men. Nur jenseit Paris an der Loire kann man von ihm die Bedingungen erhalten die zu Europas Ruhe nöthig sind. Nur so wird sich schnell das natürliche Verhältniß von 30,000,000 zu 75,000,000 kundthun, nicht aber wenn jenes Land, wie 150 Jahre lang geschehen ist, von Dünkirchen bis Genua mit einem Gürtel von Ar- meen umschnallt werden soll, indem man funfzigerlei ver- schiedene kleine Zwecke sich vorsetzt, wovon keiner stark genug ist die Inertie, die Friktion, die fremdartigen Ein- flüsse zu überwältigen die sich überall, besonders aber bei verbündeten Heeren erzeugen und ewig regeneriren.
Wie wenig einer solchen Anordnung die vorläufigen Anordnungen des deutschen Bundesheeres entsprechen, wird dem Leser von selbst einfallen. In diesen Einrichtungen bildet der föderative Theil Deutschlands den Kern der deutschen Macht, und Preußen und Östreich durch ihn ge- schwächt verlieren ihr natürliches Gewicht. Ein föderativer Staat ist aber im Kriege ein sehr morscher Kern; da ist keine Einheit, keine Energie, keine vernünftige Wahl des Feldherrn, keine Autorität, keine Verantwortlichkeit denkbar.
Östreich und Preußen sind die beiden natürlichen Mittelpunkte des Stoßes für das deutsche Reich, sie bil- den den Schwingungspunkt, die Stärke der Klinge, sie sind monarchische Staaten, des Krieges gewohnt, haben ihre bestimmten Interessen, Selbstständigkeit der Macht, sind vorherrschend vor den andern. Diesen natürlichen Lineamenten muß die Einrichtung folgen und nicht einer falschen Idee von Einheit, diese ist hier ganz unmöglich, und wer über dem Unmöglichen das Mögliche versäumt, der ist ein Thor.
men. Nur jenſeit Paris an der Loire kann man von ihm die Bedingungen erhalten die zu Europas Ruhe noͤthig ſind. Nur ſo wird ſich ſchnell das natuͤrliche Verhaͤltniß von 30,000,000 zu 75,000,000 kundthun, nicht aber wenn jenes Land, wie 150 Jahre lang geſchehen iſt, von Duͤnkirchen bis Genua mit einem Guͤrtel von Ar- meen umſchnallt werden ſoll, indem man funfzigerlei ver- ſchiedene kleine Zwecke ſich vorſetzt, wovon keiner ſtark genug iſt die Inertie, die Friktion, die fremdartigen Ein- fluͤſſe zu uͤberwaͤltigen die ſich uͤberall, beſonders aber bei verbuͤndeten Heeren erzeugen und ewig regeneriren.
Wie wenig einer ſolchen Anordnung die vorlaͤufigen Anordnungen des deutſchen Bundesheeres entſprechen, wird dem Leſer von ſelbſt einfallen. In dieſen Einrichtungen bildet der foͤderative Theil Deutſchlands den Kern der deutſchen Macht, und Preußen und Öſtreich durch ihn ge- ſchwaͤcht verlieren ihr natuͤrliches Gewicht. Ein foͤderativer Staat iſt aber im Kriege ein ſehr morſcher Kern; da iſt keine Einheit, keine Energie, keine vernuͤnftige Wahl des Feldherrn, keine Autoritaͤt, keine Verantwortlichkeit denkbar.
Öſtreich und Preußen ſind die beiden natuͤrlichen Mittelpunkte des Stoßes fuͤr das deutſche Reich, ſie bil- den den Schwingungspunkt, die Staͤrke der Klinge, ſie ſind monarchiſche Staaten, des Krieges gewohnt, haben ihre beſtimmten Intereſſen, Selbſtſtaͤndigkeit der Macht, ſind vorherrſchend vor den andern. Dieſen natuͤrlichen Lineamenten muß die Einrichtung folgen und nicht einer falſchen Idee von Einheit, dieſe iſt hier ganz unmoͤglich, und wer uͤber dem Unmoͤglichen das Moͤgliche verſaͤumt, der iſt ein Thor.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0216"n="202"/>
men. Nur jenſeit Paris an der Loire kann man von ihm<lb/>
die Bedingungen erhalten die zu Europas Ruhe noͤthig<lb/>ſind. Nur ſo wird ſich ſchnell das natuͤrliche Verhaͤltniß<lb/>
von 30,000,000 zu 75,000,000 kundthun, nicht aber<lb/>
wenn jenes Land, wie 150 Jahre lang geſchehen iſt,<lb/>
von Duͤnkirchen bis Genua mit einem Guͤrtel von Ar-<lb/>
meen umſchnallt werden ſoll, indem man funfzigerlei ver-<lb/>ſchiedene kleine Zwecke ſich vorſetzt, wovon keiner ſtark<lb/>
genug iſt die Inertie, die Friktion, die fremdartigen Ein-<lb/>
fluͤſſe zu uͤberwaͤltigen die ſich uͤberall, beſonders aber bei<lb/>
verbuͤndeten Heeren erzeugen und ewig regeneriren.</p><lb/><p>Wie wenig einer ſolchen Anordnung die vorlaͤufigen<lb/>
Anordnungen des deutſchen Bundesheeres entſprechen, wird<lb/>
dem Leſer von ſelbſt einfallen. In dieſen Einrichtungen<lb/>
bildet der foͤderative Theil Deutſchlands den Kern der<lb/>
deutſchen Macht, und Preußen und Öſtreich durch ihn ge-<lb/>ſchwaͤcht verlieren ihr natuͤrliches Gewicht. Ein foͤderativer<lb/>
Staat iſt aber im Kriege ein ſehr morſcher Kern; da iſt<lb/>
keine Einheit, keine Energie, keine vernuͤnftige Wahl des<lb/>
Feldherrn, keine Autoritaͤt, keine Verantwortlichkeit denkbar.</p><lb/><p>Öſtreich und Preußen ſind die beiden natuͤrlichen<lb/>
Mittelpunkte des Stoßes fuͤr das deutſche Reich, ſie bil-<lb/>
den den Schwingungspunkt, die Staͤrke der Klinge, ſie<lb/>ſind monarchiſche Staaten, des Krieges gewohnt, haben<lb/>
ihre beſtimmten Intereſſen, Selbſtſtaͤndigkeit der Macht,<lb/>ſind vorherrſchend vor den andern. Dieſen natuͤrlichen<lb/>
Lineamenten muß die Einrichtung folgen und nicht einer<lb/>
falſchen Idee von Einheit, dieſe iſt hier ganz unmoͤglich,<lb/>
und wer uͤber dem Unmoͤglichen das Moͤgliche verſaͤumt,<lb/>
der iſt ein Thor.</p></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></body></text></TEI>
[202/0216]
men. Nur jenſeit Paris an der Loire kann man von ihm
die Bedingungen erhalten die zu Europas Ruhe noͤthig
ſind. Nur ſo wird ſich ſchnell das natuͤrliche Verhaͤltniß
von 30,000,000 zu 75,000,000 kundthun, nicht aber
wenn jenes Land, wie 150 Jahre lang geſchehen iſt,
von Duͤnkirchen bis Genua mit einem Guͤrtel von Ar-
meen umſchnallt werden ſoll, indem man funfzigerlei ver-
ſchiedene kleine Zwecke ſich vorſetzt, wovon keiner ſtark
genug iſt die Inertie, die Friktion, die fremdartigen Ein-
fluͤſſe zu uͤberwaͤltigen die ſich uͤberall, beſonders aber bei
verbuͤndeten Heeren erzeugen und ewig regeneriren.
Wie wenig einer ſolchen Anordnung die vorlaͤufigen
Anordnungen des deutſchen Bundesheeres entſprechen, wird
dem Leſer von ſelbſt einfallen. In dieſen Einrichtungen
bildet der foͤderative Theil Deutſchlands den Kern der
deutſchen Macht, und Preußen und Öſtreich durch ihn ge-
ſchwaͤcht verlieren ihr natuͤrliches Gewicht. Ein foͤderativer
Staat iſt aber im Kriege ein ſehr morſcher Kern; da iſt
keine Einheit, keine Energie, keine vernuͤnftige Wahl des
Feldherrn, keine Autoritaͤt, keine Verantwortlichkeit denkbar.
Öſtreich und Preußen ſind die beiden natuͤrlichen
Mittelpunkte des Stoßes fuͤr das deutſche Reich, ſie bil-
den den Schwingungspunkt, die Staͤrke der Klinge, ſie
ſind monarchiſche Staaten, des Krieges gewohnt, haben
ihre beſtimmten Intereſſen, Selbſtſtaͤndigkeit der Macht,
ſind vorherrſchend vor den andern. Dieſen natuͤrlichen
Lineamenten muß die Einrichtung folgen und nicht einer
falſchen Idee von Einheit, dieſe iſt hier ganz unmoͤglich,
und wer uͤber dem Unmoͤglichen das Moͤgliche verſaͤumt,
der iſt ein Thor.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/216>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.