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Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

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Konsequenz wieder auf das Absurdum eines absoluten
Leidens zurück.

264. Und doch besteht ein höchst wesentlicher Unter-
schied zwischen Angriff und Vertheidigung, welcher aber
auch der einzige im Prinzip ist: nämlich der daß der An-
greifende die Handlung (das Gefecht) will und ins Leben
ruft, der Vertheidiger aber dies abwartet.

265. Dies Prinzip geht durch den ganzen Krieg und
also durch das ganze Gebiet des Gefechtes durch und aus
ihm fließen ursprünglich alle Unterschiede zwischen Angriff
und Vertheidigung.

266. Wer aber eine Handlung will muß damit et-
was bezwecken und dieser Zweck muß etwas Positives
sein, weil die Absicht daß Nichts geschehe keine Hand-
lung hervorrufen könnte. Der Angreifende muß also eine
positive Absicht haben.

267. Der Sieg kann diese nicht sein, denn er ist
bloßes Mittel. Selbst in dem Falle wo man den Sieg
ganz um seiner selbst Willen suchte, der bloßen Waffen-
ehre wegen oder um in den politischen Unterhandlungen
mit seinem moralischen Gewichte zu wirken, ist immer diese
Wirkung und nicht der Sieg selbst der Zweck.

268. Die Absicht des Sieges muß der Vertheidiger
mit dem Angreifenden gemeinschaftlich haben, aber sie ent-
springt bei Beiden aus verschiedenen Quellen: bei dem
Angreifenden aus dem Zweck welchem der Sieg dienen
soll, bei dem Vertheidiger aus dem bloßen Faktum
des Gefechts. Jenem kommt sie von oben herab, diesem
bildet sie sich von unten herauf. Wer sich schlägt kann
sich nur des Sieges willen schlagen.

269. Warum schlägt sich nun der Vertheidiger, d. h.
warum nimmt er das Gefecht an? Weil er die positive

Konſequenz wieder auf das Abſurdum eines abſoluten
Leidens zuruͤck.

264. Und doch beſteht ein hoͤchſt weſentlicher Unter-
ſchied zwiſchen Angriff und Vertheidigung, welcher aber
auch der einzige im Prinzip iſt: naͤmlich der daß der An-
greifende die Handlung (das Gefecht) will und ins Leben
ruft, der Vertheidiger aber dies abwartet.

265. Dies Prinzip geht durch den ganzen Krieg und
alſo durch das ganze Gebiet des Gefechtes durch und aus
ihm fließen urſpruͤnglich alle Unterſchiede zwiſchen Angriff
und Vertheidigung.

266. Wer aber eine Handlung will muß damit et-
was bezwecken und dieſer Zweck muß etwas Poſitives
ſein, weil die Abſicht daß Nichts geſchehe keine Hand-
lung hervorrufen koͤnnte. Der Angreifende muß alſo eine
poſitive Abſicht haben.

267. Der Sieg kann dieſe nicht ſein, denn er iſt
bloßes Mittel. Selbſt in dem Falle wo man den Sieg
ganz um ſeiner ſelbſt Willen ſuchte, der bloßen Waffen-
ehre wegen oder um in den politiſchen Unterhandlungen
mit ſeinem moraliſchen Gewichte zu wirken, iſt immer dieſe
Wirkung und nicht der Sieg ſelbſt der Zweck.

268. Die Abſicht des Sieges muß der Vertheidiger
mit dem Angreifenden gemeinſchaftlich haben, aber ſie ent-
ſpringt bei Beiden aus verſchiedenen Quellen: bei dem
Angreifenden aus dem Zweck welchem der Sieg dienen
ſoll, bei dem Vertheidiger aus dem bloßen Faktum
des Gefechts. Jenem kommt ſie von oben herab, dieſem
bildet ſie ſich von unten herauf. Wer ſich ſchlaͤgt kann
ſich nur des Sieges willen ſchlagen.

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warum nimmt er das Gefecht an? Weil er die poſitive

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[329/0343] Konſequenz wieder auf das Abſurdum eines abſoluten Leidens zuruͤck. 264. Und doch beſteht ein hoͤchſt weſentlicher Unter- ſchied zwiſchen Angriff und Vertheidigung, welcher aber auch der einzige im Prinzip iſt: naͤmlich der daß der An- greifende die Handlung (das Gefecht) will und ins Leben ruft, der Vertheidiger aber dies abwartet. 265. Dies Prinzip geht durch den ganzen Krieg und alſo durch das ganze Gebiet des Gefechtes durch und aus ihm fließen urſpruͤnglich alle Unterſchiede zwiſchen Angriff und Vertheidigung. 266. Wer aber eine Handlung will muß damit et- was bezwecken und dieſer Zweck muß etwas Poſitives ſein, weil die Abſicht daß Nichts geſchehe keine Hand- lung hervorrufen koͤnnte. Der Angreifende muß alſo eine poſitive Abſicht haben. 267. Der Sieg kann dieſe nicht ſein, denn er iſt bloßes Mittel. Selbſt in dem Falle wo man den Sieg ganz um ſeiner ſelbſt Willen ſuchte, der bloßen Waffen- ehre wegen oder um in den politiſchen Unterhandlungen mit ſeinem moraliſchen Gewichte zu wirken, iſt immer dieſe Wirkung und nicht der Sieg ſelbſt der Zweck. 268. Die Abſicht des Sieges muß der Vertheidiger mit dem Angreifenden gemeinſchaftlich haben, aber ſie ent- ſpringt bei Beiden aus verſchiedenen Quellen: bei dem Angreifenden aus dem Zweck welchem der Sieg dienen ſoll, bei dem Vertheidiger aus dem bloßen Faktum des Gefechts. Jenem kommt ſie von oben herab, dieſem bildet ſie ſich von unten herauf. Wer ſich ſchlaͤgt kann ſich nur des Sieges willen ſchlagen. 269. Warum ſchlaͤgt ſich nun der Vertheidiger, d. h. warum nimmt er das Gefecht an? Weil er die poſitive

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Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/343>, abgerufen am 24.11.2024.