halb. So hat er das Übergewicht, so wird der Sieg sein und wir müssen den halb errungenen Vortheil gleich- falls fahren lassen. Lesen Ew. Königliche Hoheit die Ge- schichte der Schlachten von Regensburg und Wagram mit Aufmerksamkeit, so wird Ihnen dies als wahr und wich- tig erscheinen.
In beiden griff der Kaiser Napoleon mit seinem rechten Flügel an und suchte mit dem linken zu wider- stehen. Eben Das that der Erzherzog Karl. Aber jener that es mit aller Entschlossenheit und Energie, dieser war unentschlossen und blieb immer auf dem halben Wege ste- hen. Was er mit dem siegreichen Theile seiner Armee er- focht waren unbedeutende Vortheile, was der Kaiser Na- poleon in derselben Zeit auf dem entgegengesetzten Punkte erfocht, entscheidende.
12. Lassen Sie mich die beiden letzten Grundsätze noch einmal zusammenfassen, sie geben durch ihre Verbin- dung ein Produkt was unter allen Ursachen des Sieges in der heutigen Kriegskunst als die erste angesehen werden muß, nämlich: "Einen großen entscheidenden Zweck mit Energie und Beharrlichkeit zu verfolgen."
13. Die Gefahr im Falle des Nichtgelingens wächst dadurch, das ist wahr; aber die Vorsicht auf Unkosten des Zweckes zu vermehren ist keine Kunst, das ist eine falsche Vorsicht, wie ich schon in meinen allgemeinen Grund- sätzen gesagt habe, die der Natur des Krieges entgegen ist: für große Zwecke muß man im Kriege Großes wagen. Die rechte Vorsicht besteht darin: daß man wenn man Etwas im Kriege wagt, diejenigen Mittel die uns in der Erreichung unseres Zweckes nicht schwächen aufzusuchen und anzuwenden nicht aus Faulheit, Trägheit und Leichtsinn unterläßt. So ist die Vorsicht des Kaisers Napoleon,
halb. So hat er das Übergewicht, ſo wird der Sieg ſein und wir muͤſſen den halb errungenen Vortheil gleich- falls fahren laſſen. Leſen Ew. Koͤnigliche Hoheit die Ge- ſchichte der Schlachten von Regensburg und Wagram mit Aufmerkſamkeit, ſo wird Ihnen dies als wahr und wich- tig erſcheinen.
In beiden griff der Kaiſer Napoleon mit ſeinem rechten Fluͤgel an und ſuchte mit dem linken zu wider- ſtehen. Eben Das that der Erzherzog Karl. Aber jener that es mit aller Entſchloſſenheit und Energie, dieſer war unentſchloſſen und blieb immer auf dem halben Wege ſte- hen. Was er mit dem ſiegreichen Theile ſeiner Armee er- focht waren unbedeutende Vortheile, was der Kaiſer Na- poleon in derſelben Zeit auf dem entgegengeſetzten Punkte erfocht, entſcheidende.
12. Laſſen Sie mich die beiden letzten Grundſaͤtze noch einmal zuſammenfaſſen, ſie geben durch ihre Verbin- dung ein Produkt was unter allen Urſachen des Sieges in der heutigen Kriegskunſt als die erſte angeſehen werden muß, naͤmlich: „Einen großen entſcheidenden Zweck mit Energie und Beharrlichkeit zu verfolgen.“
13. Die Gefahr im Falle des Nichtgelingens waͤchſt dadurch, das iſt wahr; aber die Vorſicht auf Unkoſten des Zweckes zu vermehren iſt keine Kunſt, das iſt eine falſche Vorſicht, wie ich ſchon in meinen allgemeinen Grund- ſaͤtzen geſagt habe, die der Natur des Krieges entgegen iſt: fuͤr große Zwecke muß man im Kriege Großes wagen. Die rechte Vorſicht beſteht darin: daß man wenn man Etwas im Kriege wagt, diejenigen Mittel die uns in der Erreichung unſeres Zweckes nicht ſchwaͤchen aufzuſuchen und anzuwenden nicht aus Faulheit, Traͤgheit und Leichtſinn unterlaͤßt. So iſt die Vorſicht des Kaiſers Napoleon,
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halb. So hat er das Übergewicht, ſo wird der Sieg
ſein und wir muͤſſen den halb errungenen Vortheil gleich-
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Aufmerkſamkeit, ſo wird Ihnen dies als wahr und wich-
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In beiden griff der Kaiſer Napoleon mit ſeinem
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ſtehen. Eben Das that der Erzherzog Karl. Aber jener
that es mit aller Entſchloſſenheit und Energie, dieſer war
unentſchloſſen und blieb immer auf dem halben Wege ſte-
hen. Was er mit dem ſiegreichen Theile ſeiner Armee er-
focht waren unbedeutende Vortheile, was der Kaiſer Na-
poleon in derſelben Zeit auf dem entgegengeſetzten Punkte
erfocht, entſcheidende.
12. Laſſen Sie mich die beiden letzten Grundſaͤtze
noch einmal zuſammenfaſſen, ſie geben durch ihre Verbin-
dung ein Produkt was unter allen Urſachen des Sieges
in der heutigen Kriegskunſt als die erſte angeſehen werden
muß, naͤmlich: „Einen großen entſcheidenden Zweck mit
Energie und Beharrlichkeit zu verfolgen.“
13. Die Gefahr im Falle des Nichtgelingens waͤchſt
dadurch, das iſt wahr; aber die Vorſicht auf Unkoſten
des Zweckes zu vermehren iſt keine Kunſt, das iſt eine
falſche Vorſicht, wie ich ſchon in meinen allgemeinen Grund-
ſaͤtzen geſagt habe, die der Natur des Krieges entgegen
iſt: fuͤr große Zwecke muß man im Kriege Großes wagen.
Die rechte Vorſicht beſteht darin: daß man wenn man
Etwas im Kriege wagt, diejenigen Mittel die uns in der
Erreichung unſeres Zweckes nicht ſchwaͤchen aufzuſuchen und
anzuwenden nicht aus Faulheit, Traͤgheit und Leichtſinn
unterlaͤßt. So iſt die Vorſicht des Kaiſers Napoleon,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/230>, abgerufen am 23.11.2024.
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