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Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

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570. Wenn also das Urtheil des Verstandes auf
jede Weise beengt und geschwächt wird, wohin kann es
sich flüchten? -- Nur zum Muth.

571. Es ist hier offenbar ein Muth doppelter Art
erforderlich. Muth um nicht von der persönlichen Gefahr
überwältigt zu werden, und Muth um auf Ungewisses
zu rechnen und sein Handeln darauf einzurichten.

572. Das Zweite pflegt man Muth des Verstandes
(courage d'esprit) zu nennen; für das Erste giebt es
keinen dem Gesetz der Antithese genügenden Namen. Die
Ursache ist weil jene Benennung selbst nicht richtig ist.

573. Fragen wir uns was in der ursprünglichen
Bedeutung Muth genannt wird, so ist es die persönliche
Aufopferung
in der Gefahr, und von diesem Punkte müs-
sen wir auch ausgehen, denn darauf stützt sich zuletzt Alles.

574. Ein solches Gefühl der Aufopferung kann zwei
ganz verschiedenartige Quellen haben: erstens Gleichgültig-
keit gegen die Gefahr, sei es daß sie aus dem Organis-
mus des Individuums oder aus Gleichgültigkeit gegen das
Leben oder aus Gewohnheit der Gefahr hervorgehe, und
zweitens positive Motive: Ehrgeiz, Vaterlandsliebe, Be-
geisterung jeder Art.

575. Nur die erste ist als der echte angeborne oder
zur Natur gewordene Muth zu betrachten, und er hat
das Eigenthümliche daß er mit dem Menschen ganz iden-
tisch ist, also nie fehlt.

576. Anders ist es mit dem Muth der aus positi-
ven Gefühlen entspringt. Diese stellen sich den Eindrücken
der Gefahr entgegen, dabei kommt es natürlich auf ihr
Verhältniß zu denselben an. Es giebt Fälle wo sie viel
weiter führen als die bloße Gleichgültigkeit gegen die Ge-

570. Wenn alſo das Urtheil des Verſtandes auf
jede Weiſe beengt und geſchwaͤcht wird, wohin kann es
ſich fluͤchten? — Nur zum Muth.

571. Es iſt hier offenbar ein Muth doppelter Art
erforderlich. Muth um nicht von der perſoͤnlichen Gefahr
uͤberwaͤltigt zu werden, und Muth um auf Ungewiſſes
zu rechnen und ſein Handeln darauf einzurichten.

572. Das Zweite pflegt man Muth des Verſtandes
(courage d’ésprit) zu nennen; fuͤr das Erſte giebt es
keinen dem Geſetz der Antitheſe genuͤgenden Namen. Die
Urſache iſt weil jene Benennung ſelbſt nicht richtig iſt.

573. Fragen wir uns was in der urſpruͤnglichen
Bedeutung Muth genannt wird, ſo iſt es die perſoͤnliche
Aufopferung
in der Gefahr, und von dieſem Punkte muͤſ-
ſen wir auch ausgehen, denn darauf ſtuͤtzt ſich zuletzt Alles.

574. Ein ſolches Gefuͤhl der Aufopferung kann zwei
ganz verſchiedenartige Quellen haben: erſtens Gleichguͤltig-
keit gegen die Gefahr, ſei es daß ſie aus dem Organis-
mus des Individuums oder aus Gleichguͤltigkeit gegen das
Leben oder aus Gewohnheit der Gefahr hervorgehe, und
zweitens poſitive Motive: Ehrgeiz, Vaterlandsliebe, Be-
geiſterung jeder Art.

575. Nur die erſte iſt als der echte angeborne oder
zur Natur gewordene Muth zu betrachten, und er hat
das Eigenthuͤmliche daß er mit dem Menſchen ganz iden-
tiſch iſt, alſo nie fehlt.

576. Anders iſt es mit dem Muth der aus poſiti-
ven Gefuͤhlen entſpringt. Dieſe ſtellen ſich den Eindruͤcken
der Gefahr entgegen, dabei kommt es natuͤrlich auf ihr
Verhaͤltniß zu denſelben an. Es giebt Faͤlle wo ſie viel
weiter fuͤhren als die bloße Gleichguͤltigkeit gegen die Ge-

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[380/0394] 570. Wenn alſo das Urtheil des Verſtandes auf jede Weiſe beengt und geſchwaͤcht wird, wohin kann es ſich fluͤchten? — Nur zum Muth. 571. Es iſt hier offenbar ein Muth doppelter Art erforderlich. Muth um nicht von der perſoͤnlichen Gefahr uͤberwaͤltigt zu werden, und Muth um auf Ungewiſſes zu rechnen und ſein Handeln darauf einzurichten. 572. Das Zweite pflegt man Muth des Verſtandes (courage d’ésprit) zu nennen; fuͤr das Erſte giebt es keinen dem Geſetz der Antitheſe genuͤgenden Namen. Die Urſache iſt weil jene Benennung ſelbſt nicht richtig iſt. 573. Fragen wir uns was in der urſpruͤnglichen Bedeutung Muth genannt wird, ſo iſt es die perſoͤnliche Aufopferung in der Gefahr, und von dieſem Punkte muͤſ- ſen wir auch ausgehen, denn darauf ſtuͤtzt ſich zuletzt Alles. 574. Ein ſolches Gefuͤhl der Aufopferung kann zwei ganz verſchiedenartige Quellen haben: erſtens Gleichguͤltig- keit gegen die Gefahr, ſei es daß ſie aus dem Organis- mus des Individuums oder aus Gleichguͤltigkeit gegen das Leben oder aus Gewohnheit der Gefahr hervorgehe, und zweitens poſitive Motive: Ehrgeiz, Vaterlandsliebe, Be- geiſterung jeder Art. 575. Nur die erſte iſt als der echte angeborne oder zur Natur gewordene Muth zu betrachten, und er hat das Eigenthuͤmliche daß er mit dem Menſchen ganz iden- tiſch iſt, alſo nie fehlt. 576. Anders iſt es mit dem Muth der aus poſiti- ven Gefuͤhlen entſpringt. Dieſe ſtellen ſich den Eindruͤcken der Gefahr entgegen, dabei kommt es natuͤrlich auf ihr Verhaͤltniß zu denſelben an. Es giebt Faͤlle wo ſie viel weiter fuͤhren als die bloße Gleichguͤltigkeit gegen die Ge-

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Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/394>, abgerufen am 23.11.2024.