daß sie aber eben den Charakter der Zeit und der allge- meinen Verhältnisse an sich tragen werden, endlich daß sie den allgemeinen Folgerungen welche aus der Natur des Krieges gezogen werden müssen, un- terworfen bleiben.
Viertes Kapitel. Nähere Bestimmungen des kriegerischen Ziels. Niederwerfung des Feindes.
Das Ziel des Krieges sollte nach seinem Begriff stets die Niederwerfung des Gegners sein; dies ist die Grundvorstellung von der wir ausgehen.
Was ist nun diese Niederwerfung? Nicht immer ist die ganze Eroberung des feindlichen Staates dazu nö- thig. Wäre man im Jahre 1792 nach Paris gekommen, so war, nach aller menschlichen Wahrscheinlichkeit, der Krieg mit der Revolutionsparthei vor der Hand geendigt; es war nicht einmal nöthig ihre Heere vorher zu schlagen, denn diese Heere waren noch nicht als einzige Potenz zu betrachten. Im Jahre 1814 hingegen würde man auch mit Paris nicht Alles erreicht haben, sobald Bonaparte noch an der Spitze eines beträchtlichen Heeres geblieben wäre; da aber sein Heer größtentheils aufgerieben war, so entschied auch in den Jahren 1814 und 1815 die Ein- nahme von Paris Alles. Hätte Bonaparte im Jahre 1812 das russische Heer von 120,000 Mann, welches auf der Straße von Caluga stand, vor oder nach der Einnahme von Moskau gehörig zertrümmern können, wie er 1805 das östreichische und 1806 das preußische Heer zertrümmert
daß ſie aber eben den Charakter der Zeit und der allge- meinen Verhaͤltniſſe an ſich tragen werden, endlich daß ſie den allgemeinen Folgerungen welche aus der Natur des Krieges gezogen werden muͤſſen, un- terworfen bleiben.
Viertes Kapitel. Naͤhere Beſtimmungen des kriegeriſchen Ziels. Niederwerfung des Feindes.
Das Ziel des Krieges ſollte nach ſeinem Begriff ſtets die Niederwerfung des Gegners ſein; dies iſt die Grundvorſtellung von der wir ausgehen.
Was iſt nun dieſe Niederwerfung? Nicht immer iſt die ganze Eroberung des feindlichen Staates dazu noͤ- thig. Waͤre man im Jahre 1792 nach Paris gekommen, ſo war, nach aller menſchlichen Wahrſcheinlichkeit, der Krieg mit der Revolutionsparthei vor der Hand geendigt; es war nicht einmal noͤthig ihre Heere vorher zu ſchlagen, denn dieſe Heere waren noch nicht als einzige Potenz zu betrachten. Im Jahre 1814 hingegen wuͤrde man auch mit Paris nicht Alles erreicht haben, ſobald Bonaparte noch an der Spitze eines betraͤchtlichen Heeres geblieben waͤre; da aber ſein Heer groͤßtentheils aufgerieben war, ſo entſchied auch in den Jahren 1814 und 1815 die Ein- nahme von Paris Alles. Haͤtte Bonaparte im Jahre 1812 das ruſſiſche Heer von 120,000 Mann, welches auf der Straße von Caluga ſtand, vor oder nach der Einnahme von Moskau gehoͤrig zertruͤmmern koͤnnen, wie er 1805 das oͤſtreichiſche und 1806 das preußiſche Heer zertruͤmmert
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0135"n="121"/>
daß ſie aber eben den Charakter der Zeit und der allge-<lb/>
meinen Verhaͤltniſſe an ſich tragen werden, endlich daß ſie<lb/>
den <hirendition="#g">allgemeinen Folgerungen welche aus der<lb/>
Natur des Krieges gezogen werden muͤſſen, un-<lb/>
terworfen bleiben</hi>.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head><hirendition="#g">Viertes Kapitel.<lb/>
Naͤhere Beſtimmungen des kriegeriſchen Ziels.<lb/>
Niederwerfung des Feindes</hi>.</head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Das Ziel des Krieges ſollte nach ſeinem Begriff<lb/>ſtets die Niederwerfung des Gegners ſein; dies iſt die<lb/>
Grundvorſtellung von der wir ausgehen.</p><lb/><p>Was iſt nun dieſe Niederwerfung? Nicht immer<lb/>
iſt die ganze Eroberung des feindlichen Staates dazu noͤ-<lb/>
thig. Waͤre man im Jahre 1792 nach Paris gekommen,<lb/>ſo war, nach aller menſchlichen Wahrſcheinlichkeit, der Krieg<lb/>
mit der Revolutionsparthei vor der Hand geendigt; es<lb/>
war nicht einmal noͤthig ihre Heere vorher zu ſchlagen,<lb/>
denn dieſe Heere waren noch nicht als einzige Potenz zu<lb/>
betrachten. Im Jahre 1814 hingegen wuͤrde man auch<lb/>
mit Paris nicht Alles erreicht haben, ſobald Bonaparte<lb/>
noch an der Spitze eines betraͤchtlichen Heeres geblieben<lb/>
waͤre; da aber ſein Heer groͤßtentheils aufgerieben war,<lb/>ſo entſchied auch in den Jahren 1814 und 1815 die Ein-<lb/>
nahme von Paris Alles. Haͤtte Bonaparte im Jahre 1812<lb/>
das ruſſiſche Heer von 120,000 Mann, welches auf der<lb/>
Straße von Caluga ſtand, vor oder nach der Einnahme<lb/>
von Moskau gehoͤrig zertruͤmmern koͤnnen, wie er 1805<lb/>
das oͤſtreichiſche und 1806 das preußiſche Heer zertruͤmmert<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[121/0135]
daß ſie aber eben den Charakter der Zeit und der allge-
meinen Verhaͤltniſſe an ſich tragen werden, endlich daß ſie
den allgemeinen Folgerungen welche aus der
Natur des Krieges gezogen werden muͤſſen, un-
terworfen bleiben.
Viertes Kapitel.
Naͤhere Beſtimmungen des kriegeriſchen Ziels.
Niederwerfung des Feindes.
Das Ziel des Krieges ſollte nach ſeinem Begriff
ſtets die Niederwerfung des Gegners ſein; dies iſt die
Grundvorſtellung von der wir ausgehen.
Was iſt nun dieſe Niederwerfung? Nicht immer
iſt die ganze Eroberung des feindlichen Staates dazu noͤ-
thig. Waͤre man im Jahre 1792 nach Paris gekommen,
ſo war, nach aller menſchlichen Wahrſcheinlichkeit, der Krieg
mit der Revolutionsparthei vor der Hand geendigt; es
war nicht einmal noͤthig ihre Heere vorher zu ſchlagen,
denn dieſe Heere waren noch nicht als einzige Potenz zu
betrachten. Im Jahre 1814 hingegen wuͤrde man auch
mit Paris nicht Alles erreicht haben, ſobald Bonaparte
noch an der Spitze eines betraͤchtlichen Heeres geblieben
waͤre; da aber ſein Heer groͤßtentheils aufgerieben war,
ſo entſchied auch in den Jahren 1814 und 1815 die Ein-
nahme von Paris Alles. Haͤtte Bonaparte im Jahre 1812
das ruſſiſche Heer von 120,000 Mann, welches auf der
Straße von Caluga ſtand, vor oder nach der Einnahme
von Moskau gehoͤrig zertruͤmmern koͤnnen, wie er 1805
das oͤſtreichiſche und 1806 das preußiſche Heer zertruͤmmert
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/135>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.