p1c_443.001 wie wir gezeigt haben, musikalischeren Effekt hervorbringt. p1c_443.002 Er muß, ohne ganz zu singen, doch die Rede gesangmäßig p1c_443.003 zu machen wissen, welches freylich sehr schwer ist. Er p1c_443.004 muß die artikulirte Sprache aufheben, die Töne, ohne sie p1c_443.005 jedoch unnatürlich zu dehnen, mehr als Continua darstellen, p1c_443.006 und die Schranken, die der Verstand durch die Wortbildung p1c_443.007 festsetzte, auf eine unmerkbare Art hinwegzunehmen verstehen. p1c_443.008 Er muß begrifflose Töne der Empfindung mit einzumischen p1c_443.009 wissen, wie sie die Leidenschaft verlangt, wozu denn p1c_443.010 freylich eine gefällige biegsame Stimme gehört. Da endlich p1c_443.011 die Dichter einen besondern Wohllaut in Wiederkehr ähnlicher p1c_443.012 Klänge suchen, welche man Reim nennt, so muß auch p1c_443.013 der Deklamator diesen Wohllaut herausheben. Es ist eine p1c_443.014 falsche Meynung, daß man die Reime verbergen müsse. p1c_443.015 Der Dichter hätte sich also umsonst diese Fesseln angelegt. p1c_443.016 Wenn'er den Reim richtig gebraucht hat, steht derselbe ohnedies p1c_443.017 auf Hauptgedanken, die den besondern Accent rechtfertigen. p1c_443.018 Also muß auch der Deklamator auf dem Reim p1c_443.019 etwas verweilen, geht der Sinn weiter, natürlich weniger, p1c_443.020 als sonst. Der Reim begleitet den Rhythmus und schneidet p1c_443.021 Verse ab. Dies giebt ihm einen gewissen Jctus. Da der p1c_443.022 Jctus jedoch am Ende der rhythmischen Reihe steht, so besteht p1c_443.023 selbiger weniger in einer Erhebung, als in einem gewissen p1c_443.024 Verweilen der Stimme. Der Deklamator muß p1c_443.025 also die Stimme wie das Ohr auf dem Reime ausruhenp1c_443.026 lassen. Der männliche Reim, wie wir gesehen haben, besitzt p1c_443.027 einen stärkern Accent, schließt also mehr, wie der p1c_443.028 weibliche. Der weibliche erhält die Stimme in einer
p1c_443.001 wie wir gezeigt haben, musikalischeren Effekt hervorbringt. p1c_443.002 Er muß, ohne ganz zu singen, doch die Rede gesangmäßig p1c_443.003 zu machen wissen, welches freylich sehr schwer ist. Er p1c_443.004 muß die artikulirte Sprache aufheben, die Töne, ohne sie p1c_443.005 jedoch unnatürlich zu dehnen, mehr als Continua darstellen, p1c_443.006 und die Schranken, die der Verstand durch die Wortbildung p1c_443.007 festsetzte, auf eine unmerkbare Art hinwegzunehmen verstehen. p1c_443.008 Er muß begrifflose Töne der Empfindung mit einzumischen p1c_443.009 wissen, wie sie die Leidenschaft verlangt, wozu denn p1c_443.010 freylich eine gefällige biegsame Stimme gehört. Da endlich p1c_443.011 die Dichter einen besondern Wohllaut in Wiederkehr ähnlicher p1c_443.012 Klänge suchen, welche man Reim nennt, so muß auch p1c_443.013 der Deklamator diesen Wohllaut herausheben. Es ist eine p1c_443.014 falsche Meynung, daß man die Reime verbergen müsse. p1c_443.015 Der Dichter hätte sich also umsonst diese Fesseln angelegt. p1c_443.016 Wenn'er den Reim richtig gebraucht hat, steht derselbe ohnedies p1c_443.017 auf Hauptgedanken, die den besondern Accent rechtfertigen. p1c_443.018 Also muß auch der Deklamator auf dem Reim p1c_443.019 etwas verweilen, geht der Sinn weiter, natürlich weniger, p1c_443.020 als sonst. Der Reim begleitet den Rhythmus und schneidet p1c_443.021 Verse ab. Dies giebt ihm einen gewissen Jctus. Da der p1c_443.022 Jctus jedoch am Ende der rhythmischen Reihe steht, so besteht p1c_443.023 selbiger weniger in einer Erhebung, als in einem gewissen p1c_443.024 Verweilen der Stimme. Der Deklamator muß p1c_443.025 also die Stimme wie das Ohr auf dem Reime ausruhenp1c_443.026 lassen. Der männliche Reim, wie wir gesehen haben, besitzt p1c_443.027 einen stärkern Accent, schließt also mehr, wie der p1c_443.028 weibliche. Der weibliche erhält die Stimme in einer
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wie wir gezeigt haben, musikalischeren Effekt hervorbringt. p1c_443.002
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Also muß auch der Deklamator auf dem Reim p1c_443.019
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/501>, abgerufen am 21.11.2024.
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