Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

p2c_646.001
sind eigentlich dramatisirte romantische Gedichte. Makbeth p2c_646.002
ist eine wahre Tragödie im höhern Sinn. Diese hat aber p2c_646.003
auch ihren Chor, der das ganze zusammenhält, nämlich p2c_646.004
die Hexen. Wird dieser Chor von der vortrefflichen Reichardischen p2c_646.005
Musik begleitet, so giebt er dem Stück eine höhere p2c_646.006
lyrische Haltung nach griechischer Art.

p2c_646.007
§. 9.

p2c_646.008
Da die tragische Poesie mit der Schauspielkunst p2c_646.009
verbunden werden soll, so muß der Dichter seine Erfindungen p2c_646.010
durch Rücksichten auf die äußern Verhältnisse p2c_646.011
beschränken. Die negativen Regeln, welche hieraus p2c_646.012
entspringen, gehören in die allgemeine Aesthetik, p2c_646.013
weil sie die Verbindung mehrerer Künste betreffen. p2c_646.014
Sie beziehn sich besonders auf die Beschaffenheit des p2c_646.015
Theaters, auf das Kostume oder Uebliche in der Decoration, p2c_646.016
auf die Mimik des Schauspielers, und auf p2c_646.017
Geschmack und Stimmung der Nazion, vor welcher p2c_646.018
die Vorstellung statt hat. Daß die Tragödie hierdurch p2c_646.019
weit mehr beschränkt werde, als die Komödie, folgt p2c_646.020
aus dem Ernst der erhabenen Empfindung, die sie erwecken p2c_646.021
soll, und der durch keine Unschicklichkeit gestört p2c_646.022
werden darf.

p2c_646.023
Anmerk. 1. Der Tragiker darf dem Theater nicht p2c_646.024
mehr Decoration zumuthen, als es nach seiner Beschränktheit

p2c_646.001
sind eigentlich dramatisirte romantische Gedichte. Makbeth p2c_646.002
ist eine wahre Tragödie im höhern Sinn. Diese hat aber p2c_646.003
auch ihren Chor, der das ganze zusammenhält, nämlich p2c_646.004
die Hexen. Wird dieser Chor von der vortrefflichen Reichardischen p2c_646.005
Musik begleitet, so giebt er dem Stück eine höhere p2c_646.006
lyrische Haltung nach griechischer Art.

p2c_646.007
§. 9.

p2c_646.008
Da die tragische Poesie mit der Schauspielkunst p2c_646.009
verbunden werden soll, so muß der Dichter seine Erfindungen p2c_646.010
durch Rücksichten auf die äußern Verhältnisse p2c_646.011
beschränken. Die negativen Regeln, welche hieraus p2c_646.012
entspringen, gehören in die allgemeine Aesthetik, p2c_646.013
weil sie die Verbindung mehrerer Künste betreffen. p2c_646.014
Sie beziehn sich besonders auf die Beschaffenheit des p2c_646.015
Theaters, auf das Kostume oder Uebliche in der Decoration, p2c_646.016
auf die Mimik des Schauspielers, und auf p2c_646.017
Geschmack und Stimmung der Nazion, vor welcher p2c_646.018
die Vorstellung statt hat. Daß die Tragödie hierdurch p2c_646.019
weit mehr beschränkt werde, als die Komödie, folgt p2c_646.020
aus dem Ernst der erhabenen Empfindung, die sie erwecken p2c_646.021
soll, und der durch keine Unschicklichkeit gestört p2c_646.022
werden darf.

p2c_646.023
Anmerk. 1. Der Tragiker darf dem Theater nicht p2c_646.024
mehr Decoration zumuthen, als es nach seiner Beschränktheit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0170" n="646"/><lb n="p2c_646.001"/>
sind eigentlich dramatisirte romantische Gedichte. Makbeth <lb n="p2c_646.002"/>
ist eine wahre Tragödie im höhern Sinn. Diese hat aber <lb n="p2c_646.003"/>
auch <hi rendition="#g">ihren</hi> Chor, der das ganze zusammenhält, nämlich <lb n="p2c_646.004"/>
die Hexen. Wird dieser Chor von der vortrefflichen Reichardischen <lb n="p2c_646.005"/>
Musik begleitet, so giebt er dem Stück eine höhere <lb n="p2c_646.006"/>
lyrische Haltung nach griechischer Art.</p>
            <p> <hi rendition="#c"><lb n="p2c_646.007"/>
§. 9.</hi> </p>
            <p><lb n="p2c_646.008"/>
Da die tragische Poesie mit der Schauspielkunst <lb n="p2c_646.009"/>
verbunden werden soll, so muß der Dichter seine Erfindungen <lb n="p2c_646.010"/>
durch Rücksichten auf die äußern Verhältnisse <lb n="p2c_646.011"/>
beschränken. Die negativen Regeln, welche hieraus <lb n="p2c_646.012"/>
entspringen, gehören in die allgemeine Aesthetik, <lb n="p2c_646.013"/>
weil sie die Verbindung mehrerer Künste betreffen. <lb n="p2c_646.014"/>
Sie beziehn sich besonders auf die Beschaffenheit des <lb n="p2c_646.015"/>
Theaters, auf das Kostume oder Uebliche in der Decoration, <lb n="p2c_646.016"/>
auf die Mimik des Schauspielers, und auf <lb n="p2c_646.017"/>
Geschmack und Stimmung der Nazion, vor welcher <lb n="p2c_646.018"/>
die Vorstellung statt hat. Daß die Tragödie hierdurch <lb n="p2c_646.019"/>
weit mehr beschränkt werde, als die Komödie, folgt <lb n="p2c_646.020"/>
aus dem Ernst der erhabenen Empfindung, die sie erwecken <lb n="p2c_646.021"/>
soll, und der durch keine Unschicklichkeit gestört <lb n="p2c_646.022"/>
werden darf.</p>
            <p><lb n="p2c_646.023"/><hi rendition="#g">Anmerk.</hi> 1. Der Tragiker darf dem Theater nicht     <lb n="p2c_646.024"/>
mehr Decoration zumuthen, als es nach seiner Beschränktheit
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[646/0170] p2c_646.001 sind eigentlich dramatisirte romantische Gedichte. Makbeth p2c_646.002 ist eine wahre Tragödie im höhern Sinn. Diese hat aber p2c_646.003 auch ihren Chor, der das ganze zusammenhält, nämlich p2c_646.004 die Hexen. Wird dieser Chor von der vortrefflichen Reichardischen p2c_646.005 Musik begleitet, so giebt er dem Stück eine höhere p2c_646.006 lyrische Haltung nach griechischer Art. p2c_646.007 §. 9. p2c_646.008 Da die tragische Poesie mit der Schauspielkunst p2c_646.009 verbunden werden soll, so muß der Dichter seine Erfindungen p2c_646.010 durch Rücksichten auf die äußern Verhältnisse p2c_646.011 beschränken. Die negativen Regeln, welche hieraus p2c_646.012 entspringen, gehören in die allgemeine Aesthetik, p2c_646.013 weil sie die Verbindung mehrerer Künste betreffen. p2c_646.014 Sie beziehn sich besonders auf die Beschaffenheit des p2c_646.015 Theaters, auf das Kostume oder Uebliche in der Decoration, p2c_646.016 auf die Mimik des Schauspielers, und auf p2c_646.017 Geschmack und Stimmung der Nazion, vor welcher p2c_646.018 die Vorstellung statt hat. Daß die Tragödie hierdurch p2c_646.019 weit mehr beschränkt werde, als die Komödie, folgt p2c_646.020 aus dem Ernst der erhabenen Empfindung, die sie erwecken p2c_646.021 soll, und der durch keine Unschicklichkeit gestört p2c_646.022 werden darf. p2c_646.023 Anmerk. 1. Der Tragiker darf dem Theater nicht p2c_646.024 mehr Decoration zumuthen, als es nach seiner Beschränktheit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/170
Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 646. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/170>, abgerufen am 24.11.2024.