Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_508.001 p2c_508.023 p2c_508.024 p2c_508.001 p2c_508.023 p2c_508.024 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0032" n="508"/><lb n="p2c_508.001"/> die Hierarchie erschüttern. Aber er war so weit entfernt, <lb n="p2c_508.002"/> der Bibel ihre poetische Kraft zu nehmen, daß seine Uebersetzung <lb n="p2c_508.003"/> vielmehr eins der größten Kunstwerke unsrer Sprache <lb n="p2c_508.004"/> ist. Was hilft alle Kritik, alle <hi rendition="#aq">philologia sacra</hi>, alle <lb n="p2c_508.005"/> Sprachkenntniß, wenn die theologischen Nachforschungen <lb n="p2c_508.006"/> in den Nebenquellen uns die von dem Katholizismus mit <lb n="p2c_508.007"/> standhafter Consequenz behauptete Hauptquelle der Jnspiration <lb n="p2c_508.008"/> als einer fortgehenden Tradition rauben? Jst nicht <lb n="p2c_508.009"/> diese Jnspiration der Seelen, als mündliche Tradition, auf <lb n="p2c_508.010"/> welche sich Jrenäus, Origines und andre Kirchenväter berufen, <lb n="p2c_508.011"/> weit älter, als die <hi rendition="#g">Sammlung</hi> des christlichen <lb n="p2c_508.012"/> Testaments? Was hilfts, daß man die Hebraismen des <lb n="p2c_508.013"/> neutestamentarischen Styls aufsuche, uns mit wichtiger <lb n="p2c_508.014"/> Miene z. B. zu bemerken gebe, Gericht halten, Werke <lb n="p2c_508.015"/> thun u. s. w. heiße <hi rendition="#g">lehren?</hi> wenn man mit dem Ausdruck <lb n="p2c_508.016"/> dem Gedanken sein Mark, seinen Nerven nimmt? Der <lb n="p2c_508.017"/> wahre Freund der Aufklärung wird ihre Wohlthaten anerkennen. <lb n="p2c_508.018"/> Er wird sie aber keine Fehltritte thun lassen. Wenn <lb n="p2c_508.019"/> die Aufklärung dahin geht, alle Begeisterung, allen Enthusiasmus <lb n="p2c_508.020"/> zu tödten, den Gott in die Sprache, wie in <lb n="p2c_508.021"/> die Seele legte, so ist sie der gerade Weg zum Materialismus.</p> <lb n="p2c_508.022"/> <p> <hi rendition="#c"><lb n="p2c_508.023"/> §. 2.</hi> </p> <p><lb n="p2c_508.024"/> Die <hi rendition="#g">Bibel</hi> muß von der Poetik erstlich nach ihrem <lb n="p2c_508.025"/> <hi rendition="#g">Hauptinhalte,</hi> sodann nach ihren einzelnen <lb n="p2c_508.026"/> <hi rendition="#g">poetischen Formen</hi> betrachtet werden. 1) Nach <lb n="p2c_508.027"/> ihrem Hauptinhalte ist sie ein <hi rendition="#g">ideales</hi> Ganzes. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [508/0032]
p2c_508.001
die Hierarchie erschüttern. Aber er war so weit entfernt, p2c_508.002
der Bibel ihre poetische Kraft zu nehmen, daß seine Uebersetzung p2c_508.003
vielmehr eins der größten Kunstwerke unsrer Sprache p2c_508.004
ist. Was hilft alle Kritik, alle philologia sacra, alle p2c_508.005
Sprachkenntniß, wenn die theologischen Nachforschungen p2c_508.006
in den Nebenquellen uns die von dem Katholizismus mit p2c_508.007
standhafter Consequenz behauptete Hauptquelle der Jnspiration p2c_508.008
als einer fortgehenden Tradition rauben? Jst nicht p2c_508.009
diese Jnspiration der Seelen, als mündliche Tradition, auf p2c_508.010
welche sich Jrenäus, Origines und andre Kirchenväter berufen, p2c_508.011
weit älter, als die Sammlung des christlichen p2c_508.012
Testaments? Was hilfts, daß man die Hebraismen des p2c_508.013
neutestamentarischen Styls aufsuche, uns mit wichtiger p2c_508.014
Miene z. B. zu bemerken gebe, Gericht halten, Werke p2c_508.015
thun u. s. w. heiße lehren? wenn man mit dem Ausdruck p2c_508.016
dem Gedanken sein Mark, seinen Nerven nimmt? Der p2c_508.017
wahre Freund der Aufklärung wird ihre Wohlthaten anerkennen. p2c_508.018
Er wird sie aber keine Fehltritte thun lassen. Wenn p2c_508.019
die Aufklärung dahin geht, alle Begeisterung, allen Enthusiasmus p2c_508.020
zu tödten, den Gott in die Sprache, wie in p2c_508.021
die Seele legte, so ist sie der gerade Weg zum Materialismus.
p2c_508.022
p2c_508.023
§. 2.
p2c_508.024
Die Bibel muß von der Poetik erstlich nach ihrem p2c_508.025
Hauptinhalte, sodann nach ihren einzelnen p2c_508.026
poetischen Formen betrachtet werden. 1) Nach p2c_508.027
ihrem Hauptinhalte ist sie ein ideales Ganzes.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |