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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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Niedrigkeit des Ranges der Arbeit den Zutritt offen läßt; Mangel
an Thätigkeit da, wo die Arbeit einer höheren Stufe angehört,
wo diese höhere Stufe daher erst erklommen, erst erkämpft sein
will. Die Grenzberührung findet statt, weil die Aufgabe be-
steht, den Ueberfluß gewisser Kategorien weiblicher Arbeit zu
regulieren durch Ueberwindung des bisherigen Mangels an Raum
für höhere weibliche Thätigkeit. Aber die große Masse jener
überfließenden Arbeit weiblicher Wesen ist nicht sowohl an den
Grundfragen des anderen Gebietes betheiligt als vielmehr an
den hundertfältigen Beschwerden der gesammten Arbeiterfrage.
Die Arbeiterinnenfrage ist nur ein Theil derselben. Arbeiter-
schutz durch die Gesetzgebung, genossenschaftliche Organisation,
niedrige Löhne, gesundheitliche Schädigungen, übermäßige Arbeits-
zeit, Mißstände in der Hausindustrie, in den Werkstätten, den
Fabriken, den Kaufläden oder Schankwirthschaften und wie vieles
andere noch sonst - es sind dieselben Aufgaben für beide Ge-
schlechter, und der Unterschied ist nur der, daß die Schutz-
bedürftigkeit, die Reformbedürftigkeit der weiblichen Arbeiter
eine so viel größere ist als die der männlichen Arbeiter. Groß
wie die Mannigfaltigkeit dieser Dinge, groß wie die Aufgaben
in den Einzelheiten sind - es fehlt der Reiz eigenthümlicher
Principienfragen - es fehlt der Reiz, welcher dem Gebiete
innewohnt, mit dem wir uns hier beschäftigen wollen.



Niedrigkeit des Ranges der Arbeit den Zutritt offen läßt; Mangel
an Thätigkeit da, wo die Arbeit einer höheren Stufe angehört,
wo diese höhere Stufe daher erst erklommen, erst erkämpft sein
will. Die Grenzberührung findet statt, weil die Aufgabe be-
steht, den Ueberfluß gewisser Kategorien weiblicher Arbeit zu
regulieren durch Ueberwindung des bisherigen Mangels an Raum
für höhere weibliche Thätigkeit. Aber die große Masse jener
überfließenden Arbeit weiblicher Wesen ist nicht sowohl an den
Grundfragen des anderen Gebietes betheiligt als vielmehr an
den hundertfältigen Beschwerden der gesammten Arbeiterfrage.
Die Arbeiterinnenfrage ist nur ein Theil derselben. Arbeiter-
schutz durch die Gesetzgebung, genossenschaftliche Organisation,
niedrige Löhne, gesundheitliche Schädigungen, übermäßige Arbeits-
zeit, Mißstände in der Hausindustrie, in den Werkstätten, den
Fabriken, den Kaufläden oder Schankwirthschaften und wie vieles
andere noch sonst – es sind dieselben Aufgaben für beide Ge-
schlechter, und der Unterschied ist nur der, daß die Schutz-
bedürftigkeit, die Reformbedürftigkeit der weiblichen Arbeiter
eine so viel größere ist als die der männlichen Arbeiter. Groß
wie die Mannigfaltigkeit dieser Dinge, groß wie die Aufgaben
in den Einzelheiten sind – es fehlt der Reiz eigenthümlicher
Principienfragen – es fehlt der Reiz, welcher dem Gebiete
innewohnt, mit dem wir uns hier beschäftigen wollen.



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[10/0026] Niedrigkeit des Ranges der Arbeit den Zutritt offen läßt; Mangel an Thätigkeit da, wo die Arbeit einer höheren Stufe angehört, wo diese höhere Stufe daher erst erklommen, erst erkämpft sein will. Die Grenzberührung findet statt, weil die Aufgabe be- steht, den Ueberfluß gewisser Kategorien weiblicher Arbeit zu regulieren durch Ueberwindung des bisherigen Mangels an Raum für höhere weibliche Thätigkeit. Aber die große Masse jener überfließenden Arbeit weiblicher Wesen ist nicht sowohl an den Grundfragen des anderen Gebietes betheiligt als vielmehr an den hundertfältigen Beschwerden der gesammten Arbeiterfrage. Die Arbeiterinnenfrage ist nur ein Theil derselben. Arbeiter- schutz durch die Gesetzgebung, genossenschaftliche Organisation, niedrige Löhne, gesundheitliche Schädigungen, übermäßige Arbeits- zeit, Mißstände in der Hausindustrie, in den Werkstätten, den Fabriken, den Kaufläden oder Schankwirthschaften und wie vieles andere noch sonst – es sind dieselben Aufgaben für beide Ge- schlechter, und der Unterschied ist nur der, daß die Schutz- bedürftigkeit, die Reformbedürftigkeit der weiblichen Arbeiter eine so viel größere ist als die der männlichen Arbeiter. Groß wie die Mannigfaltigkeit dieser Dinge, groß wie die Aufgaben in den Einzelheiten sind – es fehlt der Reiz eigenthümlicher Principienfragen – es fehlt der Reiz, welcher dem Gebiete innewohnt, mit dem wir uns hier beschäftigen wollen.

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/26>, abgerufen am 20.04.2024.