Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

behrlich wenn wir bedenken daß der wirkliche Krieg kein
so konsequentes auf das Äußerste gerichtetes Bestreben ist,
wie er seinem Begriff nach sein sollte, sondern ein Halb-
ding, ein Widerspruch in sich; daß er als solcher nicht sei-
nen eigenen Gesetzen folgen kann, sondern als Theil eines
andern Ganzen betrachtet werden muß, -- und dieses
Ganze ist die Politik.

Die Politik, indem sie sich des Krieges bedient, weicht
allen strengen Folgerungen aus, welche aus seiner Natur
hervorgehn, bekümmert sich wenig um die endlichen Mög-
lichkeiten und hält sich nur an die nächsten Wahrschein-
lichkeiten. Kommt dadurch viel Ungewißheit in den ganzen
Handel, wird er also zu einer Art Spiel, so hegt die
Politik eines jeden Kabinets zu sich das Vertrauen es dem
Gegner in Gewandtheit und Scharfsicht bei diesem Spiel
zuvorzuthun.

So macht also die Politik aus dem Alles überwälti-
genden Element des Krieges ein bloßes Instrument; aus
dem furchtbaren Schlachtschwert, was mit beiden Händen
und ganzer Leibeskraft aufgehoben sein will, um damit
einmal und nicht mehr zuzuschlagen, einen leichten handlichen
Degen, der zuweilen selbst zum Rapier wird und mit dem
sie Stöße, Finten und Paraden abwechseln läßt.

So lösen sich die Widersprüche in welche der Krieg
den von Natur furchtsamen Menschen verwickelt, wenn
man dies für eine Lösung gelten lassen will.

Gehört der Krieg der Politik an, so wird er ihren
Charakter annehmen. Sobald sie großartiger und mäch-
tiger wird, so wird es auch der Krieg, und das kann bis
zu der Höhe steigen wo der Krieg zu seiner absoluten Ge-
stalt gelangt.

Wir haben also bei dieser Vorstellungsart nicht nöthig,

behrlich wenn wir bedenken daß der wirkliche Krieg kein
ſo konſequentes auf das Äußerſte gerichtetes Beſtreben iſt,
wie er ſeinem Begriff nach ſein ſollte, ſondern ein Halb-
ding, ein Widerſpruch in ſich; daß er als ſolcher nicht ſei-
nen eigenen Geſetzen folgen kann, ſondern als Theil eines
andern Ganzen betrachtet werden muß, — und dieſes
Ganze iſt die Politik.

Die Politik, indem ſie ſich des Krieges bedient, weicht
allen ſtrengen Folgerungen aus, welche aus ſeiner Natur
hervorgehn, bekuͤmmert ſich wenig um die endlichen Moͤg-
lichkeiten und haͤlt ſich nur an die naͤchſten Wahrſchein-
lichkeiten. Kommt dadurch viel Ungewißheit in den ganzen
Handel, wird er alſo zu einer Art Spiel, ſo hegt die
Politik eines jeden Kabinets zu ſich das Vertrauen es dem
Gegner in Gewandtheit und Scharfſicht bei dieſem Spiel
zuvorzuthun.

So macht alſo die Politik aus dem Alles uͤberwaͤlti-
genden Element des Krieges ein bloßes Inſtrument; aus
dem furchtbaren Schlachtſchwert, was mit beiden Haͤnden
und ganzer Leibeskraft aufgehoben ſein will, um damit
einmal und nicht mehr zuzuſchlagen, einen leichten handlichen
Degen, der zuweilen ſelbſt zum Rapier wird und mit dem
ſie Stoͤße, Finten und Paraden abwechſeln laͤßt.

So loͤſen ſich die Widerſpruͤche in welche der Krieg
den von Natur furchtſamen Menſchen verwickelt, wenn
man dies fuͤr eine Loͤſung gelten laſſen will.

Gehoͤrt der Krieg der Politik an, ſo wird er ihren
Charakter annehmen. Sobald ſie großartiger und maͤch-
tiger wird, ſo wird es auch der Krieg, und das kann bis
zu der Hoͤhe ſteigen wo der Krieg zu ſeiner abſoluten Ge-
ſtalt gelangt.

Wir haben alſo bei dieſer Vorſtellungsart nicht noͤthig,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0155" n="141"/>
behrlich wenn wir bedenken daß der wirkliche Krieg kein<lb/>
&#x017F;o kon&#x017F;equentes auf das Äußer&#x017F;te gerichtetes Be&#x017F;treben i&#x017F;t,<lb/>
wie er &#x017F;einem Begriff nach &#x017F;ein &#x017F;ollte, &#x017F;ondern ein Halb-<lb/>
ding, ein Wider&#x017F;pruch in &#x017F;ich; daß er als &#x017F;olcher nicht &#x017F;ei-<lb/>
nen eigenen Ge&#x017F;etzen folgen kann, &#x017F;ondern als Theil eines<lb/>
andern Ganzen betrachtet werden muß, &#x2014; und die&#x017F;es<lb/>
Ganze i&#x017F;t die Politik.</p><lb/>
          <p>Die Politik, indem &#x017F;ie &#x017F;ich des Krieges bedient, weicht<lb/>
allen &#x017F;trengen Folgerungen aus, welche aus &#x017F;einer Natur<lb/>
hervorgehn, beku&#x0364;mmert &#x017F;ich wenig um die endlichen Mo&#x0364;g-<lb/>
lichkeiten und ha&#x0364;lt &#x017F;ich nur an die na&#x0364;ch&#x017F;ten Wahr&#x017F;chein-<lb/>
lichkeiten. Kommt dadurch viel Ungewißheit in den ganzen<lb/>
Handel, wird er al&#x017F;o zu einer Art Spiel, &#x017F;o hegt die<lb/>
Politik eines jeden Kabinets zu &#x017F;ich das Vertrauen es dem<lb/>
Gegner in Gewandtheit und Scharf&#x017F;icht bei die&#x017F;em Spiel<lb/>
zuvorzuthun.</p><lb/>
          <p>So macht al&#x017F;o die Politik aus dem Alles u&#x0364;berwa&#x0364;lti-<lb/>
genden Element des Krieges ein bloßes In&#x017F;trument; aus<lb/>
dem furchtbaren Schlacht&#x017F;chwert, was mit beiden Ha&#x0364;nden<lb/>
und ganzer Leibeskraft aufgehoben &#x017F;ein will, um damit<lb/>
einmal und nicht mehr zuzu&#x017F;chlagen, einen leichten handlichen<lb/>
Degen, der zuweilen &#x017F;elb&#x017F;t zum Rapier wird und mit dem<lb/>
&#x017F;ie Sto&#x0364;ße, Finten und Paraden abwech&#x017F;eln la&#x0364;ßt.</p><lb/>
          <p>So lo&#x0364;&#x017F;en &#x017F;ich die Wider&#x017F;pru&#x0364;che in welche der Krieg<lb/>
den von Natur furcht&#x017F;amen Men&#x017F;chen verwickelt, wenn<lb/>
man dies fu&#x0364;r eine Lo&#x0364;&#x017F;ung gelten la&#x017F;&#x017F;en will.</p><lb/>
          <p>Geho&#x0364;rt der Krieg der Politik an, &#x017F;o wird er ihren<lb/>
Charakter annehmen. Sobald &#x017F;ie großartiger und ma&#x0364;ch-<lb/>
tiger wird, &#x017F;o wird es auch der Krieg, und das kann bis<lb/>
zu der Ho&#x0364;he &#x017F;teigen wo der Krieg zu &#x017F;einer ab&#x017F;oluten Ge-<lb/>
&#x017F;talt gelangt.</p><lb/>
          <p>Wir haben al&#x017F;o bei die&#x017F;er Vor&#x017F;tellungsart nicht no&#x0364;thig,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[141/0155] behrlich wenn wir bedenken daß der wirkliche Krieg kein ſo konſequentes auf das Äußerſte gerichtetes Beſtreben iſt, wie er ſeinem Begriff nach ſein ſollte, ſondern ein Halb- ding, ein Widerſpruch in ſich; daß er als ſolcher nicht ſei- nen eigenen Geſetzen folgen kann, ſondern als Theil eines andern Ganzen betrachtet werden muß, — und dieſes Ganze iſt die Politik. Die Politik, indem ſie ſich des Krieges bedient, weicht allen ſtrengen Folgerungen aus, welche aus ſeiner Natur hervorgehn, bekuͤmmert ſich wenig um die endlichen Moͤg- lichkeiten und haͤlt ſich nur an die naͤchſten Wahrſchein- lichkeiten. Kommt dadurch viel Ungewißheit in den ganzen Handel, wird er alſo zu einer Art Spiel, ſo hegt die Politik eines jeden Kabinets zu ſich das Vertrauen es dem Gegner in Gewandtheit und Scharfſicht bei dieſem Spiel zuvorzuthun. So macht alſo die Politik aus dem Alles uͤberwaͤlti- genden Element des Krieges ein bloßes Inſtrument; aus dem furchtbaren Schlachtſchwert, was mit beiden Haͤnden und ganzer Leibeskraft aufgehoben ſein will, um damit einmal und nicht mehr zuzuſchlagen, einen leichten handlichen Degen, der zuweilen ſelbſt zum Rapier wird und mit dem ſie Stoͤße, Finten und Paraden abwechſeln laͤßt. So loͤſen ſich die Widerſpruͤche in welche der Krieg den von Natur furchtſamen Menſchen verwickelt, wenn man dies fuͤr eine Loͤſung gelten laſſen will. Gehoͤrt der Krieg der Politik an, ſo wird er ihren Charakter annehmen. Sobald ſie großartiger und maͤch- tiger wird, ſo wird es auch der Krieg, und das kann bis zu der Hoͤhe ſteigen wo der Krieg zu ſeiner abſoluten Ge- ſtalt gelangt. Wir haben alſo bei dieſer Vorſtellungsart nicht noͤthig,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/155
Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/155>, abgerufen am 25.11.2024.