Daß die Politik alle Interessen der inneren Ver- waltung, auch die der Menschlichkeit und was sonst der philosophische Verstand zur Sprache bringen könnte, in sich vereinigt und ausgleicht, wird vorausgesetzt; denn die Politik ist ja Nichts an sich, sondern ein bloßer Sachwal- ter aller dieser Interessen gegen andere Staaten. Daß sie eine falsche Richtung haben, dem Ehrgeiz, dem Privat- interesse, der Eitelkeit der Regierenden vorzugsweise dienen kann, gehört nicht hierher; denn in keinem Fall ist es die Kriegskunst welche als ihr Präceptor betrachtet werden kann, und wir können hier die Politik nur als Repräsen- tanten aller Interessen der ganzen Gesellschaft betrachten.
Die Frage bleibt also nur: ob bei Kriegsentwürfen der politische Standpunkt dem rein militärischen (wenn ein solcher überhaupt denkbar wäre) weichen, d. h. ganz verschwinden oder sich ihm unterordnen, oder ob er der herrschende bleiben und der militärische ihm untergeordnet werden müsse.
Daß der politische Gesichtspunkt mit dem Kriege ganz aufhören sollte, würde nur denkbar sein, wenn die Kriege aus bloßer Feindschaft Kämpfe auf Leben und Tod wären; wie sie sind, sind sie nichts als Äußerungen der Politik selbst, wie wir oben gezeigt haben. Das Unterord- nen des politischen Gesichtspunktes unter den militäri- schen wäre widersinnig, denn die Politik hat den Krieg erzeugt; sie ist die Intelligenz, der Krieg aber bloß das Instrument, und nicht umgekehrt. Es bleibt also nur das Unterordnen des militärischen Gesichtspunktes unter den politischen möglich.
Denken wir an die Natur des wirklichen Krieges, erinnern wir uns des im dritten Kapitel dieses Buches Gesagten: daß jeder Krieg vor allen Dingen nach
Daß die Politik alle Intereſſen der inneren Ver- waltung, auch die der Menſchlichkeit und was ſonſt der philoſophiſche Verſtand zur Sprache bringen koͤnnte, in ſich vereinigt und ausgleicht, wird vorausgeſetzt; denn die Politik iſt ja Nichts an ſich, ſondern ein bloßer Sachwal- ter aller dieſer Intereſſen gegen andere Staaten. Daß ſie eine falſche Richtung haben, dem Ehrgeiz, dem Privat- intereſſe, der Eitelkeit der Regierenden vorzugsweiſe dienen kann, gehoͤrt nicht hierher; denn in keinem Fall iſt es die Kriegskunſt welche als ihr Praͤceptor betrachtet werden kann, und wir koͤnnen hier die Politik nur als Repraͤſen- tanten aller Intereſſen der ganzen Geſellſchaft betrachten.
Die Frage bleibt alſo nur: ob bei Kriegsentwuͤrfen der politiſche Standpunkt dem rein militaͤriſchen (wenn ein ſolcher uͤberhaupt denkbar waͤre) weichen, d. h. ganz verſchwinden oder ſich ihm unterordnen, oder ob er der herrſchende bleiben und der militaͤriſche ihm untergeordnet werden muͤſſe.
Daß der politiſche Geſichtspunkt mit dem Kriege ganz aufhoͤren ſollte, wuͤrde nur denkbar ſein, wenn die Kriege aus bloßer Feindſchaft Kaͤmpfe auf Leben und Tod waͤren; wie ſie ſind, ſind ſie nichts als Äußerungen der Politik ſelbſt, wie wir oben gezeigt haben. Das Unterord- nen des politiſchen Geſichtspunktes unter den militaͤri- ſchen waͤre widerſinnig, denn die Politik hat den Krieg erzeugt; ſie iſt die Intelligenz, der Krieg aber bloß das Inſtrument, und nicht umgekehrt. Es bleibt alſo nur das Unterordnen des militaͤriſchen Geſichtspunktes unter den politiſchen moͤglich.
Denken wir an die Natur des wirklichen Krieges, erinnern wir uns des im dritten Kapitel dieſes Buches Geſagten: daß jeder Krieg vor allen Dingen nach
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Daß die Politik alle Intereſſen der inneren Ver-
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ſich vereinigt und ausgleicht, wird vorausgeſetzt; denn die
Politik iſt ja Nichts an ſich, ſondern ein bloßer Sachwal-
ter aller dieſer Intereſſen gegen andere Staaten. Daß
ſie eine falſche Richtung haben, dem Ehrgeiz, dem Privat-
intereſſe, der Eitelkeit der Regierenden vorzugsweiſe dienen
kann, gehoͤrt nicht hierher; denn in keinem Fall iſt es die
Kriegskunſt welche als ihr Praͤceptor betrachtet werden
kann, und wir koͤnnen hier die Politik nur als Repraͤſen-
tanten aller Intereſſen der ganzen Geſellſchaft betrachten.
Die Frage bleibt alſo nur: ob bei Kriegsentwuͤrfen
der politiſche Standpunkt dem rein militaͤriſchen (wenn
ein ſolcher uͤberhaupt denkbar waͤre) weichen, d. h. ganz
verſchwinden oder ſich ihm unterordnen, oder ob er der
herrſchende bleiben und der militaͤriſche ihm untergeordnet
werden muͤſſe.
Daß der politiſche Geſichtspunkt mit dem Kriege
ganz aufhoͤren ſollte, wuͤrde nur denkbar ſein, wenn die
Kriege aus bloßer Feindſchaft Kaͤmpfe auf Leben und Tod
waͤren; wie ſie ſind, ſind ſie nichts als Äußerungen der
Politik ſelbſt, wie wir oben gezeigt haben. Das Unterord-
nen des politiſchen Geſichtspunktes unter den militaͤri-
ſchen waͤre widerſinnig, denn die Politik hat den Krieg
erzeugt; ſie iſt die Intelligenz, der Krieg aber bloß das
Inſtrument, und nicht umgekehrt. Es bleibt alſo nur das
Unterordnen des militaͤriſchen Geſichtspunktes unter den
politiſchen moͤglich.
Denken wir an die Natur des wirklichen Krieges,
erinnern wir uns des im dritten Kapitel dieſes Buches
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/157>, abgerufen am 25.11.2024.
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