die Natur ihnen bestimmt hat, dann wird auch die Sterblich-
keit in beiden Geschlechtern sich wieder annähernd gleich stellen
und der weibliche Ueberschuß verschwinden.

Soweit Eduard von Hartmann.

Was er über die Thatsachen der numerischen Mißverhält-
nisse der beiden Geschlechter sagt, ist nur theilweise zutreffend.
Die Auswanderung ist ein Hauptgrund, nicht der Hauptgrund
desselben im Deutschen Reiche, in Großbritannien; auch in
Frankreich besteht ein Mißverhältniß trotz der Geringfügigkeit

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[69/0085] zwei Ursachen sind: die überwiegende Auswanderung männlicher Personen und der raschere Verbrauch der Männer durch ihren aufreibenden Beruf. Der ersteren Ursache ist entgegen zu wirken durch ein Abzugsgeld für männliche und eine Auswanderungs- prämie für weibliche Personen, sowie durch staatliche und pri- vate Einrichtung einer internationalen Heirathsvermittelung zwischen den Ein- und Auswanderungsgebieten. Die zweite Ursache, nämlich das Mißverhältniß zwischen der aufreibenden Wirkung der männlichen und der weiblichen Berufsarten, ist daraus abzuleiten, daß einerseits viele unserer heutigen Arbeits- gelegenheiten noch nicht mit dem erforderlichen und möglichen hygienischen Schutz umgeben sind, und daß andererseits zu viele Frauen als Jungfern den Gefahren des weiblichen Be- rufes entzogen bleiben. „Gerade die Jungfern sind es natur- gemäß, die ihr verfehltes Leben am längsten hinschleppen.“ Auch das zu späte Durchschnittsalter der Verheirathung beim weiblichen Geschlecht und in den höheren Ständen die immer mehr um sich greifende Scheu vor der normalen Kinderzahl tragen dazu bei, die durchschnittliche Lebensdauer des weiblichen Geschlechts im Vergleiche zu der des männlichen Geschlechts zu verlängern. Wenn künftig wieder alle Mädchen in jungen Jahren geheirathet werden und soviel Kinder bekommen, wie die Natur ihnen bestimmt hat, dann wird auch die Sterblich- keit in beiden Geschlechtern sich wieder annähernd gleich stellen und der weibliche Ueberschuß verschwinden. Soweit Eduard von Hartmann. Was er über die Thatsachen der numerischen Mißverhält- nisse der beiden Geschlechter sagt, ist nur theilweise zutreffend. Die Auswanderung ist ein Hauptgrund, nicht der Hauptgrund desselben im Deutschen Reiche, in Großbritannien; auch in Frankreich besteht ein Mißverhältniß trotz der Geringfügigkeit

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/85>, abgerufen am 26.04.2024.