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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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staltung des Unterrichtswesens aber gehöre nicht zu den Auf-
gaben des Reiches und sei der unmittelbaren Einwirkung des-
selben entrückt.

Gleichwohl waren es nur zehn gegen acht Stimmen der
Petitionscommission, welche dem Reichstage empfahlen, über
die Petition zur Tagesordnung überzugehen. Auch zeigte sich
bei der Verhandlung im Plenum des Reichstages am 11. März
1891, daß Seitens der Gönner der Petition mannigfaltige
Gesichtspunkte geltend gemacht wurden, die dem Standpunkte
der Reichsregierung sich entgegenstellten. So wurde aus der
amtlichen Jnterpretation der Gewerbeordnung zu Gunsten der
Zulassung weiblicher Aerzte die positive Folgerung gezogen, es
sei Pflicht der verbündeten Regierungen, solche Bestimmungen
für den ärztlichen Befähigungsnachweis zu schaffen, wie sie auch
die Frauen erfüllen können; sonst handelten die Regierungen
entgegen der gesetzlichen Vorschrift, welche die Gleichberechtigung
beider Geschlechter für den ärztlichen Beruf anerkenne. Es
wurde ferner als zweifellos bezeichnet, daß das Reich competent
sei, wenn auch nicht für die übrigen Staaten des Reiches, so
doch für Elsaß-Lothringen Einrichtungen zu treffen, die den
Frauen das Universitätsstudium in der Medicin und in anderen
Zweigen des Wissens ermöglichen. Drittens wurde dem Bundes-
rath empfohlen, dem Besuche auswärtiger Universitäten (etwa
derjenigen von Zürich) kraft seiner Dispensationsbefugniß für
den Zweck der ärztlichen Staatsprüfung von Frauen die gleiche
Wirkung beizulegen, wie dem Besuche reichsdeutscher Universitäten,
ja, es wurde gesagt, das Reich sei für Alles competent, wofür
es mit seiner Gesetzgebung competent sein will. Es komme
nur auf einen entsprechenden Akt der Gesetzgebung an.

So sehr die Argumente den juristischen Bedenken ausgesetzt
sein mochten, so war wohl richtig darin die Empfindung, daß

staltung des Unterrichtswesens aber gehöre nicht zu den Auf-
gaben des Reiches und sei der unmittelbaren Einwirkung des-
selben entrückt.

Gleichwohl waren es nur zehn gegen acht Stimmen der
Petitionscommission, welche dem Reichstage empfahlen, über
die Petition zur Tagesordnung überzugehen. Auch zeigte sich
bei der Verhandlung im Plenum des Reichstages am 11. März
1891, daß Seitens der Gönner der Petition mannigfaltige
Gesichtspunkte geltend gemacht wurden, die dem Standpunkte
der Reichsregierung sich entgegenstellten. So wurde aus der
amtlichen Jnterpretation der Gewerbeordnung zu Gunsten der
Zulassung weiblicher Aerzte die positive Folgerung gezogen, es
sei Pflicht der verbündeten Regierungen, solche Bestimmungen
für den ärztlichen Befähigungsnachweis zu schaffen, wie sie auch
die Frauen erfüllen können; sonst handelten die Regierungen
entgegen der gesetzlichen Vorschrift, welche die Gleichberechtigung
beider Geschlechter für den ärztlichen Beruf anerkenne. Es
wurde ferner als zweifellos bezeichnet, daß das Reich competent
sei, wenn auch nicht für die übrigen Staaten des Reiches, so
doch für Elsaß-Lothringen Einrichtungen zu treffen, die den
Frauen das Universitätsstudium in der Medicin und in anderen
Zweigen des Wissens ermöglichen. Drittens wurde dem Bundes-
rath empfohlen, dem Besuche auswärtiger Universitäten (etwa
derjenigen von Zürich) kraft seiner Dispensationsbefugniß für
den Zweck der ärztlichen Staatsprüfung von Frauen die gleiche
Wirkung beizulegen, wie dem Besuche reichsdeutscher Universitäten,
ja, es wurde gesagt, das Reich sei für Alles competent, wofür
es mit seiner Gesetzgebung competent sein will. Es komme
nur auf einen entsprechenden Akt der Gesetzgebung an.

So sehr die Argumente den juristischen Bedenken ausgesetzt
sein mochten, so war wohl richtig darin die Empfindung, daß

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[27/0043] staltung des Unterrichtswesens aber gehöre nicht zu den Auf- gaben des Reiches und sei der unmittelbaren Einwirkung des- selben entrückt. Gleichwohl waren es nur zehn gegen acht Stimmen der Petitionscommission, welche dem Reichstage empfahlen, über die Petition zur Tagesordnung überzugehen. Auch zeigte sich bei der Verhandlung im Plenum des Reichstages am 11. März 1891, daß Seitens der Gönner der Petition mannigfaltige Gesichtspunkte geltend gemacht wurden, die dem Standpunkte der Reichsregierung sich entgegenstellten. So wurde aus der amtlichen Jnterpretation der Gewerbeordnung zu Gunsten der Zulassung weiblicher Aerzte die positive Folgerung gezogen, es sei Pflicht der verbündeten Regierungen, solche Bestimmungen für den ärztlichen Befähigungsnachweis zu schaffen, wie sie auch die Frauen erfüllen können; sonst handelten die Regierungen entgegen der gesetzlichen Vorschrift, welche die Gleichberechtigung beider Geschlechter für den ärztlichen Beruf anerkenne. Es wurde ferner als zweifellos bezeichnet, daß das Reich competent sei, wenn auch nicht für die übrigen Staaten des Reiches, so doch für Elsaß-Lothringen Einrichtungen zu treffen, die den Frauen das Universitätsstudium in der Medicin und in anderen Zweigen des Wissens ermöglichen. Drittens wurde dem Bundes- rath empfohlen, dem Besuche auswärtiger Universitäten (etwa derjenigen von Zürich) kraft seiner Dispensationsbefugniß für den Zweck der ärztlichen Staatsprüfung von Frauen die gleiche Wirkung beizulegen, wie dem Besuche reichsdeutscher Universitäten, ja, es wurde gesagt, das Reich sei für Alles competent, wofür es mit seiner Gesetzgebung competent sein will. Es komme nur auf einen entsprechenden Akt der Gesetzgebung an. So sehr die Argumente den juristischen Bedenken ausgesetzt sein mochten, so war wohl richtig darin die Empfindung, daß

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/43>, abgerufen am 19.04.2024.