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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.

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Trauerode beym Absterben seiner geliebten Mariane p2c_566.002
ist eine wahre Elegie. Dies zeigt der Plan, welchen sich p2c_566.003
der Dichter gleich zu Anfang für seine Jdeen vorzeichnet. p2c_566.004
"Nicht Reden, die der Witz gebieret, nicht Dichterklagen p2c_566.005
fang ich an, nur Seufzer, die ein Herz verliehret, wenn p2c_566.006
es sein Leid nicht fassen kann. Ja meine Seele will ich p2c_566.007
schildern von Lieb und Traurigkeit verwirrt, wie sie ergötzt p2c_566.008
an Trauerbildern, in Kummerlabyrinthen irrt." - Und p2c_566.009
so bleibt auch Haller seinem Hauptgegenstande durch das p2c_566.010
ganze Gedicht treu. - Eben so hat Klopstock in seinen p2c_566.011
Elegieen einen bestimmten Plan, den er nie verläßt, weil p2c_566.012
er durch die Empfindung an ihn gefesselt ist. Seine Elegie, p2c_566.013
die künftige Geliebte, hat eine und eben dieselbe herrschende p2c_566.014
Jdee. Jn seinem elegischen Gespräch Selmar und p2c_566.015
Selma ist nur ein rührender Hauptgedanke, der oft p2c_566.016
wiederholt wird, weil sich die zärtlich fühlende Seele des p2c_566.017
Dichters in demselben gefällt. - Jn jeder Elegie des p2c_566.018
Tibulls ist ein Hauptgedanke, der auf eine leicht begreifliche p2c_566.019
Weise das Ganze zusammenhält. So ist der Jnhalt der p2c_566.020
ersten Elegie des Dichters, Zufriedenheit mit seiner Armuth p2c_566.021
bey einem ruhigen Landleben in den Armen seiner Delia. p2c_566.022
Gleich anfangs setzt er seine Lage der unruhigen des Reichen p2c_566.023
entgegen, der sich im Kriege Schätze erwirbt. Er p2c_566.024
schildert sein Landleben, die Gewissenhaftigkeit, mit welcher p2c_566.025
er seinen ländlichen Göttern dient. Die pura fictilia, p2c_566.026
aus denen die Götter seine Gaben nicht verschmähen sollen, p2c_566.027
die parva seges alles deutet auf seine Dürftigkeit. Er p2c_566.028
findet alle seine Freuden in Ruhe und Liebe. Er vergleicht

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Trauerode beym Absterben seiner geliebten Mariane p2c_566.002
ist eine wahre Elegie. Dies zeigt der Plan, welchen sich p2c_566.003
der Dichter gleich zu Anfang für seine Jdeen vorzeichnet. p2c_566.004
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fang ich an, nur Seufzer, die ein Herz verliehret, wenn p2c_566.006
es sein Leid nicht fassen kann. Ja meine Seele will ich p2c_566.007
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so bleibt auch Haller seinem Hauptgegenstande durch das p2c_566.010
ganze Gedicht treu. ─ Eben so hat Klopstock in seinen p2c_566.011
Elegieen einen bestimmten Plan, den er nie verläßt, weil p2c_566.012
er durch die Empfindung an ihn gefesselt ist. Seine Elegie, p2c_566.013
die künftige Geliebte, hat eine und eben dieselbe herrschende p2c_566.014
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Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 566. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/90>, abgerufen am 17.05.2024.