p1c_066.001 Rührung. Daher kann man das niedere Schöne p1c_066.002 auch das reizend Schöne, das höhere Schöne p1c_066.003 auch das rührend Schöne nennen.
p1c_066.004 Anmerk. 1. Neuere Philosophen haben das niedere p1c_066.005 Schöne zuweilen das objektiv Schöne genannt, als p1c_066.006 wenn es als Gegenstand an den sichtbaren Formen wirklich p1c_066.007 existirte, das höhere Schöne aber nicht. Allerdings p1c_066.008 scheint es, daß die schöne Form der Natur ohne Rücksicht p1c_066.009 wenigstens auf den Menschen anspruchslos, jungfräulich, p1c_066.010 sich selbst genug, existire. "Die dunkeln unergründlichen p1c_066.011 Höhlen des Ozeans (sagt Gray in seiner berühmten Elegie), p1c_066.012 bergen manchen edeln Stein von dem reinsten heitersten p1c_066.013 Glanze, manche Blume blüht ungesehen und haucht ihre p1c_066.014 süssen Gerüche in eine öde Luft" &c. Allein ließe sich nicht p1c_066.015 eben das von den höhern schönen, von den grausend schönen p1c_066.016 Szenen der Natur behaupten, die sich erst dort verbreiten, p1c_066.017 wo noch nie der Fußtritt eines Wandrers klang? Wird p1c_066.018 nicht auch bey dem niedern Schönen allemal an die Beziehung p1c_066.019 auf ein Wesen gedacht, das dasselbe mit Lust empfinde, p1c_066.020 das selbst Schöpfergeist und Ahnung von Urideen p1c_066.021 habe? Warum soll dies allein objektiv heißen, und das p1c_066.022 so genannte Erhabene subjektiv? Giebt es nicht Grund, p1c_066.023 in der Natur überall Vorstellkraft und rückwärts affizirten p1c_066.024 Schöpfergeist vorauszusetzen, selbst da, wo kein Mensch p1c_066.025 hinkommt? Alles Schöne höherer und niederer Art, ist p1c_066.026 Widerschein, und wird mit Lust von geistigen Vorstellkräften
p1c_066.001 Rührung. Daher kann man das niedere Schöne p1c_066.002 auch das reizend Schöne, das höhere Schöne p1c_066.003 auch das rührend Schöne nennen.
p1c_066.004 Anmerk. 1. Neuere Philosophen haben das niedere p1c_066.005 Schöne zuweilen das objektiv Schöne genannt, als p1c_066.006 wenn es als Gegenstand an den sichtbaren Formen wirklich p1c_066.007 existirte, das höhere Schöne aber nicht. Allerdings p1c_066.008 scheint es, daß die schöne Form der Natur ohne Rücksicht p1c_066.009 wenigstens auf den Menschen anspruchslos, jungfräulich, p1c_066.010 sich selbst genug, existire. „Die dunkeln unergründlichen p1c_066.011 Höhlen des Ozeans (sagt Gray in seiner berühmten Elegie), p1c_066.012 bergen manchen edeln Stein von dem reinsten heitersten p1c_066.013 Glanze, manche Blume blüht ungesehen und haucht ihre p1c_066.014 süssen Gerüche in eine öde Luft“ &c. Allein ließe sich nicht p1c_066.015 eben das von den höhern schönen, von den grausend schönen p1c_066.016 Szenen der Natur behaupten, die sich erst dort verbreiten, p1c_066.017 wo noch nie der Fußtritt eines Wandrers klang? Wird p1c_066.018 nicht auch bey dem niedern Schönen allemal an die Beziehung p1c_066.019 auf ein Wesen gedacht, das dasselbe mit Lust empfinde, p1c_066.020 das selbst Schöpfergeist und Ahnung von Urideen p1c_066.021 habe? Warum soll dies allein objektiv heißen, und das p1c_066.022 so genannte Erhabene subjektiv? Giebt es nicht Grund, p1c_066.023 in der Natur überall Vorstellkraft und rückwärts affizirten p1c_066.024 Schöpfergeist vorauszusetzen, selbst da, wo kein Mensch p1c_066.025 hinkommt? Alles Schöne höherer und niederer Art, ist p1c_066.026 Widerschein, und wird mit Lust von geistigen Vorstellkräften
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/124>, abgerufen am 23.11.2024.
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