Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_697.001 p2c_697.012 p2c_697.001 p2c_697.012 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0221" n="697"/><lb n="p2c_697.001"/><hi rendition="#g">Satyre</hi> wäre vielmehr ein didaktisches Gedicht. 2) Die <lb n="p2c_697.002"/> <hi rendition="#g">scherzhafte</hi> Satyre im leichten Weltton, von der Horaz <lb n="p2c_697.003"/> und Boilean die besten Beyspiele geben. Jn der ersten Gattung <lb n="p2c_697.004"/> ist der Wechsel der Empfindungen natürlich <hi rendition="#g">lyrischer</hi> <lb n="p2c_697.005"/> als in der andern, der Dichter ist höher gestimmt. Die andre <lb n="p2c_697.006"/> hat mehr den Ton der geselligen Unterhaltung und den Lehrton. <lb n="p2c_697.007"/> Die Schilderung der verdorbenen Sitten darf aber <lb n="p2c_697.008"/> nicht bis ins <hi rendition="#g">ekelhafte</hi> gehn, weil dadurch der ästhetische <lb n="p2c_697.009"/> Genuß gestöhrt wird. <hi rendition="#g">Juvenal</hi> geht hierinnen nicht selten <lb n="p2c_697.010"/> zu weit, und Horaz hält sich nur eben an der Gränze, <lb n="p2c_697.011"/> überschreitet sie auch zuweilen, z. B. (<hi rendition="#aq">L. I. Sat</hi>. 5.)</p> <p><lb n="p2c_697.012"/><hi rendition="#g">Anmerk.</hi> 4. Der <hi rendition="#g">Styl</hi> der Satyre kann bunt <lb n="p2c_697.013"/> und mannichfaltig seyn, und läßt die größte Freyheit zu. <lb n="p2c_697.014"/> Die <hi rendition="#g">heftige</hi> Satyre verlangt mehr figurirten <hi rendition="#g">lyrischen</hi> <lb n="p2c_697.015"/> Ausdruck und Gedrängtheit der Bilder. <hi rendition="#g">Juvenal</hi> ist hier <lb n="p2c_697.016"/> Muster. Die <hi rendition="#g">scherzhafte</hi> Satyre hat weniger poetischen <lb n="p2c_697.017"/> Styl nöthig. Es gleicht ihr Ton der vertraulichen Unterhaltung. <lb n="p2c_697.018"/> Die erste Gattung nähert sich der Ode, die andre <lb n="p2c_697.019"/> der poetischen Epistel. ─ <hi rendition="#g">Leichtigkeit,</hi> Urbanität, <lb n="p2c_697.020"/> Jronie, ist die vorzüglichste Tugend der scherzhaften Satyre. <lb n="p2c_697.021"/> Horaz ist zuweilen zu schwer. Das <hi rendition="#g">Metrum</hi> ist so mannichfaltig, <lb n="p2c_697.022"/> als die Einkleidung. ─ Die Alten, wie wir <lb n="p2c_697.023"/> gesehen haben, hatten <hi rendition="#g">Jamben, Hexameter,</hi> ließen <lb n="p2c_697.024"/> Prosa abwechseln. Lucian ist ganz in Prosa, ungeachtet <lb n="p2c_697.025"/> er viel ästhetische Darstellung hat. ─ Die <hi rendition="#g">Neuern</hi> haben <lb n="p2c_697.026"/> die Alexandriner und kürzere Verse. ─ Swifts, Rabners <lb n="p2c_697.027"/> Satyren sind in Prosa.</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [697/0221]
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Satyre wäre vielmehr ein didaktisches Gedicht. 2) Die p2c_697.002
scherzhafte Satyre im leichten Weltton, von der Horaz p2c_697.003
und Boilean die besten Beyspiele geben. Jn der ersten Gattung p2c_697.004
ist der Wechsel der Empfindungen natürlich lyrischer p2c_697.005
als in der andern, der Dichter ist höher gestimmt. Die andre p2c_697.006
hat mehr den Ton der geselligen Unterhaltung und den Lehrton. p2c_697.007
Die Schilderung der verdorbenen Sitten darf aber p2c_697.008
nicht bis ins ekelhafte gehn, weil dadurch der ästhetische p2c_697.009
Genuß gestöhrt wird. Juvenal geht hierinnen nicht selten p2c_697.010
zu weit, und Horaz hält sich nur eben an der Gränze, p2c_697.011
überschreitet sie auch zuweilen, z. B. (L. I. Sat. 5.)
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Anmerk. 4. Der Styl der Satyre kann bunt p2c_697.013
und mannichfaltig seyn, und läßt die größte Freyheit zu. p2c_697.014
Die heftige Satyre verlangt mehr figurirten lyrischen p2c_697.015
Ausdruck und Gedrängtheit der Bilder. Juvenal ist hier p2c_697.016
Muster. Die scherzhafte Satyre hat weniger poetischen p2c_697.017
Styl nöthig. Es gleicht ihr Ton der vertraulichen Unterhaltung. p2c_697.018
Die erste Gattung nähert sich der Ode, die andre p2c_697.019
der poetischen Epistel. ─ Leichtigkeit, Urbanität, p2c_697.020
Jronie, ist die vorzüglichste Tugend der scherzhaften Satyre. p2c_697.021
Horaz ist zuweilen zu schwer. Das Metrum ist so mannichfaltig, p2c_697.022
als die Einkleidung. ─ Die Alten, wie wir p2c_697.023
gesehen haben, hatten Jamben, Hexameter, ließen p2c_697.024
Prosa abwechseln. Lucian ist ganz in Prosa, ungeachtet p2c_697.025
er viel ästhetische Darstellung hat. ─ Die Neuern haben p2c_697.026
die Alexandriner und kürzere Verse. ─ Swifts, Rabners p2c_697.027
Satyren sind in Prosa.
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