Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

p1c_054.001
davon psychologisch bestimmen: 1) Da diese Augenblicke p1c_054.002
ein Anschaun sind vom Uebersinnlichen, so werden p1c_054.003
sie durch die Phantasie hervorgebracht. 2) p1c_054.004
Da die Phantasie dabey ihr höchstes Leben erhält, p1c_054.005
so muß sie von allem gefühlten Zwange des Lebensimperatifs p1c_054.006
und des Verstandes frey seyn, als Theilhaberin p1c_054.007
der göttlichen Seligkeit, mit göttlicher schöpferischer p1c_054.008
Genialität gerüstet. So wenig, wie Gott selbst p1c_054.009
zu Schöpfungen gezwungen wird, und irgend einem p1c_054.010
Jmperatif oder Gesetz unterworfen ist, sondern nach p1c_054.011
freyer seliger, liebender Natur aus sich zum p1c_054.012
Schaffen herausgeht, eben so wenig kann die durch p1c_054.013
höhere Kraft erhobene Phantasie irgend einen menschlichen p1c_054.014
Zwang des bewußten individuellen Lebens fühlen. p1c_054.015
3) Da die Phantasie selbst in diesen Augenblicken p1c_054.016
immer menschlich und beschränkt bleibt, folglich des p1c_054.017
freyen Lebensspiels, im höchsten Sinne sich nicht bewußt p1c_054.018
werden kann, kann sie auch das All der Realitäten p1c_054.019
nicht umfassen. Es wird ihr gegeben, aus dem p1c_054.020
Unendlichmöglichen, Zufälligen, Mannichfaltigen, p1c_054.021
Wirklichen, durch einen glücklichen Jnstinkt höherer p1c_054.022
Natur, durch eine genialische Leichtigkeit das Höchstnothwendige p1c_054.023
heraus zu finden, um eine Anschauung des p1c_054.024
Jdealen im Realen, oder wenigstens einen Widerschein p1c_054.025
davon hervorzubringen. Hieraus entsteht im

p1c_054.001
davon psychologisch bestimmen: 1) Da diese Augenblicke p1c_054.002
ein Anschaun sind vom Uebersinnlichen, so werden p1c_054.003
sie durch die Phantasie hervorgebracht. 2) p1c_054.004
Da die Phantasie dabey ihr höchstes Leben erhält, p1c_054.005
so muß sie von allem gefühlten Zwange des Lebensimperatifs p1c_054.006
und des Verstandes frey seyn, als Theilhaberin p1c_054.007
der göttlichen Seligkeit, mit göttlicher schöpferischer p1c_054.008
Genialität gerüstet. So wenig, wie Gott selbst p1c_054.009
zu Schöpfungen gezwungen wird, und irgend einem p1c_054.010
Jmperatif oder Gesetz unterworfen ist, sondern nach p1c_054.011
freyer seliger, liebender Natur aus sich zum p1c_054.012
Schaffen herausgeht, eben so wenig kann die durch p1c_054.013
höhere Kraft erhobene Phantasie irgend einen menschlichen p1c_054.014
Zwang des bewußten individuellen Lebens fühlen. p1c_054.015
3) Da die Phantasie selbst in diesen Augenblicken p1c_054.016
immer menschlich und beschränkt bleibt, folglich des p1c_054.017
freyen Lebensspiels, im höchsten Sinne sich nicht bewußt p1c_054.018
werden kann, kann sie auch das All der Realitäten p1c_054.019
nicht umfassen. Es wird ihr gegeben, aus dem p1c_054.020
Unendlichmöglichen, Zufälligen, Mannichfaltigen, p1c_054.021
Wirklichen, durch einen glücklichen Jnstinkt höherer p1c_054.022
Natur, durch eine genialische Leichtigkeit das Höchstnothwendige p1c_054.023
heraus zu finden, um eine Anschauung des p1c_054.024
Jdealen im Realen, oder wenigstens einen Widerschein p1c_054.025
davon hervorzubringen. Hieraus entsteht im

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0112" n="54"/><lb n="p1c_054.001"/>
davon psychologisch bestimmen: 1) Da diese Augenblicke <lb n="p1c_054.002"/>
ein Anschaun sind vom Uebersinnlichen, so werden <lb n="p1c_054.003"/>
sie durch die <hi rendition="#g">Phantasie</hi> hervorgebracht. 2) <lb n="p1c_054.004"/>
Da die <hi rendition="#g">Phantasie</hi> dabey ihr höchstes Leben erhält, <lb n="p1c_054.005"/>
so muß sie von allem gefühlten Zwange des Lebensimperatifs <lb n="p1c_054.006"/>
und des Verstandes <hi rendition="#g">frey</hi> seyn, als Theilhaberin <lb n="p1c_054.007"/>
der göttlichen Seligkeit, mit göttlicher schöpferischer <lb n="p1c_054.008"/>
Genialität gerüstet. So wenig, wie Gott selbst <lb n="p1c_054.009"/>
zu Schöpfungen gezwungen wird, und irgend einem <lb n="p1c_054.010"/>
Jmperatif oder Gesetz unterworfen ist, sondern nach <lb n="p1c_054.011"/>
freyer seliger, liebender Natur aus sich zum <lb n="p1c_054.012"/>
Schaffen herausgeht, eben so wenig kann die durch <lb n="p1c_054.013"/>
höhere Kraft erhobene Phantasie irgend einen menschlichen <lb n="p1c_054.014"/>
Zwang des bewußten individuellen Lebens fühlen. <lb n="p1c_054.015"/>
3) Da die <hi rendition="#g">Phantasie</hi> selbst in diesen Augenblicken <lb n="p1c_054.016"/>
immer menschlich und beschränkt bleibt, folglich des <lb n="p1c_054.017"/>
freyen Lebensspiels, im höchsten Sinne sich nicht bewußt <lb n="p1c_054.018"/>
werden kann, kann sie auch das <hi rendition="#g">All der Realitäten</hi> <lb n="p1c_054.019"/>
nicht umfassen. Es wird ihr gegeben, aus dem <lb n="p1c_054.020"/>
Unendlichmöglichen, Zufälligen, Mannichfaltigen, <lb n="p1c_054.021"/>
Wirklichen, durch einen glücklichen Jnstinkt höherer <lb n="p1c_054.022"/>
Natur, durch eine genialische Leichtigkeit das Höchstnothwendige <lb n="p1c_054.023"/>
heraus zu finden, um eine Anschauung des <lb n="p1c_054.024"/>
Jdealen im <hi rendition="#g">Realen,</hi> oder wenigstens einen <hi rendition="#g">Widerschein</hi> <lb n="p1c_054.025"/>
davon hervorzubringen. Hieraus entsteht im
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0112] p1c_054.001 davon psychologisch bestimmen: 1) Da diese Augenblicke p1c_054.002 ein Anschaun sind vom Uebersinnlichen, so werden p1c_054.003 sie durch die Phantasie hervorgebracht. 2) p1c_054.004 Da die Phantasie dabey ihr höchstes Leben erhält, p1c_054.005 so muß sie von allem gefühlten Zwange des Lebensimperatifs p1c_054.006 und des Verstandes frey seyn, als Theilhaberin p1c_054.007 der göttlichen Seligkeit, mit göttlicher schöpferischer p1c_054.008 Genialität gerüstet. So wenig, wie Gott selbst p1c_054.009 zu Schöpfungen gezwungen wird, und irgend einem p1c_054.010 Jmperatif oder Gesetz unterworfen ist, sondern nach p1c_054.011 freyer seliger, liebender Natur aus sich zum p1c_054.012 Schaffen herausgeht, eben so wenig kann die durch p1c_054.013 höhere Kraft erhobene Phantasie irgend einen menschlichen p1c_054.014 Zwang des bewußten individuellen Lebens fühlen. p1c_054.015 3) Da die Phantasie selbst in diesen Augenblicken p1c_054.016 immer menschlich und beschränkt bleibt, folglich des p1c_054.017 freyen Lebensspiels, im höchsten Sinne sich nicht bewußt p1c_054.018 werden kann, kann sie auch das All der Realitäten p1c_054.019 nicht umfassen. Es wird ihr gegeben, aus dem p1c_054.020 Unendlichmöglichen, Zufälligen, Mannichfaltigen, p1c_054.021 Wirklichen, durch einen glücklichen Jnstinkt höherer p1c_054.022 Natur, durch eine genialische Leichtigkeit das Höchstnothwendige p1c_054.023 heraus zu finden, um eine Anschauung des p1c_054.024 Jdealen im Realen, oder wenigstens einen Widerschein p1c_054.025 davon hervorzubringen. Hieraus entsteht im

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/112
Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/112>, abgerufen am 23.11.2024.