der ganzen Vertheidigungslinie oder im Besonderen eines einzelnen Punktes. Es bleibt also dem überlegenen, auf große Schläge ausgehenden Angreifenden immer das Mit- tel auf einem Punkt zu demonstriren und auf einem an- dern überzugehen und dann die ersten nachtheiligen Ver- hältnisse im Gefecht, welche ihn treffen können, durch die Überzahl und ein rücksichtsloses Vordringen gut zu machen, denn auch dies Letztere wird durch die Überlegenheit mög- lich gemacht. Ein eigentliches taktisches Forciren eines vertheidigten Flusses, indem man einen feindlichen Haupt- posten durch überlegenes Feuer und überlegene Tapferkeit vertreibt, kommt daher selten oder nie vor, und der Aus- druck eines gewaltsamen Überganges ist immer nur strate- gisch zu nehmen, in sofern der Angreifende durch seinen Übergang an einer gar nicht oder wenig vertheidigten Stelle, innerhalb der angeordneten Linie, alle Nachtheile, die ihm nach der Absicht des Vertheidigers aus seinem Übergang erwachsen sollen, bravirt. -- Das Schlechteste aber was der Angreifende thun kann ist ein wirklicher Übergang auf mehreren Punkten, wenn sie nicht ganz nahe bei einander liegen und ein gemeinschaftliches Schlagen gestatten; denn da der Vertheidiger nothwendig getheilt sein muß, so be- giebt der Angreifende sich durch ein Theilen seiner Kräfte seines natürlichen Vortheils. Dadurch verlor Bellegarde 1814 die Schlacht am Mincio, wo zufällig beide Armeen zugleich an verschiedenen Punkten übergingen, und die Östreicher mehr getheilt als die Franzosen.
7. Bleibt der Vertheidiger diesseit des Flusses, so versteht es sich von selbst daß es zwei Wege giebt ihn strategisch zu besiegen: entweder indem man dessenungeachtet auf irgend einem Punkt übergeht und also den Verthei- diger in demselben Mittel überbietet, oder durch eine Schlacht.
2*
der ganzen Vertheidigungslinie oder im Beſonderen eines einzelnen Punktes. Es bleibt alſo dem uͤberlegenen, auf große Schlaͤge ausgehenden Angreifenden immer das Mit- tel auf einem Punkt zu demonſtriren und auf einem an- dern uͤberzugehen und dann die erſten nachtheiligen Ver- haͤltniſſe im Gefecht, welche ihn treffen koͤnnen, durch die Überzahl und ein ruͤckſichtsloſes Vordringen gut zu machen, denn auch dies Letztere wird durch die Überlegenheit moͤg- lich gemacht. Ein eigentliches taktiſches Forciren eines vertheidigten Fluſſes, indem man einen feindlichen Haupt- poſten durch uͤberlegenes Feuer und uͤberlegene Tapferkeit vertreibt, kommt daher ſelten oder nie vor, und der Aus- druck eines gewaltſamen Überganges iſt immer nur ſtrate- giſch zu nehmen, in ſofern der Angreifende durch ſeinen Übergang an einer gar nicht oder wenig vertheidigten Stelle, innerhalb der angeordneten Linie, alle Nachtheile, die ihm nach der Abſicht des Vertheidigers aus ſeinem Übergang erwachſen ſollen, bravirt. — Das Schlechteſte aber was der Angreifende thun kann iſt ein wirklicher Übergang auf mehreren Punkten, wenn ſie nicht ganz nahe bei einander liegen und ein gemeinſchaftliches Schlagen geſtatten; denn da der Vertheidiger nothwendig getheilt ſein muß, ſo be- giebt der Angreifende ſich durch ein Theilen ſeiner Kraͤfte ſeines natuͤrlichen Vortheils. Dadurch verlor Bellegarde 1814 die Schlacht am Mincio, wo zufaͤllig beide Armeen zugleich an verſchiedenen Punkten uͤbergingen, und die Öſtreicher mehr getheilt als die Franzoſen.
7. Bleibt der Vertheidiger dieſſeit des Fluſſes, ſo verſteht es ſich von ſelbſt daß es zwei Wege giebt ihn ſtrategiſch zu beſiegen: entweder indem man deſſenungeachtet auf irgend einem Punkt uͤbergeht und alſo den Verthei- diger in demſelben Mittel uͤberbietet, oder durch eine Schlacht.
2*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0033"n="19"/>
der ganzen Vertheidigungslinie oder im Beſonderen eines<lb/>
einzelnen Punktes. Es bleibt alſo dem uͤberlegenen, auf<lb/>
große Schlaͤge ausgehenden Angreifenden immer das Mit-<lb/>
tel auf einem Punkt zu demonſtriren und auf einem an-<lb/>
dern uͤberzugehen und dann die erſten nachtheiligen Ver-<lb/>
haͤltniſſe im Gefecht, welche ihn treffen koͤnnen, durch die<lb/>
Überzahl und ein ruͤckſichtsloſes Vordringen gut zu machen,<lb/>
denn auch dies Letztere wird durch die Überlegenheit moͤg-<lb/>
lich gemacht. Ein eigentliches taktiſches Forciren eines<lb/>
vertheidigten Fluſſes, indem man einen feindlichen Haupt-<lb/>
poſten durch uͤberlegenes Feuer und uͤberlegene Tapferkeit<lb/>
vertreibt, kommt daher ſelten oder nie vor, und der Aus-<lb/>
druck eines gewaltſamen Überganges iſt immer nur ſtrate-<lb/>
giſch zu nehmen, in ſofern der Angreifende durch ſeinen<lb/>
Übergang an einer gar nicht oder wenig vertheidigten Stelle,<lb/>
innerhalb der angeordneten Linie, alle Nachtheile, die ihm<lb/>
nach der Abſicht des Vertheidigers aus ſeinem Übergang<lb/>
erwachſen ſollen, bravirt. — Das Schlechteſte aber was<lb/>
der Angreifende thun kann iſt ein wirklicher Übergang auf<lb/>
mehreren Punkten, wenn ſie nicht ganz nahe bei einander<lb/>
liegen und ein gemeinſchaftliches Schlagen geſtatten; denn<lb/>
da der Vertheidiger nothwendig getheilt ſein muß, ſo be-<lb/>
giebt der Angreifende ſich durch ein Theilen ſeiner Kraͤfte<lb/>ſeines natuͤrlichen Vortheils. Dadurch verlor Bellegarde<lb/>
1814 die Schlacht am Mincio, wo zufaͤllig beide Armeen<lb/>
zugleich an verſchiedenen Punkten uͤbergingen, und die<lb/>
Öſtreicher mehr getheilt als die Franzoſen.</p><lb/><p>7. Bleibt der Vertheidiger dieſſeit des Fluſſes, ſo<lb/>
verſteht es ſich von ſelbſt daß es zwei Wege giebt ihn<lb/>ſtrategiſch zu beſiegen: entweder indem man deſſenungeachtet<lb/>
auf irgend einem Punkt uͤbergeht und alſo den Verthei-<lb/>
diger in demſelben Mittel uͤberbietet, oder durch eine Schlacht.<lb/><fwplace="bottom"type="sig">2*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[19/0033]
der ganzen Vertheidigungslinie oder im Beſonderen eines
einzelnen Punktes. Es bleibt alſo dem uͤberlegenen, auf
große Schlaͤge ausgehenden Angreifenden immer das Mit-
tel auf einem Punkt zu demonſtriren und auf einem an-
dern uͤberzugehen und dann die erſten nachtheiligen Ver-
haͤltniſſe im Gefecht, welche ihn treffen koͤnnen, durch die
Überzahl und ein ruͤckſichtsloſes Vordringen gut zu machen,
denn auch dies Letztere wird durch die Überlegenheit moͤg-
lich gemacht. Ein eigentliches taktiſches Forciren eines
vertheidigten Fluſſes, indem man einen feindlichen Haupt-
poſten durch uͤberlegenes Feuer und uͤberlegene Tapferkeit
vertreibt, kommt daher ſelten oder nie vor, und der Aus-
druck eines gewaltſamen Überganges iſt immer nur ſtrate-
giſch zu nehmen, in ſofern der Angreifende durch ſeinen
Übergang an einer gar nicht oder wenig vertheidigten Stelle,
innerhalb der angeordneten Linie, alle Nachtheile, die ihm
nach der Abſicht des Vertheidigers aus ſeinem Übergang
erwachſen ſollen, bravirt. — Das Schlechteſte aber was
der Angreifende thun kann iſt ein wirklicher Übergang auf
mehreren Punkten, wenn ſie nicht ganz nahe bei einander
liegen und ein gemeinſchaftliches Schlagen geſtatten; denn
da der Vertheidiger nothwendig getheilt ſein muß, ſo be-
giebt der Angreifende ſich durch ein Theilen ſeiner Kraͤfte
ſeines natuͤrlichen Vortheils. Dadurch verlor Bellegarde
1814 die Schlacht am Mincio, wo zufaͤllig beide Armeen
zugleich an verſchiedenen Punkten uͤbergingen, und die
Öſtreicher mehr getheilt als die Franzoſen.
7. Bleibt der Vertheidiger dieſſeit des Fluſſes, ſo
verſteht es ſich von ſelbſt daß es zwei Wege giebt ihn
ſtrategiſch zu beſiegen: entweder indem man deſſenungeachtet
auf irgend einem Punkt uͤbergeht und alſo den Verthei-
diger in demſelben Mittel uͤberbietet, oder durch eine Schlacht.
2*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/33>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.