Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

man aus dem entfernten Standpunkte überblickt hat, aus
diesem nähern in Betrachtung zu ziehen. Es wird also
eine Ergänzung des Gedankensystems sein, wobei nicht sel-
ten Das, was vom Angriff gesagt wird, noch ein neues
Licht auf die Vertheidigung wirft. So werden wir in
dem Angriff meistens dieselben Gegenstände vor uns haben,
die in der Vertheidigung dagewesen sind. Aber es ist nicht
in unserer Ansicht und nicht in der Natur der Sache,
nach Art der meisten Ingenieurlehrbücher, beim Angriffe
alle positiven Werthe, welche wir in der Vertheidigung ge-
funden haben, zu umgehen oder zu vernichten, und zu be-
weisen daß es gegen jedes Mittel der Vertheidigung irgend
ein unfehlbares Mittel des Angriffs gebe. Die Verthei-
digung hat ihre Stärken und Schwächen; sind die erstern
auch nicht unüberwindlich, so kosten sie doch einen unver-
hältnißmäßigen Preis, und das muß von jedem Stand-
punkte aus wahr bleiben oder man widerspricht sich. Fer-
ner ist es nicht unsere Absicht das Widerspiel der Mittel
erschöpfend durchzugehen; jedes Mittel der Vertheidigung
führt zu einem Mittel des Angriffs, aber oft liegt dieses
so nahe daß man nicht nöthig hat erst von dem Stand-
punkte der Vertheidigung zu dem des Angriffs überzuge-
hen um es gewahr zu werden; das eine ergiebt sich aus
dem andern von selbst. Unsere Absicht ist bei einem je-
den Gegenstande die eigenthümlichen Verhältnisse des An-
griffs, insoweit sie nicht unmittelbar aus der Vertheidigung
hervorgehen, anzugeben, und diese Art der Behandlung muß
uns dann nothwendig auch zu manchen Kapiteln führen, die
in der Vertheidigung keine korrespondirende haben.


man aus dem entfernten Standpunkte uͤberblickt hat, aus
dieſem naͤhern in Betrachtung zu ziehen. Es wird alſo
eine Ergaͤnzung des Gedankenſyſtems ſein, wobei nicht ſel-
ten Das, was vom Angriff geſagt wird, noch ein neues
Licht auf die Vertheidigung wirft. So werden wir in
dem Angriff meiſtens dieſelben Gegenſtaͤnde vor uns haben,
die in der Vertheidigung dageweſen ſind. Aber es iſt nicht
in unſerer Anſicht und nicht in der Natur der Sache,
nach Art der meiſten Ingenieurlehrbuͤcher, beim Angriffe
alle poſitiven Werthe, welche wir in der Vertheidigung ge-
funden haben, zu umgehen oder zu vernichten, und zu be-
weiſen daß es gegen jedes Mittel der Vertheidigung irgend
ein unfehlbares Mittel des Angriffs gebe. Die Verthei-
digung hat ihre Staͤrken und Schwaͤchen; ſind die erſtern
auch nicht unuͤberwindlich, ſo koſten ſie doch einen unver-
haͤltnißmaͤßigen Preis, und das muß von jedem Stand-
punkte aus wahr bleiben oder man widerſpricht ſich. Fer-
ner iſt es nicht unſere Abſicht das Widerſpiel der Mittel
erſchoͤpfend durchzugehen; jedes Mittel der Vertheidigung
fuͤhrt zu einem Mittel des Angriffs, aber oft liegt dieſes
ſo nahe daß man nicht noͤthig hat erſt von dem Stand-
punkte der Vertheidigung zu dem des Angriffs uͤberzuge-
hen um es gewahr zu werden; das eine ergiebt ſich aus
dem andern von ſelbſt. Unſere Abſicht iſt bei einem je-
den Gegenſtande die eigenthuͤmlichen Verhaͤltniſſe des An-
griffs, inſoweit ſie nicht unmittelbar aus der Vertheidigung
hervorgehen, anzugeben, und dieſe Art der Behandlung muß
uns dann nothwendig auch zu manchen Kapiteln fuͤhren, die
in der Vertheidigung keine korreſpondirende haben.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0018" n="4"/>
man aus dem entfernten Standpunkte u&#x0364;berblickt hat, aus<lb/>
die&#x017F;em na&#x0364;hern in Betrachtung zu ziehen. Es wird al&#x017F;o<lb/>
eine Erga&#x0364;nzung des Gedanken&#x017F;y&#x017F;tems &#x017F;ein, wobei nicht &#x017F;el-<lb/>
ten Das, was vom Angriff ge&#x017F;agt wird, noch ein neues<lb/>
Licht auf die Vertheidigung wirft. So werden wir in<lb/>
dem Angriff mei&#x017F;tens die&#x017F;elben Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde vor uns haben,<lb/>
die in der Vertheidigung dagewe&#x017F;en &#x017F;ind. Aber es i&#x017F;t nicht<lb/>
in un&#x017F;erer An&#x017F;icht und nicht in der Natur der Sache,<lb/>
nach Art der mei&#x017F;ten Ingenieurlehrbu&#x0364;cher, beim Angriffe<lb/>
alle po&#x017F;itiven Werthe, welche wir in der Vertheidigung ge-<lb/>
funden haben, zu umgehen oder zu vernichten, und zu be-<lb/>
wei&#x017F;en daß es gegen jedes Mittel der Vertheidigung irgend<lb/>
ein unfehlbares Mittel des Angriffs gebe. Die Verthei-<lb/>
digung hat ihre Sta&#x0364;rken und Schwa&#x0364;chen; &#x017F;ind die er&#x017F;tern<lb/>
auch nicht unu&#x0364;berwindlich, &#x017F;o ko&#x017F;ten &#x017F;ie doch einen unver-<lb/>
ha&#x0364;ltnißma&#x0364;ßigen Preis, und das muß von jedem Stand-<lb/>
punkte aus wahr bleiben oder man wider&#x017F;pricht &#x017F;ich. Fer-<lb/>
ner i&#x017F;t es nicht un&#x017F;ere Ab&#x017F;icht das Wider&#x017F;piel der Mittel<lb/>
er&#x017F;cho&#x0364;pfend durchzugehen; jedes Mittel der Vertheidigung<lb/>
fu&#x0364;hrt zu einem Mittel des Angriffs, aber oft liegt die&#x017F;es<lb/>
&#x017F;o nahe daß man nicht no&#x0364;thig hat er&#x017F;t von dem Stand-<lb/>
punkte der Vertheidigung zu dem des Angriffs u&#x0364;berzuge-<lb/>
hen um es gewahr zu werden; das eine ergiebt &#x017F;ich aus<lb/>
dem andern von &#x017F;elb&#x017F;t. Un&#x017F;ere Ab&#x017F;icht i&#x017F;t bei einem je-<lb/>
den Gegen&#x017F;tande die eigenthu&#x0364;mlichen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e des An-<lb/>
griffs, in&#x017F;oweit &#x017F;ie nicht unmittelbar aus der Vertheidigung<lb/>
hervorgehen, anzugeben, und die&#x017F;e Art der Behandlung muß<lb/>
uns dann nothwendig auch zu manchen Kapiteln fu&#x0364;hren, die<lb/>
in der Vertheidigung keine korre&#x017F;pondirende haben.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[4/0018] man aus dem entfernten Standpunkte uͤberblickt hat, aus dieſem naͤhern in Betrachtung zu ziehen. Es wird alſo eine Ergaͤnzung des Gedankenſyſtems ſein, wobei nicht ſel- ten Das, was vom Angriff geſagt wird, noch ein neues Licht auf die Vertheidigung wirft. So werden wir in dem Angriff meiſtens dieſelben Gegenſtaͤnde vor uns haben, die in der Vertheidigung dageweſen ſind. Aber es iſt nicht in unſerer Anſicht und nicht in der Natur der Sache, nach Art der meiſten Ingenieurlehrbuͤcher, beim Angriffe alle poſitiven Werthe, welche wir in der Vertheidigung ge- funden haben, zu umgehen oder zu vernichten, und zu be- weiſen daß es gegen jedes Mittel der Vertheidigung irgend ein unfehlbares Mittel des Angriffs gebe. Die Verthei- digung hat ihre Staͤrken und Schwaͤchen; ſind die erſtern auch nicht unuͤberwindlich, ſo koſten ſie doch einen unver- haͤltnißmaͤßigen Preis, und das muß von jedem Stand- punkte aus wahr bleiben oder man widerſpricht ſich. Fer- ner iſt es nicht unſere Abſicht das Widerſpiel der Mittel erſchoͤpfend durchzugehen; jedes Mittel der Vertheidigung fuͤhrt zu einem Mittel des Angriffs, aber oft liegt dieſes ſo nahe daß man nicht noͤthig hat erſt von dem Stand- punkte der Vertheidigung zu dem des Angriffs uͤberzuge- hen um es gewahr zu werden; das eine ergiebt ſich aus dem andern von ſelbſt. Unſere Abſicht iſt bei einem je- den Gegenſtande die eigenthuͤmlichen Verhaͤltniſſe des An- griffs, inſoweit ſie nicht unmittelbar aus der Vertheidigung hervorgehen, anzugeben, und dieſe Art der Behandlung muß uns dann nothwendig auch zu manchen Kapiteln fuͤhren, die in der Vertheidigung keine korreſpondirende haben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/18
Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/18>, abgerufen am 22.11.2024.