p1c_446.001 man kunstmäßig scandiren, so müßte man folgendermaßen p1c_446.002 lesen: | ganz die | volle Ge | walt u. s. w. Aber der bessere p1c_446.003 Deklamator wird lesen: | volle Gewalt |. Hieraus entsteht p1c_446.004 ein Wortfuß, der von dem herrschenden künstlichen p1c_446.005 Fuße unterschieden ist, ein Choriambus, und dieser p1c_446.006 drückt den Sinn am besten aus. d) Endlich muß der Deklamator p1c_446.007 sowohl durch die Qualität des Tons, als auch p1c_446.008 durch die Art und Geschwindigkeit, wie er die Stimme bewegt, p1c_446.009 eine gewisse Harmonie des Klanges mit den Empfindungen, p1c_446.010 die der Jnhalt des Gedichts sind, zu erreichen p1c_446.011 suchen. Es ist eine ausgemachte Sache, daß die einzelnen p1c_446.012 Töne an sich der Empfindung nach verschieden sind, der eine p1c_446.013 fröhlicher klingt, der andere trauriger. Die Zärtlichkeit p1c_446.014 hat ihren Ton, wie der Abscheu. Diese Qualität des Tons p1c_446.015 muß der Deklamator dem Jnhalte des Gedichts anpassen, p1c_446.016 einen gewissen Hauptton annehmen, und innerhalb desselben p1c_446.017 die Stimme besonders modificiren, da er eine plötzliche Erhöhung p1c_446.018 und Vertiefung der Töne, und den Uebergang aus p1c_446.019 einem in den andern völlig in seiner Gewalt hat. Aber auch p1c_446.020 auf die harmonische Bewegung der Stimme kommt viel an, p1c_446.021 um die jedesmalige Gemüthsstimmung auszudrücken. Die p1c_446.022 Stimme bewegt sich bey heftigen Empfindungen schneller, p1c_446.023 beym Scherz, bey Empfindungen der Grazie leichter, nachlässiger, p1c_446.024 beym Großen langsam, schwer. Beym Starken p1c_446.025 wird mit Nachdruck accentuirt. Auch kommt die Schwäche p1c_446.026 und Stärke des Tons in Anschlag. Alles dieses lernt sich
p1c_446.001 man kunstmäßig scandiren, so müßte man folgendermaßen p1c_446.002 lesen: | gānz dīe | vōllĕ Gĕ | walt u. s. w. Aber der bessere p1c_446.003 Deklamator wird lesen: | vōllĕ Gĕwālt |. Hieraus entsteht p1c_446.004 ein Wortfuß, der von dem herrschenden künstlichen p1c_446.005 Fuße unterschieden ist, ein Choriambus, und dieser p1c_446.006 drückt den Sinn am besten aus. d) Endlich muß der Deklamator p1c_446.007 sowohl durch die Qualität des Tons, als auch p1c_446.008 durch die Art und Geschwindigkeit, wie er die Stimme bewegt, p1c_446.009 eine gewisse Harmonie des Klanges mit den Empfindungen, p1c_446.010 die der Jnhalt des Gedichts sind, zu erreichen p1c_446.011 suchen. Es ist eine ausgemachte Sache, daß die einzelnen p1c_446.012 Töne an sich der Empfindung nach verschieden sind, der eine p1c_446.013 fröhlicher klingt, der andere trauriger. Die Zärtlichkeit p1c_446.014 hat ihren Ton, wie der Abscheu. Diese Qualität des Tons p1c_446.015 muß der Deklamator dem Jnhalte des Gedichts anpassen, p1c_446.016 einen gewissen Hauptton annehmen, und innerhalb desselben p1c_446.017 die Stimme besonders modificiren, da er eine plötzliche Erhöhung p1c_446.018 und Vertiefung der Töne, und den Uebergang aus p1c_446.019 einem in den andern völlig in seiner Gewalt hat. Aber auch p1c_446.020 auf die harmonische Bewegung der Stimme kommt viel an, p1c_446.021 um die jedesmalige Gemüthsstimmung auszudrücken. Die p1c_446.022 Stimme bewegt sich bey heftigen Empfindungen schneller, p1c_446.023 beym Scherz, bey Empfindungen der Grazie leichter, nachlässiger, p1c_446.024 beym Großen langsam, schwer. Beym Starken p1c_446.025 wird mit Nachdruck accentuirt. Auch kommt die Schwäche p1c_446.026 und Stärke des Tons in Anschlag. Alles dieses lernt sich
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/504>, abgerufen am 24.11.2024.
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