Diese Ansicht von einer Eroberung des feindlichen Staates ist sehr natürlich und würde Nichts gegen sich haben, wenn nicht der Vertheidigungszustand, welcher dem Angriff folgen muß, häufig Bedenken erregen könnte.
In dem Kapitel vom Kulminationspunkt des Sieges haben wir hinreichend auseinandergesetzt, auf welche Weise eine solche Offensive die Streitkräfte schwächt, und daß ihr ein Zustand folgen kann der gefährliche Folgen besor- gen läßt.
Diese Schwächung unserer Streitkraft durch die Er- oberung eines feindlichen Landstrichs hat ihre Grade, und diese hängen am meisten von der geographischen Lage eines solchen Landstrichs ab. Je mehr er ein Supplement unse- rer eigenen Länder ist, innerhalb derselben liegt oder sich an ihnen hinzieht, je mehr er in der Richtung der Haupt- kräfte liegt, um so weniger wird er unsere Streitkraft schwächen. Sachsen, im siebenjährigen Kriege, war ein na- türliches Supplement des preußischen Kriegstheaters, und die Streitkraft Friedrichs des Großen wurde durch die Besetzung desselben nicht bloß nicht vermindert sondern verstärkt, weil es Schlesien näher liegt als der Mark und diese doch zugleich deckt.
Selbst Schlesien, nachdem Friedrich der Große im Jahr 1740 und 1741 es einmal erobert hatte, schwächte seine Streitkräfte nicht, denn seiner Gestalt und Lage so wie der Beschaffenheit seiner Grenze nach bot es den Östreichern nur eine schmale Spitze dar, so lange sie nicht Meister von Sachsen waren, und dieser schmale Punkt des Contactes lag ohnehin noch in der Richtung welche die gegenseitigen Hauptstöße nehmen mußten.
Wenn dagegen der eroberte Landstrich sich mitten zwischen die andern feindlichen Provinzen hineinstreckt, eine
Dieſe Anſicht von einer Eroberung des feindlichen Staates iſt ſehr natuͤrlich und wuͤrde Nichts gegen ſich haben, wenn nicht der Vertheidigungszuſtand, welcher dem Angriff folgen muß, haͤufig Bedenken erregen koͤnnte.
In dem Kapitel vom Kulminationspunkt des Sieges haben wir hinreichend auseinandergeſetzt, auf welche Weiſe eine ſolche Offenſive die Streitkraͤfte ſchwaͤcht, und daß ihr ein Zuſtand folgen kann der gefaͤhrliche Folgen beſor- gen laͤßt.
Dieſe Schwaͤchung unſerer Streitkraft durch die Er- oberung eines feindlichen Landſtrichs hat ihre Grade, und dieſe haͤngen am meiſten von der geographiſchen Lage eines ſolchen Landſtrichs ab. Je mehr er ein Supplement unſe- rer eigenen Laͤnder iſt, innerhalb derſelben liegt oder ſich an ihnen hinzieht, je mehr er in der Richtung der Haupt- kraͤfte liegt, um ſo weniger wird er unſere Streitkraft ſchwaͤchen. Sachſen, im ſiebenjaͤhrigen Kriege, war ein na- tuͤrliches Supplement des preußiſchen Kriegstheaters, und die Streitkraft Friedrichs des Großen wurde durch die Beſetzung deſſelben nicht bloß nicht vermindert ſondern verſtaͤrkt, weil es Schleſien naͤher liegt als der Mark und dieſe doch zugleich deckt.
Selbſt Schleſien, nachdem Friedrich der Große im Jahr 1740 und 1741 es einmal erobert hatte, ſchwaͤchte ſeine Streitkraͤfte nicht, denn ſeiner Geſtalt und Lage ſo wie der Beſchaffenheit ſeiner Grenze nach bot es den Öſtreichern nur eine ſchmale Spitze dar, ſo lange ſie nicht Meiſter von Sachſen waren, und dieſer ſchmale Punkt des Contactes lag ohnehin noch in der Richtung welche die gegenſeitigen Hauptſtoͤße nehmen mußten.
Wenn dagegen der eroberte Landſtrich ſich mitten zwiſchen die andern feindlichen Provinzen hineinſtreckt, eine
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0165"n="151"/><p>Dieſe Anſicht von einer Eroberung des feindlichen<lb/>
Staates iſt ſehr natuͤrlich und wuͤrde Nichts gegen ſich<lb/>
haben, wenn nicht der Vertheidigungszuſtand, welcher dem<lb/>
Angriff folgen muß, haͤufig Bedenken erregen koͤnnte.</p><lb/><p>In dem Kapitel vom Kulminationspunkt des Sieges<lb/>
haben wir hinreichend auseinandergeſetzt, auf welche Weiſe<lb/>
eine ſolche Offenſive die Streitkraͤfte ſchwaͤcht, und daß<lb/>
ihr ein Zuſtand folgen kann der gefaͤhrliche Folgen beſor-<lb/>
gen laͤßt.</p><lb/><p>Dieſe Schwaͤchung unſerer Streitkraft durch die Er-<lb/>
oberung eines feindlichen Landſtrichs hat ihre Grade, und<lb/>
dieſe haͤngen am meiſten von der geographiſchen Lage eines<lb/>ſolchen Landſtrichs ab. Je mehr er ein Supplement unſe-<lb/>
rer eigenen Laͤnder iſt, innerhalb derſelben liegt oder ſich<lb/>
an ihnen hinzieht, je mehr er in der Richtung der Haupt-<lb/>
kraͤfte liegt, um ſo weniger wird er unſere Streitkraft<lb/>ſchwaͤchen. Sachſen, im ſiebenjaͤhrigen Kriege, war ein na-<lb/>
tuͤrliches Supplement des preußiſchen Kriegstheaters, und<lb/>
die Streitkraft Friedrichs des Großen wurde durch die<lb/>
Beſetzung deſſelben nicht bloß nicht vermindert ſondern<lb/>
verſtaͤrkt, weil es Schleſien naͤher liegt als der Mark und<lb/>
dieſe doch zugleich deckt.</p><lb/><p>Selbſt Schleſien, nachdem Friedrich der Große im<lb/>
Jahr 1740 und 1741 es einmal erobert hatte, ſchwaͤchte<lb/>ſeine Streitkraͤfte nicht, denn ſeiner Geſtalt und Lage ſo<lb/>
wie der Beſchaffenheit ſeiner Grenze nach bot es den<lb/>
Öſtreichern nur eine ſchmale Spitze dar, ſo lange ſie nicht<lb/>
Meiſter von Sachſen waren, und dieſer ſchmale Punkt<lb/>
des Contactes lag ohnehin noch in der Richtung welche<lb/>
die gegenſeitigen Hauptſtoͤße nehmen mußten.</p><lb/><p>Wenn dagegen der eroberte Landſtrich ſich mitten<lb/>
zwiſchen die andern feindlichen Provinzen hineinſtreckt, eine<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[151/0165]
Dieſe Anſicht von einer Eroberung des feindlichen
Staates iſt ſehr natuͤrlich und wuͤrde Nichts gegen ſich
haben, wenn nicht der Vertheidigungszuſtand, welcher dem
Angriff folgen muß, haͤufig Bedenken erregen koͤnnte.
In dem Kapitel vom Kulminationspunkt des Sieges
haben wir hinreichend auseinandergeſetzt, auf welche Weiſe
eine ſolche Offenſive die Streitkraͤfte ſchwaͤcht, und daß
ihr ein Zuſtand folgen kann der gefaͤhrliche Folgen beſor-
gen laͤßt.
Dieſe Schwaͤchung unſerer Streitkraft durch die Er-
oberung eines feindlichen Landſtrichs hat ihre Grade, und
dieſe haͤngen am meiſten von der geographiſchen Lage eines
ſolchen Landſtrichs ab. Je mehr er ein Supplement unſe-
rer eigenen Laͤnder iſt, innerhalb derſelben liegt oder ſich
an ihnen hinzieht, je mehr er in der Richtung der Haupt-
kraͤfte liegt, um ſo weniger wird er unſere Streitkraft
ſchwaͤchen. Sachſen, im ſiebenjaͤhrigen Kriege, war ein na-
tuͤrliches Supplement des preußiſchen Kriegstheaters, und
die Streitkraft Friedrichs des Großen wurde durch die
Beſetzung deſſelben nicht bloß nicht vermindert ſondern
verſtaͤrkt, weil es Schleſien naͤher liegt als der Mark und
dieſe doch zugleich deckt.
Selbſt Schleſien, nachdem Friedrich der Große im
Jahr 1740 und 1741 es einmal erobert hatte, ſchwaͤchte
ſeine Streitkraͤfte nicht, denn ſeiner Geſtalt und Lage ſo
wie der Beſchaffenheit ſeiner Grenze nach bot es den
Öſtreichern nur eine ſchmale Spitze dar, ſo lange ſie nicht
Meiſter von Sachſen waren, und dieſer ſchmale Punkt
des Contactes lag ohnehin noch in der Richtung welche
die gegenſeitigen Hauptſtoͤße nehmen mußten.
Wenn dagegen der eroberte Landſtrich ſich mitten
zwiſchen die andern feindlichen Provinzen hineinſtreckt, eine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/165>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.