das Nähere. -- So wie in der Vertheidigungsschlacht der Feldherr das Bedürfniß hat die Entscheidung möglichst lange hinzuhalten, Zeit zu gewinnen, weil eine unent- schiedene Vertheidigungsschlacht mit Sonnenuntergang ge- wöhnlich eine gewonnene ist: so hat der Feldherr in der Angriffsschlacht das Bedürfniß die Entscheidung zu be- schleunigen; aber von der andern Seite ist mit der Über- eilung eine große Gefahr verbunden, weil sie zur Verschwen- dung der Kräfte führt. Eine Eigenthümlichkeit der An- griffsschlacht ist in den meisten Fällen die Ungewißheit über die Lage des Gegners; sie ist ein wirkliches Hinein- tappen in unbekannte Verhältnisse. Austerlitz, Wagram, Hohenlinden, Jena, Katzbach. Je mehr sie das ist, um so mehr Vereinigung der Kräfte, um so mehr Umgehen als Umfassen. Daß die Hauptfrüchte des Sieges erst im Verfolgen errungen werden, lehrt schon das zwölfte Kapi- tel des vierten Buchs. Der Natur der Sache nach ist bei der Offensivschlacht das Verfolgen mehr ein integri- render Theil der ganzen Handlung als in der Vertheidi- gungsschlacht.
Achtes Kapitel. Flußübergänge.
1. Ein beträchtlicher Fluß welcher die Richtungslinie des Angriffs durchschneidet ist immer eine sehr unbequeme Sache für den Angreifenden; denn er ist, wenn er ihn überschritten hat, meistens auf eine Brücke eingeschränkt, und wird also, wenn er nicht dicht an demselben stehen
blei-
das Naͤhere. — So wie in der Vertheidigungsſchlacht der Feldherr das Beduͤrfniß hat die Entſcheidung moͤglichſt lange hinzuhalten, Zeit zu gewinnen, weil eine unent- ſchiedene Vertheidigungsſchlacht mit Sonnenuntergang ge- woͤhnlich eine gewonnene iſt: ſo hat der Feldherr in der Angriffsſchlacht das Beduͤrfniß die Entſcheidung zu be- ſchleunigen; aber von der andern Seite iſt mit der Über- eilung eine große Gefahr verbunden, weil ſie zur Verſchwen- dung der Kraͤfte fuͤhrt. Eine Eigenthuͤmlichkeit der An- griffsſchlacht iſt in den meiſten Faͤllen die Ungewißheit uͤber die Lage des Gegners; ſie iſt ein wirkliches Hinein- tappen in unbekannte Verhaͤltniſſe. Auſterlitz, Wagram, Hohenlinden, Jena, Katzbach. Je mehr ſie das iſt, um ſo mehr Vereinigung der Kraͤfte, um ſo mehr Umgehen als Umfaſſen. Daß die Hauptfruͤchte des Sieges erſt im Verfolgen errungen werden, lehrt ſchon das zwoͤlfte Kapi- tel des vierten Buchs. Der Natur der Sache nach iſt bei der Offenſivſchlacht das Verfolgen mehr ein integri- render Theil der ganzen Handlung als in der Vertheidi- gungsſchlacht.
Achtes Kapitel. Flußuͤbergaͤnge.
1. Ein betraͤchtlicher Fluß welcher die Richtungslinie des Angriffs durchſchneidet iſt immer eine ſehr unbequeme Sache fuͤr den Angreifenden; denn er iſt, wenn er ihn uͤberſchritten hat, meiſtens auf eine Bruͤcke eingeſchraͤnkt, und wird alſo, wenn er nicht dicht an demſelben ſtehen
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das Naͤhere. — So wie in der Vertheidigungsſchlacht der
Feldherr das Beduͤrfniß hat die Entſcheidung moͤglichſt
lange hinzuhalten, Zeit zu gewinnen, weil eine unent-
ſchiedene Vertheidigungsſchlacht mit Sonnenuntergang ge-
woͤhnlich eine gewonnene iſt: ſo hat der Feldherr in der
Angriffsſchlacht das Beduͤrfniß die Entſcheidung zu be-
ſchleunigen; aber von der andern Seite iſt mit der Über-
eilung eine große Gefahr verbunden, weil ſie zur Verſchwen-
dung der Kraͤfte fuͤhrt. Eine Eigenthuͤmlichkeit der An-
griffsſchlacht iſt in den meiſten Faͤllen die Ungewißheit
uͤber die Lage des Gegners; ſie iſt ein wirkliches Hinein-
tappen in unbekannte Verhaͤltniſſe. Auſterlitz, Wagram,
Hohenlinden, Jena, Katzbach. Je mehr ſie das iſt, um
ſo mehr Vereinigung der Kraͤfte, um ſo mehr Umgehen
als Umfaſſen. Daß die Hauptfruͤchte des Sieges erſt im
Verfolgen errungen werden, lehrt ſchon das zwoͤlfte Kapi-
tel des vierten Buchs. Der Natur der Sache nach iſt
bei der Offenſivſchlacht das Verfolgen mehr ein integri-
render Theil der ganzen Handlung als in der Vertheidi-
gungsſchlacht.
Achtes Kapitel.
Flußuͤbergaͤnge.
1. Ein betraͤchtlicher Fluß welcher die Richtungslinie
des Angriffs durchſchneidet iſt immer eine ſehr unbequeme
Sache fuͤr den Angreifenden; denn er iſt, wenn er ihn
uͤberſchritten hat, meiſtens auf eine Bruͤcke eingeſchraͤnkt,
und wird alſo, wenn er nicht dicht an demſelben ſtehen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/30>, abgerufen am 25.11.2024.
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