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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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läuft*) Hier und da kommt es vor, daß eine Ausländerin
den Doctorgrad erwirbt, so bei der philosophischen Facultät zu
Göttingen, bei welcher jene hervorragende Lehrerin der Mathe-
matik, die als Jnhaberin eines nordischen Lehrstuhls starb,
promovirt wurde.**) Hier wie bei den anderen preußischen
Universitäten ist damals auch nicht einmal das Ausnahmerecht
für weibliche Zuhörer zugestanden. Der etwaige akademische
Unterricht war lediglich als ein außeramtlicher, als die freie
Gunst des Universitätslehrers möglich.

Die Gemeinnützigkeit schafft um die Zeit jener Anfänge
unter hoher Protection das Victoria-Lyceum zu Berlin, welches
inmitten eines großstädtischen Ueberflusses an Lehrkräften regel-
mäßige Vorlesungscurse einrichtet, die einer erhöhten allgemeinen
Bildung von Damen dienen sollen, ohne zunächst bestimmte
Berufszwecke ins Auge zu fassen. Erst allmählich erweitert sich
dieser Plan zu einem Fortbildungsinstitut für Lehrerinnen.
Was hier anhangweise geschieht, ist in Göttingen seit 1893
ein selbständiges Unternehmen gemeinnütziger Kräfte, in un-
mittelbarster Anlehnung an die Lehrerschaft der Universität.***)

*) Jn Heidelberg wurde zu Anfang der siebziger Jahre durch
Senatsbeschluß der Zulassung weiblicher Zuhörer ein Ende bereitet.
**) Ueber dieselbe ist zu vergleichen A. Charl. Leffler, "Sonja
Kovalesky, was ich mit ihr zusammen erlebt habe und was sie mir
über sich mitgetheilt hat". Aus dem Schwedischen übersetzt von Hein-
rich von Lenk (1894); sowie ferner ihre eigenen Aufzeichnungen, die
veröffentlicht sind in der Pariser "Nouvelle Revue", Jahrgang 1894).
Sie hatte vier Jahre (1870-74) unter Weierstraß privatissime in
Berlin Mathematik studirt, zuvor (1869-70) in Heidelberg Vorlesungen
gehört, wurde im Herbst 1874 zu Göttingen promovirt, erlangte im
Jahre 1884 eine Professur an der neu gegründeten Hochschule zu
Stockholm, wo sie, 41 Jahre alt, im Februar 1891 gestorben ist.
***) Die Vorlesungen im Winterhalbjahr 1895-96 waren die

läuft*) Hier und da kommt es vor, daß eine Ausländerin
den Doctorgrad erwirbt, so bei der philosophischen Facultät zu
Göttingen, bei welcher jene hervorragende Lehrerin der Mathe-
matik, die als Jnhaberin eines nordischen Lehrstuhls starb,
promovirt wurde.**) Hier wie bei den anderen preußischen
Universitäten ist damals auch nicht einmal das Ausnahmerecht
für weibliche Zuhörer zugestanden. Der etwaige akademische
Unterricht war lediglich als ein außeramtlicher, als die freie
Gunst des Universitätslehrers möglich.

Die Gemeinnützigkeit schafft um die Zeit jener Anfänge
unter hoher Protection das Victoria-Lyceum zu Berlin, welches
inmitten eines großstädtischen Ueberflusses an Lehrkräften regel-
mäßige Vorlesungscurse einrichtet, die einer erhöhten allgemeinen
Bildung von Damen dienen sollen, ohne zunächst bestimmte
Berufszwecke ins Auge zu fassen. Erst allmählich erweitert sich
dieser Plan zu einem Fortbildungsinstitut für Lehrerinnen.
Was hier anhangweise geschieht, ist in Göttingen seit 1893
ein selbständiges Unternehmen gemeinnütziger Kräfte, in un-
mittelbarster Anlehnung an die Lehrerschaft der Universität.***)

*) Jn Heidelberg wurde zu Anfang der siebziger Jahre durch
Senatsbeschluß der Zulassung weiblicher Zuhörer ein Ende bereitet.
**) Ueber dieselbe ist zu vergleichen A. Charl. Leffler, „Sonja
Kovalesky, was ich mit ihr zusammen erlebt habe und was sie mir
über sich mitgetheilt hat“. Aus dem Schwedischen übersetzt von Hein-
rich von Lenk (1894); sowie ferner ihre eigenen Aufzeichnungen, die
veröffentlicht sind in der Pariser „Nouvelle Revue“, Jahrgang 1894).
Sie hatte vier Jahre (1870-74) unter Weierstraß privatissime in
Berlin Mathematik studirt, zuvor (1869-70) in Heidelberg Vorlesungen
gehört, wurde im Herbst 1874 zu Göttingen promovirt, erlangte im
Jahre 1884 eine Professur an der neu gegründeten Hochschule zu
Stockholm, wo sie, 41 Jahre alt, im Februar 1891 gestorben ist.
***) Die Vorlesungen im Winterhalbjahr 1895-96 waren die
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[200/0216] läuft *) Hier und da kommt es vor, daß eine Ausländerin den Doctorgrad erwirbt, so bei der philosophischen Facultät zu Göttingen, bei welcher jene hervorragende Lehrerin der Mathe- matik, die als Jnhaberin eines nordischen Lehrstuhls starb, promovirt wurde. **) Hier wie bei den anderen preußischen Universitäten ist damals auch nicht einmal das Ausnahmerecht für weibliche Zuhörer zugestanden. Der etwaige akademische Unterricht war lediglich als ein außeramtlicher, als die freie Gunst des Universitätslehrers möglich. Die Gemeinnützigkeit schafft um die Zeit jener Anfänge unter hoher Protection das Victoria-Lyceum zu Berlin, welches inmitten eines großstädtischen Ueberflusses an Lehrkräften regel- mäßige Vorlesungscurse einrichtet, die einer erhöhten allgemeinen Bildung von Damen dienen sollen, ohne zunächst bestimmte Berufszwecke ins Auge zu fassen. Erst allmählich erweitert sich dieser Plan zu einem Fortbildungsinstitut für Lehrerinnen. Was hier anhangweise geschieht, ist in Göttingen seit 1893 ein selbständiges Unternehmen gemeinnütziger Kräfte, in un- mittelbarster Anlehnung an die Lehrerschaft der Universität. ***) *) Jn Heidelberg wurde zu Anfang der siebziger Jahre durch Senatsbeschluß der Zulassung weiblicher Zuhörer ein Ende bereitet. **) Ueber dieselbe ist zu vergleichen A. Charl. Leffler, „Sonja Kovalesky, was ich mit ihr zusammen erlebt habe und was sie mir über sich mitgetheilt hat“. Aus dem Schwedischen übersetzt von Hein- rich von Lenk (1894); sowie ferner ihre eigenen Aufzeichnungen, die veröffentlicht sind in der Pariser „Nouvelle Revue“, Jahrgang 1894). Sie hatte vier Jahre (1870-74) unter Weierstraß privatissime in Berlin Mathematik studirt, zuvor (1869-70) in Heidelberg Vorlesungen gehört, wurde im Herbst 1874 zu Göttingen promovirt, erlangte im Jahre 1884 eine Professur an der neu gegründeten Hochschule zu Stockholm, wo sie, 41 Jahre alt, im Februar 1891 gestorben ist. ***) Die Vorlesungen im Winterhalbjahr 1895-96 waren die

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2021-02-18T15:54:56Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition. (2021-02-18T15:54:56Z)

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/216>, abgerufen am 03.05.2024.