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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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was durch Alter, Geschlecht, Gebrechlichkeit unfähig zum Wehr-
dienste ist.

Wir beobachten eine analoge Gruppe von Erscheinungen
an der Thätigkeit in Haus und Familie mit dem aus ihrem
Wesen folgenden Gegensatze zur Arbeitstheilung.

Daß man auch auf dem Markte der Arbeitstheilung sich
zu Tische setzen kann in zahlreicher Gesellschaft, daß man sein
ganzes Leben, sei es als Einzelner, sei es mit Familie, in
derlei arbeitstheiligen Jnstituten zubringen kann, daß auch die
Kindererziehung, selbst die Aufziehung der Neugeborenen vom
ersten Tage an in solcher Weise besorgt werden kann - das
wissen wir Alle. Wir sehen weiter, wie derartige Einrichtungen
in unserem heutigen Leben einen immer größeren Raum ein-
nehmen. Aber nach ziemlich übereinstimmender Ansicht haben
wir davon doch (und nicht bloß in Deutschland) den gemein-
samen Eindruck, es seien dieses Consequenzen der Arbeitstheilung
und der modernen Productionsweise, welche nur ausnahmsweise
und ergänzungsweise dazu dienen, gewisse Lücken unserer regel-
mäßigen Einrichtungen auszufüllen: in jugendlichen Jahren des
Lebens zum Zwecke der Erziehung, zur Befriedigung der
Wanderlust, zur Erweiterung des Gesichtskreises in fremden
Ländern; oder während etlicher Wochen des Jahres zur Er-
holung von dem gewohnten Dasein, zur Erholung namentlich
für die Hausfrau, die auf kurze Zeit einmal von den Sorgen
der Haushaltung befreit sein will; oder bei außerordentlichen
Ereignissen, in außerordentlichen Lebenslagen, in der Kaserne,
im Kloster. Für die ärmeren Schichten der Bevölkerung nament-
lich die Volksküchen, die Kinderbewahranstalten, wo die Alter-
native die ist, ob in dieser Form ein gesundes Essen, eine Für-
sorge für die Kinder, oder überhaupt kein gesundes Essen, keine
Kinderpflege. Jedoch über diese ergänzende Function hinaus,

was durch Alter, Geschlecht, Gebrechlichkeit unfähig zum Wehr-
dienste ist.

Wir beobachten eine analoge Gruppe von Erscheinungen
an der Thätigkeit in Haus und Familie mit dem aus ihrem
Wesen folgenden Gegensatze zur Arbeitstheilung.

Daß man auch auf dem Markte der Arbeitstheilung sich
zu Tische setzen kann in zahlreicher Gesellschaft, daß man sein
ganzes Leben, sei es als Einzelner, sei es mit Familie, in
derlei arbeitstheiligen Jnstituten zubringen kann, daß auch die
Kindererziehung, selbst die Aufziehung der Neugeborenen vom
ersten Tage an in solcher Weise besorgt werden kann – das
wissen wir Alle. Wir sehen weiter, wie derartige Einrichtungen
in unserem heutigen Leben einen immer größeren Raum ein-
nehmen. Aber nach ziemlich übereinstimmender Ansicht haben
wir davon doch (und nicht bloß in Deutschland) den gemein-
samen Eindruck, es seien dieses Consequenzen der Arbeitstheilung
und der modernen Productionsweise, welche nur ausnahmsweise
und ergänzungsweise dazu dienen, gewisse Lücken unserer regel-
mäßigen Einrichtungen auszufüllen: in jugendlichen Jahren des
Lebens zum Zwecke der Erziehung, zur Befriedigung der
Wanderlust, zur Erweiterung des Gesichtskreises in fremden
Ländern; oder während etlicher Wochen des Jahres zur Er-
holung von dem gewohnten Dasein, zur Erholung namentlich
für die Hausfrau, die auf kurze Zeit einmal von den Sorgen
der Haushaltung befreit sein will; oder bei außerordentlichen
Ereignissen, in außerordentlichen Lebenslagen, in der Kaserne,
im Kloster. Für die ärmeren Schichten der Bevölkerung nament-
lich die Volksküchen, die Kinderbewahranstalten, wo die Alter-
native die ist, ob in dieser Form ein gesundes Essen, eine Für-
sorge für die Kinder, oder überhaupt kein gesundes Essen, keine
Kinderpflege. Jedoch über diese ergänzende Function hinaus,

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[135/0151] was durch Alter, Geschlecht, Gebrechlichkeit unfähig zum Wehr- dienste ist. Wir beobachten eine analoge Gruppe von Erscheinungen an der Thätigkeit in Haus und Familie mit dem aus ihrem Wesen folgenden Gegensatze zur Arbeitstheilung. Daß man auch auf dem Markte der Arbeitstheilung sich zu Tische setzen kann in zahlreicher Gesellschaft, daß man sein ganzes Leben, sei es als Einzelner, sei es mit Familie, in derlei arbeitstheiligen Jnstituten zubringen kann, daß auch die Kindererziehung, selbst die Aufziehung der Neugeborenen vom ersten Tage an in solcher Weise besorgt werden kann – das wissen wir Alle. Wir sehen weiter, wie derartige Einrichtungen in unserem heutigen Leben einen immer größeren Raum ein- nehmen. Aber nach ziemlich übereinstimmender Ansicht haben wir davon doch (und nicht bloß in Deutschland) den gemein- samen Eindruck, es seien dieses Consequenzen der Arbeitstheilung und der modernen Productionsweise, welche nur ausnahmsweise und ergänzungsweise dazu dienen, gewisse Lücken unserer regel- mäßigen Einrichtungen auszufüllen: in jugendlichen Jahren des Lebens zum Zwecke der Erziehung, zur Befriedigung der Wanderlust, zur Erweiterung des Gesichtskreises in fremden Ländern; oder während etlicher Wochen des Jahres zur Er- holung von dem gewohnten Dasein, zur Erholung namentlich für die Hausfrau, die auf kurze Zeit einmal von den Sorgen der Haushaltung befreit sein will; oder bei außerordentlichen Ereignissen, in außerordentlichen Lebenslagen, in der Kaserne, im Kloster. Für die ärmeren Schichten der Bevölkerung nament- lich die Volksküchen, die Kinderbewahranstalten, wo die Alter- native die ist, ob in dieser Form ein gesundes Essen, eine Für- sorge für die Kinder, oder überhaupt kein gesundes Essen, keine Kinderpflege. Jedoch über diese ergänzende Function hinaus,

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/151>, abgerufen am 26.04.2024.