Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_492.001 p2c_492.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0016" n="492"/><lb n="p2c_492.001"/> unerklärliche Jdealität der Freyheit gründet, kann es sich <lb n="p2c_492.002"/> nicht anders objektiv werden, als im Lichte der <hi rendition="#g">Schönheit.</hi> <lb n="p2c_492.003"/> Das Gefühl dieser höhern Schönheit ist aber eben deswegen <lb n="p2c_492.004"/> <hi rendition="#g">heilig,</hi> weil es den Menschen stärkt, von neuem dem <lb n="p2c_492.005"/> Aufruf zum Handeln Genüge zu thun. Dadurch widerspricht <lb n="p2c_492.006"/> jedoch der <hi rendition="#g">Glaube</hi> dem <hi rendition="#g">Gewissen</hi> keinesweges, <lb n="p2c_492.007"/> daß er den <hi rendition="#g">moralischen Zwang</hi> aufhebt, und das <lb n="p2c_492.008"/> <hi rendition="#g">Gute</hi> aus <hi rendition="#g">Liebe</hi> vollbringen läßt. Vielmehr ist dies die <lb n="p2c_492.009"/> natürliche Folge der Offenbarung. Der durch den <hi rendition="#g">Jmperativ</hi> <lb n="p2c_492.010"/> zum zweckmäßigen Handeln aufgeforderte Mensch <lb n="p2c_492.011"/> lernt die höchste Zweckmäßigkeit als Schönheit mit religiöser <lb n="p2c_492.012"/> Andacht anschauen, seine Knechtschaft verwandelt sich in <lb n="p2c_492.013"/> Kindschaft, die Achtung für den moralischen Zwang in <lb n="p2c_492.014"/> Enthusiasmus. Auch dadurch widerspricht eine Religionslehre <lb n="p2c_492.015"/> nicht dem <hi rendition="#g">Gewissen,</hi> wenn sie irrige menschliche Begriffe <lb n="p2c_492.016"/> von Gerechtigkeit umstößt. Christus z. B. schlägt in <lb n="p2c_492.017"/> seinen Parabeln die Anmaßung aller derjenigen nieder, welche <lb n="p2c_492.018"/> sich auf die Verdienstlichkeit ihrer Werke berufen und <lb n="p2c_492.019"/> deswegen einen besondern Lohn verlangen. Dieser göttliche <lb n="p2c_492.020"/> Richter richtet gewöhnlich und auch hier die Menschen nach <lb n="p2c_492.021"/> ihren eigenen Grundsätzen. Haben jene Menschen das Gute <lb n="p2c_492.022"/> wegen des Lohns gethan, so war die Triebfeder ihrer Handlung <lb n="p2c_492.023"/> nicht rein. Sie verdienen keinen Vorzug. Sie waren <lb n="p2c_492.024"/> blos Spekulanten, die das entferntere Nützliche dem nähern <lb n="p2c_492.025"/> vorzogen. Thaten sie das Gute aus Achtung für den moralischen <lb n="p2c_492.026"/> Zwang, so sind sie ja nach ihrem eigenen Geständnisse <lb n="p2c_492.027"/> unnütze <hi rendition="#g">Knechte.</hi> Sie thaten, was sie zu thun schuldig <lb n="p2c_492.028"/> waren. Hätten sie aber das Gute aus Enthusiasmus, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [492/0016]
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unerklärliche Jdealität der Freyheit gründet, kann es sich p2c_492.002
nicht anders objektiv werden, als im Lichte der Schönheit. p2c_492.003
Das Gefühl dieser höhern Schönheit ist aber eben deswegen p2c_492.004
heilig, weil es den Menschen stärkt, von neuem dem p2c_492.005
Aufruf zum Handeln Genüge zu thun. Dadurch widerspricht p2c_492.006
jedoch der Glaube dem Gewissen keinesweges, p2c_492.007
daß er den moralischen Zwang aufhebt, und das p2c_492.008
Gute aus Liebe vollbringen läßt. Vielmehr ist dies die p2c_492.009
natürliche Folge der Offenbarung. Der durch den Jmperativ p2c_492.010
zum zweckmäßigen Handeln aufgeforderte Mensch p2c_492.011
lernt die höchste Zweckmäßigkeit als Schönheit mit religiöser p2c_492.012
Andacht anschauen, seine Knechtschaft verwandelt sich in p2c_492.013
Kindschaft, die Achtung für den moralischen Zwang in p2c_492.014
Enthusiasmus. Auch dadurch widerspricht eine Religionslehre p2c_492.015
nicht dem Gewissen, wenn sie irrige menschliche Begriffe p2c_492.016
von Gerechtigkeit umstößt. Christus z. B. schlägt in p2c_492.017
seinen Parabeln die Anmaßung aller derjenigen nieder, welche p2c_492.018
sich auf die Verdienstlichkeit ihrer Werke berufen und p2c_492.019
deswegen einen besondern Lohn verlangen. Dieser göttliche p2c_492.020
Richter richtet gewöhnlich und auch hier die Menschen nach p2c_492.021
ihren eigenen Grundsätzen. Haben jene Menschen das Gute p2c_492.022
wegen des Lohns gethan, so war die Triebfeder ihrer Handlung p2c_492.023
nicht rein. Sie verdienen keinen Vorzug. Sie waren p2c_492.024
blos Spekulanten, die das entferntere Nützliche dem nähern p2c_492.025
vorzogen. Thaten sie das Gute aus Achtung für den moralischen p2c_492.026
Zwang, so sind sie ja nach ihrem eigenen Geständnisse p2c_492.027
unnütze Knechte. Sie thaten, was sie zu thun schuldig p2c_492.028
waren. Hätten sie aber das Gute aus Enthusiasmus,
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