gehende Muth sich hauptsächlich auf dasjenige Wagen be- zieht welches in dem Vertrauen zu ungewissen Dingen und zu gutem Glück besteht und weniger auf die persön- liche Gefahr, liegt in der Natur der Sache, denn diese kann nicht leicht ein Gegenstand großer Verstandesthätig- keit werden.
590. Wir sehen also daß in der Gefechtsführung, d. h. im Drange des Augenblicks und der Gefahr die Gemüthskräfte den Verstand unterstützen und dieser die Gemüthskräfte wecken muß.
591. Ein solcher erhöheter Zustand der Seele ist er- forderlich wenn das Urtheil ohne Übersicht, ohne Muße, im heftigsten Drange der Erscheinungen treffende Entschei- dungen geben soll. Man kann ihn das kriegerische Talent nennen.
592. Wenn man ein Gefecht mit seiner Masse großer und kleiner Glieder und der von ihm ausgehenden Hand- lungen betrachtet, so fällt in die Augen daß der Muth welcher von der persönlichen Aufopferung ausgeht, in der niedern Region vorherrschen d. h. mehr über die kleinen Glieder gebieten wird, der andere mehr über die großen.
593. Je weiter man in dieser Gliederung hinunter- steigt um so einfacher wird das Handeln, um so mehr kann also der einfache Verstand zureichen, um so größer aber wird die persönliche Gefahr und folglich um so mehr ist der persönliche Muth in Anspruch genommen.
594. Je höher man hinaufsteigt um so wichtiger und folgereicher wird das Handeln des Einzelnen, weil die Gegenstände worüber er entscheidet mehr oder weniger in einem durchgreifenden Zusammenhange mit dem Ganzen
gehende Muth ſich hauptſaͤchlich auf dasjenige Wagen be- zieht welches in dem Vertrauen zu ungewiſſen Dingen und zu gutem Gluͤck beſteht und weniger auf die perſoͤn- liche Gefahr, liegt in der Natur der Sache, denn dieſe kann nicht leicht ein Gegenſtand großer Verſtandesthaͤtig- keit werden.
590. Wir ſehen alſo daß in der Gefechtsfuͤhrung, d. h. im Drange des Augenblicks und der Gefahr die Gemuͤthskraͤfte den Verſtand unterſtuͤtzen und dieſer die Gemuͤthskraͤfte wecken muß.
591. Ein ſolcher erhoͤheter Zuſtand der Seele iſt er- forderlich wenn das Urtheil ohne Überſicht, ohne Muße, im heftigſten Drange der Erſcheinungen treffende Entſchei- dungen geben ſoll. Man kann ihn das kriegeriſche Talent nennen.
592. Wenn man ein Gefecht mit ſeiner Maſſe großer und kleiner Glieder und der von ihm ausgehenden Hand- lungen betrachtet, ſo faͤllt in die Augen daß der Muth welcher von der perſoͤnlichen Aufopferung ausgeht, in der niedern Region vorherrſchen d. h. mehr uͤber die kleinen Glieder gebieten wird, der andere mehr uͤber die großen.
593. Je weiter man in dieſer Gliederung hinunter- ſteigt um ſo einfacher wird das Handeln, um ſo mehr kann alſo der einfache Verſtand zureichen, um ſo groͤßer aber wird die perſoͤnliche Gefahr und folglich um ſo mehr iſt der perſoͤnliche Muth in Anſpruch genommen.
594. Je hoͤher man hinaufſteigt um ſo wichtiger und folgereicher wird das Handeln des Einzelnen, weil die Gegenſtaͤnde woruͤber er entſcheidet mehr oder weniger in einem durchgreifenden Zuſammenhange mit dem Ganzen
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gehende Muth ſich hauptſaͤchlich auf dasjenige Wagen be-
zieht welches in dem Vertrauen zu ungewiſſen Dingen
und zu gutem Gluͤck beſteht und weniger auf die perſoͤn-
liche Gefahr, liegt in der Natur der Sache, denn dieſe
kann nicht leicht ein Gegenſtand großer Verſtandesthaͤtig-
keit werden.
590. Wir ſehen alſo daß in der Gefechtsfuͤhrung,
d. h. im Drange des Augenblicks und der Gefahr die
Gemuͤthskraͤfte den Verſtand unterſtuͤtzen und dieſer die
Gemuͤthskraͤfte wecken muß.
591. Ein ſolcher erhoͤheter Zuſtand der Seele iſt er-
forderlich wenn das Urtheil ohne Überſicht, ohne Muße,
im heftigſten Drange der Erſcheinungen treffende Entſchei-
dungen geben ſoll. Man kann ihn das kriegeriſche Talent
nennen.
592. Wenn man ein Gefecht mit ſeiner Maſſe großer
und kleiner Glieder und der von ihm ausgehenden Hand-
lungen betrachtet, ſo faͤllt in die Augen daß der Muth
welcher von der perſoͤnlichen Aufopferung ausgeht, in der
niedern Region vorherrſchen d. h. mehr uͤber die kleinen
Glieder gebieten wird, der andere mehr uͤber die großen.
593. Je weiter man in dieſer Gliederung hinunter-
ſteigt um ſo einfacher wird das Handeln, um ſo mehr
kann alſo der einfache Verſtand zureichen, um ſo groͤßer
aber wird die perſoͤnliche Gefahr und folglich um ſo mehr
iſt der perſoͤnliche Muth in Anſpruch genommen.
594. Je hoͤher man hinaufſteigt um ſo wichtiger
und folgereicher wird das Handeln des Einzelnen, weil
die Gegenſtaͤnde woruͤber er entſcheidet mehr oder weniger
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/397>, abgerufen am 22.11.2024.
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