p2c_764.001 war, um dichterisch zu seyn, da der Styl des Lafontaine p2c_764.002 zu galant und geschwätzig war, um immer edel p2c_764.003 zu seyn, so suchte Lessing einen Mittelweg. Er kehrte p2c_764.004 zur Kürze der Alten zurück, verschmähte die tändelnde, p2c_764.005 oft nur sogenannte poetische Einkleidung, die ambitiosa p2c_764.006 et otiosa ornamenta, allein er suchte der Fabel durch neue p2c_764.007 sinnreiche Wendung und durch einen edlern Styl ästhetische p2c_764.008 Würde zu geben. Oft ist der Styl der Lessingischen Fabel p2c_764.009 so musterhaft, wie der Styl des Babrias. Aber zuweilen p2c_764.010 wird er epigrammatischer, als es sich mit der Naivitätp2c_764.011 verträgt. - Das Metrum der Fabel darf sich nicht p2c_764.012 sehr über den rhytmischen Gang der Prosa erheben. Denn p2c_764.013 die Fabel nähert sich dem Ton der geselligen Unterhaltung. p2c_764.014 Hendecasyllaben, Choliamben (wie Babrias), Jamben mit p2c_764.015 und ohne Reim, kleine madrigalische Strophen (wie Jtalienische p2c_764.016 Fabeldichter sie gebraucht haben) passen am besten. p2c_764.017 Lessings Prosa hinwiederum ist poetisch und lebhaft genug, p2c_764.018 um sich von der Sprache des gemeinen Lebens zu unterscheiden. p2c_764.019 - Uebrigens kömmt die Fabel unter mancherley p2c_764.020 Formen und Nahmen vor. Die Alten (nach Aristoteles) p2c_764.021 unterscheiden die Aesopische Fabel, wo Thiere, libische,p2c_764.022 wo Menschen auftreten, (logoi aisopeioi libukoi). p2c_764.023 Es gab Sybaritische, Aegyptische u. s. w. vom Nahmen p2c_764.024 der Erfinder. Apologen hießen mehr die rednerischenp2c_764.025 allegorischen Beyspiele, welche die Menge belehren p2c_764.026 sollten. (logos apo logou). Muthoi hießen die poetischen p2c_764.027 Erfindungen jeder Art. Hesiodus erzählt eine Fabel p2c_764.028 und nennt sie ainos grauis admonitio. Jm Plato,
p2c_764.001 war, um dichterisch zu seyn, da der Styl des Lafontaine p2c_764.002 zu galant und geschwätzig war, um immer edel p2c_764.003 zu seyn, so suchte Lessing einen Mittelweg. Er kehrte p2c_764.004 zur Kürze der Alten zurück, verschmähte die tändelnde, p2c_764.005 oft nur sogenannte poetische Einkleidung, die ambitiosa p2c_764.006 et otiosa ornamenta, allein er suchte der Fabel durch neue p2c_764.007 sinnreiche Wendung und durch einen edlern Styl ästhetische p2c_764.008 Würde zu geben. Oft ist der Styl der Lessingischen Fabel p2c_764.009 so musterhaft, wie der Styl des Babrias. Aber zuweilen p2c_764.010 wird er epigrammatischer, als es sich mit der Naivitätp2c_764.011 verträgt. ─ Das Metrum der Fabel darf sich nicht p2c_764.012 sehr über den rhytmischen Gang der Prosa erheben. Denn p2c_764.013 die Fabel nähert sich dem Ton der geselligen Unterhaltung. p2c_764.014 Hendecasyllaben, Choliamben (wie Babrias), Jamben mit p2c_764.015 und ohne Reim, kleine madrigalische Strophen (wie Jtalienische p2c_764.016 Fabeldichter sie gebraucht haben) passen am besten. p2c_764.017 Lessings Prosa hinwiederum ist poetisch und lebhaft genug, p2c_764.018 um sich von der Sprache des gemeinen Lebens zu unterscheiden. p2c_764.019 ─ Uebrigens kömmt die Fabel unter mancherley p2c_764.020 Formen und Nahmen vor. Die Alten (nach Aristoteles) p2c_764.021 unterscheiden die Aesopische Fabel, wo Thiere, libische,p2c_764.022 wo Menschen auftreten, (λογοι αισωπειοι λιβυκοι). p2c_764.023 Es gab Sybaritische, Aegyptische u. s. w. vom Nahmen p2c_764.024 der Erfinder. Apologen hießen mehr die rednerischenp2c_764.025 allegorischen Beyspiele, welche die Menge belehren p2c_764.026 sollten. (λογος απο λογου). Μυθοι hießen die poetischen p2c_764.027 Erfindungen jeder Art. Hesiodus erzählt eine Fabel p2c_764.028 und nennt sie αἰνος grauis admonitio. Jm Plato,
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 764. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/288>, abgerufen am 16.02.2025.
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