Vertreibung des Feindes setzen. Die Vernichtung wird zum Mittel.
55. So wie im Handgefecht ursprünglich die Ver- nichtung des Feindes der Zweck war, so ist im Feuerge- fecht ursprünglich die Vertreibung des Feindes der Zweck und die Vernichtung nur Mittel dazu. Man beschießt den Feind um ihn zu verjagen und sich das Handgefecht zu ersparen wozu man sich nicht ausgerüstet fühlt.
56. Aber die Gefahr welche das Feuergefecht bringt ist keine ganz unvermeidliche, sondern eine mehr oder we- niger wahrscheinliche; sie ist also für den sinnlichen Ein- druck des Einzelnen nicht so groß, sondern wird es erst durch die Dauer und summarische Wirkung, die keinen so sinnlichen, also keinen so unmittelbar wirksamen Eindruck macht. Darum ist nicht nothwendig einer der beiden Theile in dem Falle sich ihr zu entziehen. Hieraus folgt daß die Vertreibung des Einen nicht sogleich und in vie- len Fällen gar nicht erfolgt.
57. Ist dies der Fall, so muß in der Regel am Schlusse des Feuergefechts das Handgefecht zur Vertrei- bung gebraucht werden.
58. Dagegen wächst die Vernichtungskraft des Feuer- gefechts durch die Dauer eben so sehr, wie die des Hand- gefechts durch die schnelle Entscheidung verloren ging.
59. Daraus ist entstanden daß der generelle Zweck des Feuergefechts nicht mehr in die Vertreibung, sondern in die unmittelbare Wirkung des angewendeten Mittels gesetzt wird, nämlich in die Vernichtung, d. i. auf das Kollektiv- gefecht angewendet, in die Zerstörung oder Schwächung der feindlichen Streitkräfte gesetzt wird.
60. Hat das Handgefecht den Zweck der Vertrei- bung, das Feuergefecht den der Zerstörung der feind-
Vertreibung des Feindes ſetzen. Die Vernichtung wird zum Mittel.
55. So wie im Handgefecht urſpruͤnglich die Ver- nichtung des Feindes der Zweck war, ſo iſt im Feuerge- fecht urſpruͤnglich die Vertreibung des Feindes der Zweck und die Vernichtung nur Mittel dazu. Man beſchießt den Feind um ihn zu verjagen und ſich das Handgefecht zu erſparen wozu man ſich nicht ausgeruͤſtet fuͤhlt.
56. Aber die Gefahr welche das Feuergefecht bringt iſt keine ganz unvermeidliche, ſondern eine mehr oder we- niger wahrſcheinliche; ſie iſt alſo fuͤr den ſinnlichen Ein- druck des Einzelnen nicht ſo groß, ſondern wird es erſt durch die Dauer und ſummariſche Wirkung, die keinen ſo ſinnlichen, alſo keinen ſo unmittelbar wirkſamen Eindruck macht. Darum iſt nicht nothwendig einer der beiden Theile in dem Falle ſich ihr zu entziehen. Hieraus folgt daß die Vertreibung des Einen nicht ſogleich und in vie- len Faͤllen gar nicht erfolgt.
57. Iſt dies der Fall, ſo muß in der Regel am Schluſſe des Feuergefechts das Handgefecht zur Vertrei- bung gebraucht werden.
58. Dagegen waͤchſt die Vernichtungskraft des Feuer- gefechts durch die Dauer eben ſo ſehr, wie die des Hand- gefechts durch die ſchnelle Entſcheidung verloren ging.
59. Daraus iſt entſtanden daß der generelle Zweck des Feuergefechts nicht mehr in die Vertreibung, ſondern in die unmittelbare Wirkung des angewendeten Mittels geſetzt wird, naͤmlich in die Vernichtung, d. i. auf das Kollektiv- gefecht angewendet, in die Zerſtoͤrung oder Schwaͤchung der feindlichen Streitkraͤfte geſetzt wird.
60. Hat das Handgefecht den Zweck der Vertrei- bung, das Feuergefecht den der Zerſtoͤrung der feind-
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Vertreibung des Feindes ſetzen. Die Vernichtung wird
zum Mittel.
55. So wie im Handgefecht urſpruͤnglich die Ver-
nichtung des Feindes der Zweck war, ſo iſt im Feuerge-
fecht urſpruͤnglich die Vertreibung des Feindes der Zweck
und die Vernichtung nur Mittel dazu. Man beſchießt
den Feind um ihn zu verjagen und ſich das Handgefecht
zu erſparen wozu man ſich nicht ausgeruͤſtet fuͤhlt.
56. Aber die Gefahr welche das Feuergefecht bringt
iſt keine ganz unvermeidliche, ſondern eine mehr oder we-
niger wahrſcheinliche; ſie iſt alſo fuͤr den ſinnlichen Ein-
druck des Einzelnen nicht ſo groß, ſondern wird es erſt
durch die Dauer und ſummariſche Wirkung, die keinen ſo
ſinnlichen, alſo keinen ſo unmittelbar wirkſamen Eindruck
macht. Darum iſt nicht nothwendig einer der beiden
Theile in dem Falle ſich ihr zu entziehen. Hieraus folgt
daß die Vertreibung des Einen nicht ſogleich und in vie-
len Faͤllen gar nicht erfolgt.
57. Iſt dies der Fall, ſo muß in der Regel am
Schluſſe des Feuergefechts das Handgefecht zur Vertrei-
bung gebraucht werden.
58. Dagegen waͤchſt die Vernichtungskraft des Feuer-
gefechts durch die Dauer eben ſo ſehr, wie die des Hand-
gefechts durch die ſchnelle Entſcheidung verloren ging.
59. Daraus iſt entſtanden daß der generelle Zweck
des Feuergefechts nicht mehr in die Vertreibung, ſondern in
die unmittelbare Wirkung des angewendeten Mittels geſetzt
wird, naͤmlich in die Vernichtung, d. i. auf das Kollektiv-
gefecht angewendet, in die Zerſtoͤrung oder Schwaͤchung
der feindlichen Streitkraͤfte geſetzt wird.
60. Hat das Handgefecht den Zweck der Vertrei-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/304>, abgerufen am 05.05.2024.
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