man aus dem entfernten Standpunkte überblickt hat, aus diesem nähern in Betrachtung zu ziehen. Es wird also eine Ergänzung des Gedankensystems sein, wobei nicht sel- ten Das, was vom Angriff gesagt wird, noch ein neues Licht auf die Vertheidigung wirft. So werden wir in dem Angriff meistens dieselben Gegenstände vor uns haben, die in der Vertheidigung dagewesen sind. Aber es ist nicht in unserer Ansicht und nicht in der Natur der Sache, nach Art der meisten Ingenieurlehrbücher, beim Angriffe alle positiven Werthe, welche wir in der Vertheidigung ge- funden haben, zu umgehen oder zu vernichten, und zu be- weisen daß es gegen jedes Mittel der Vertheidigung irgend ein unfehlbares Mittel des Angriffs gebe. Die Verthei- digung hat ihre Stärken und Schwächen; sind die erstern auch nicht unüberwindlich, so kosten sie doch einen unver- hältnißmäßigen Preis, und das muß von jedem Stand- punkte aus wahr bleiben oder man widerspricht sich. Fer- ner ist es nicht unsere Absicht das Widerspiel der Mittel erschöpfend durchzugehen; jedes Mittel der Vertheidigung führt zu einem Mittel des Angriffs, aber oft liegt dieses so nahe daß man nicht nöthig hat erst von dem Stand- punkte der Vertheidigung zu dem des Angriffs überzuge- hen um es gewahr zu werden; das eine ergiebt sich aus dem andern von selbst. Unsere Absicht ist bei einem je- den Gegenstande die eigenthümlichen Verhältnisse des An- griffs, insoweit sie nicht unmittelbar aus der Vertheidigung hervorgehen, anzugeben, und diese Art der Behandlung muß uns dann nothwendig auch zu manchen Kapiteln führen, die in der Vertheidigung keine korrespondirende haben.
man aus dem entfernten Standpunkte uͤberblickt hat, aus dieſem naͤhern in Betrachtung zu ziehen. Es wird alſo eine Ergaͤnzung des Gedankenſyſtems ſein, wobei nicht ſel- ten Das, was vom Angriff geſagt wird, noch ein neues Licht auf die Vertheidigung wirft. So werden wir in dem Angriff meiſtens dieſelben Gegenſtaͤnde vor uns haben, die in der Vertheidigung dageweſen ſind. Aber es iſt nicht in unſerer Anſicht und nicht in der Natur der Sache, nach Art der meiſten Ingenieurlehrbuͤcher, beim Angriffe alle poſitiven Werthe, welche wir in der Vertheidigung ge- funden haben, zu umgehen oder zu vernichten, und zu be- weiſen daß es gegen jedes Mittel der Vertheidigung irgend ein unfehlbares Mittel des Angriffs gebe. Die Verthei- digung hat ihre Staͤrken und Schwaͤchen; ſind die erſtern auch nicht unuͤberwindlich, ſo koſten ſie doch einen unver- haͤltnißmaͤßigen Preis, und das muß von jedem Stand- punkte aus wahr bleiben oder man widerſpricht ſich. Fer- ner iſt es nicht unſere Abſicht das Widerſpiel der Mittel erſchoͤpfend durchzugehen; jedes Mittel der Vertheidigung fuͤhrt zu einem Mittel des Angriffs, aber oft liegt dieſes ſo nahe daß man nicht noͤthig hat erſt von dem Stand- punkte der Vertheidigung zu dem des Angriffs uͤberzuge- hen um es gewahr zu werden; das eine ergiebt ſich aus dem andern von ſelbſt. Unſere Abſicht iſt bei einem je- den Gegenſtande die eigenthuͤmlichen Verhaͤltniſſe des An- griffs, inſoweit ſie nicht unmittelbar aus der Vertheidigung hervorgehen, anzugeben, und dieſe Art der Behandlung muß uns dann nothwendig auch zu manchen Kapiteln fuͤhren, die in der Vertheidigung keine korreſpondirende haben.
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[4/0018]
man aus dem entfernten Standpunkte uͤberblickt hat, aus
dieſem naͤhern in Betrachtung zu ziehen. Es wird alſo
eine Ergaͤnzung des Gedankenſyſtems ſein, wobei nicht ſel-
ten Das, was vom Angriff geſagt wird, noch ein neues
Licht auf die Vertheidigung wirft. So werden wir in
dem Angriff meiſtens dieſelben Gegenſtaͤnde vor uns haben,
die in der Vertheidigung dageweſen ſind. Aber es iſt nicht
in unſerer Anſicht und nicht in der Natur der Sache,
nach Art der meiſten Ingenieurlehrbuͤcher, beim Angriffe
alle poſitiven Werthe, welche wir in der Vertheidigung ge-
funden haben, zu umgehen oder zu vernichten, und zu be-
weiſen daß es gegen jedes Mittel der Vertheidigung irgend
ein unfehlbares Mittel des Angriffs gebe. Die Verthei-
digung hat ihre Staͤrken und Schwaͤchen; ſind die erſtern
auch nicht unuͤberwindlich, ſo koſten ſie doch einen unver-
haͤltnißmaͤßigen Preis, und das muß von jedem Stand-
punkte aus wahr bleiben oder man widerſpricht ſich. Fer-
ner iſt es nicht unſere Abſicht das Widerſpiel der Mittel
erſchoͤpfend durchzugehen; jedes Mittel der Vertheidigung
fuͤhrt zu einem Mittel des Angriffs, aber oft liegt dieſes
ſo nahe daß man nicht noͤthig hat erſt von dem Stand-
punkte der Vertheidigung zu dem des Angriffs uͤberzuge-
hen um es gewahr zu werden; das eine ergiebt ſich aus
dem andern von ſelbſt. Unſere Abſicht iſt bei einem je-
den Gegenſtande die eigenthuͤmlichen Verhaͤltniſſe des An-
griffs, inſoweit ſie nicht unmittelbar aus der Vertheidigung
hervorgehen, anzugeben, und dieſe Art der Behandlung muß
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/18>, abgerufen am 22.11.2024.
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