So war also das kriegerische Element, von allen kon- ventionellen Schranken befreit, mit seiner ganzen natürlichen Kraft losgebrochen. Die Ursache war die Theilnahme welche den Völkern an dieser großen Staatsangelegenheit wurde; und diese Theilnahme entsprang theils aus den Verhältnissen welche die französische Revolution in dem Innern der Länder herbeigeführt hatte, theils aus der Gefahr womit alle Völker von dem französischen bedroht waren.
Ob es nun immer so bleiben wird, ob alle künftigen Kriege in Europa immer mit dem ganzen Gewicht der Staaten und folglich nur um große, den Völkern nahe liegende Interessen geführt sein werden oder ob nach und nach wieder eine Absonderung der Regierung von dem Volke eintreten wird, dürfte schwer zu entscheiden sein und am wenigsten wollen wir uns eine solche Entscheidung anmaßen. Aber man wird uns Recht geben wenn wir sagen daß Schranken, die gewissermaßen nur in der Be- wußtlosigkeit dessen was möglich sei lagen, wenn sie einmal eingerissen sind, sich nicht leicht wieder aufbauen lassen, und daß, wenigstens jedesmal so oft ein großes Interesse zur Sprache kommt, die gegenseitige Feindschaft sich auf die Art erledigen wird wie es in unsern Tagen geschehen ist.
Wir schließen hier unsern geschichtlichen Überblick, den wir nicht angestellt haben um für jede Zeit in der Geschwindigkeit ein Paar Grundsätze der Kriegführung anzugeben, sondern nur um zu zeigen wie jede Zeit ihre eigenen Kriege, ihre eigenen beschränkenden Bedingungen, ihre eigene Befangenheit hatte. Jede würde also auch ihre eigene Kriegstheorie behalten, selbst wenn man überall, früh und spät, aufgelegt gewesen wäre sie nach philosophi- schen Grundsätzen zu bearbeiten. Die Begebenheiten jeder Zeit
So war alſo das kriegeriſche Element, von allen kon- ventionellen Schranken befreit, mit ſeiner ganzen natuͤrlichen Kraft losgebrochen. Die Urſache war die Theilnahme welche den Voͤlkern an dieſer großen Staatsangelegenheit wurde; und dieſe Theilnahme entſprang theils aus den Verhaͤltniſſen welche die franzoͤſiſche Revolution in dem Innern der Laͤnder herbeigefuͤhrt hatte, theils aus der Gefahr womit alle Voͤlker von dem franzoͤſiſchen bedroht waren.
Ob es nun immer ſo bleiben wird, ob alle kuͤnftigen Kriege in Europa immer mit dem ganzen Gewicht der Staaten und folglich nur um große, den Voͤlkern nahe liegende Intereſſen gefuͤhrt ſein werden oder ob nach und nach wieder eine Abſonderung der Regierung von dem Volke eintreten wird, duͤrfte ſchwer zu entſcheiden ſein und am wenigſten wollen wir uns eine ſolche Entſcheidung anmaßen. Aber man wird uns Recht geben wenn wir ſagen daß Schranken, die gewiſſermaßen nur in der Be- wußtloſigkeit deſſen was moͤglich ſei lagen, wenn ſie einmal eingeriſſen ſind, ſich nicht leicht wieder aufbauen laſſen, und daß, wenigſtens jedesmal ſo oft ein großes Intereſſe zur Sprache kommt, die gegenſeitige Feindſchaft ſich auf die Art erledigen wird wie es in unſern Tagen geſchehen iſt.
Wir ſchließen hier unſern geſchichtlichen Überblick, den wir nicht angeſtellt haben um fuͤr jede Zeit in der Geſchwindigkeit ein Paar Grundſaͤtze der Kriegfuͤhrung anzugeben, ſondern nur um zu zeigen wie jede Zeit ihre eigenen Kriege, ihre eigenen beſchraͤnkenden Bedingungen, ihre eigene Befangenheit hatte. Jede wuͤrde alſo auch ihre eigene Kriegstheorie behalten, ſelbſt wenn man uͤberall, fruͤh und ſpaͤt, aufgelegt geweſen waͤre ſie nach philoſophi- ſchen Grundſaͤtzen zu bearbeiten. Die Begebenheiten jeder Zeit
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So war alſo das kriegeriſche Element, von allen kon-
ventionellen Schranken befreit, mit ſeiner ganzen natuͤrlichen
Kraft losgebrochen. Die Urſache war die Theilnahme
welche den Voͤlkern an dieſer großen Staatsangelegenheit
wurde; und dieſe Theilnahme entſprang theils aus den
Verhaͤltniſſen welche die franzoͤſiſche Revolution in dem
Innern der Laͤnder herbeigefuͤhrt hatte, theils aus der
Gefahr womit alle Voͤlker von dem franzoͤſiſchen bedroht
waren.
Ob es nun immer ſo bleiben wird, ob alle kuͤnftigen
Kriege in Europa immer mit dem ganzen Gewicht der
Staaten und folglich nur um große, den Voͤlkern nahe
liegende Intereſſen gefuͤhrt ſein werden oder ob nach
und nach wieder eine Abſonderung der Regierung von dem
Volke eintreten wird, duͤrfte ſchwer zu entſcheiden ſein
und am wenigſten wollen wir uns eine ſolche Entſcheidung
anmaßen. Aber man wird uns Recht geben wenn wir
ſagen daß Schranken, die gewiſſermaßen nur in der Be-
wußtloſigkeit deſſen was moͤglich ſei lagen, wenn ſie einmal
eingeriſſen ſind, ſich nicht leicht wieder aufbauen laſſen, und
daß, wenigſtens jedesmal ſo oft ein großes Intereſſe zur
Sprache kommt, die gegenſeitige Feindſchaft ſich auf die
Art erledigen wird wie es in unſern Tagen geſchehen iſt.
Wir ſchließen hier unſern geſchichtlichen Überblick,
den wir nicht angeſtellt haben um fuͤr jede Zeit in der
Geſchwindigkeit ein Paar Grundſaͤtze der Kriegfuͤhrung
anzugeben, ſondern nur um zu zeigen wie jede Zeit ihre
eigenen Kriege, ihre eigenen beſchraͤnkenden Bedingungen,
ihre eigene Befangenheit hatte. Jede wuͤrde alſo auch
ihre eigene Kriegstheorie behalten, ſelbſt wenn man uͤberall,
fruͤh und ſpaͤt, aufgelegt geweſen waͤre ſie nach philoſophi-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/133>, abgerufen am 24.11.2024.
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