ganze Reihe der aufeinander folgenden Gefechte steht *), wegen des Kulminationspunktes, den jeder Sieg hat, über welchen hinaus das Gebiet der Verluste und Nieder- lagen angeht **), wegen aller dieser natürlichen Verhält- nisse des Krieges, sage ich, giebt es nur einen Erfolg, nämlich den Enderfolg. Bis dahin ist Nichts entschieden, Nichts gewonnen, Nichts verloren. Hier ist es, wo man sich unaufhörlich sagen muß: das Ende krönt das Werk. In dieser Vorstellung ist also der Krieg ein untheilbares Ganze, dessen Glieder (die einzelnen Erfolge) nur Werth haben in Beziehung auf dies Ganze. Die Eroberung von Moskau und von halb Rußland 1812 hatte für Bona- parte nur Werth, wenn sie ihm den beabsichtigten Frieden verschaffte. Sie war aber nur ein Stück seines Feldzugs- plans und diesem fehlte noch ein Theil, nämlich die Zertrümmerung des russischen Heeres; denkt man sich diese zu den übrigen Erfolgen hinzu, so war der Friede so ge- wiß, wie Dinge der Art werden können. Diesen zweiten Theil konnte Bonaparte nicht mehr erringen, weil er ihn früher versäumt hatte, und so wurde ihm der ganze erste Theil nicht bloß unnütz, sondern verderblich. --
Dieser Vorstellung von dem Zusammenhange der Erfolge im Kriege, welche man als eine äußerste betrach- ten kann, steht eine andere äußerste gegenüber, nach welcher derselbe aus einzelnen für sich bestehenden Erfolgen zusam- mengesetzt ist, bei denen, wie im Spiel bei den Partien, die vorhergehenden keinen Einfluß auf die nachfolgenden haben. Hier kommt es also nur auf die Summe der
*)Zweites Kapitel des ersten Buches.
**)Viertes und fünftes Kapitel des siebenten Buches (vom Kulminationspunkt des Sieges.)
ganze Reihe der aufeinander folgenden Gefechte ſteht *), wegen des Kulminationspunktes, den jeder Sieg hat, uͤber welchen hinaus das Gebiet der Verluſte und Nieder- lagen angeht **), wegen aller dieſer natuͤrlichen Verhaͤlt- niſſe des Krieges, ſage ich, giebt es nur einen Erfolg, naͤmlich den Enderfolg. Bis dahin iſt Nichts entſchieden, Nichts gewonnen, Nichts verloren. Hier iſt es, wo man ſich unaufhoͤrlich ſagen muß: das Ende kroͤnt das Werk. In dieſer Vorſtellung iſt alſo der Krieg ein untheilbares Ganze, deſſen Glieder (die einzelnen Erfolge) nur Werth haben in Beziehung auf dies Ganze. Die Eroberung von Moskau und von halb Rußland 1812 hatte fuͤr Bona- parte nur Werth, wenn ſie ihm den beabſichtigten Frieden verſchaffte. Sie war aber nur ein Stuͤck ſeines Feldzugs- plans und dieſem fehlte noch ein Theil, naͤmlich die Zertruͤmmerung des ruſſiſchen Heeres; denkt man ſich dieſe zu den uͤbrigen Erfolgen hinzu, ſo war der Friede ſo ge- wiß, wie Dinge der Art werden koͤnnen. Dieſen zweiten Theil konnte Bonaparte nicht mehr erringen, weil er ihn fruͤher verſaͤumt hatte, und ſo wurde ihm der ganze erſte Theil nicht bloß unnuͤtz, ſondern verderblich. —
Dieſer Vorſtellung von dem Zuſammenhange der Erfolge im Kriege, welche man als eine aͤußerſte betrach- ten kann, ſteht eine andere aͤußerſte gegenuͤber, nach welcher derſelbe aus einzelnen fuͤr ſich beſtehenden Erfolgen zuſam- mengeſetzt iſt, bei denen, wie im Spiel bei den Partien, die vorhergehenden keinen Einfluß auf die nachfolgenden haben. Hier kommt es alſo nur auf die Summe der
*)Zweites Kapitel des erſten Buches.
**)Viertes und fünftes Kapitel des ſiebenten Buches (vom Kulminationspunkt des Sieges.)
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[98/0112]
ganze Reihe der aufeinander folgenden Gefechte ſteht *),
wegen des Kulminationspunktes, den jeder Sieg hat,
uͤber welchen hinaus das Gebiet der Verluſte und Nieder-
lagen angeht **), wegen aller dieſer natuͤrlichen Verhaͤlt-
niſſe des Krieges, ſage ich, giebt es nur einen Erfolg,
naͤmlich den Enderfolg. Bis dahin iſt Nichts entſchieden,
Nichts gewonnen, Nichts verloren. Hier iſt es, wo man
ſich unaufhoͤrlich ſagen muß: das Ende kroͤnt das Werk.
In dieſer Vorſtellung iſt alſo der Krieg ein untheilbares
Ganze, deſſen Glieder (die einzelnen Erfolge) nur Werth
haben in Beziehung auf dies Ganze. Die Eroberung
von Moskau und von halb Rußland 1812 hatte fuͤr Bona-
parte nur Werth, wenn ſie ihm den beabſichtigten Frieden
verſchaffte. Sie war aber nur ein Stuͤck ſeines Feldzugs-
plans und dieſem fehlte noch ein Theil, naͤmlich die
Zertruͤmmerung des ruſſiſchen Heeres; denkt man ſich dieſe
zu den uͤbrigen Erfolgen hinzu, ſo war der Friede ſo ge-
wiß, wie Dinge der Art werden koͤnnen. Dieſen zweiten
Theil konnte Bonaparte nicht mehr erringen, weil er ihn
fruͤher verſaͤumt hatte, und ſo wurde ihm der ganze erſte
Theil nicht bloß unnuͤtz, ſondern verderblich. —
Dieſer Vorſtellung von dem Zuſammenhange der
Erfolge im Kriege, welche man als eine aͤußerſte betrach-
ten kann, ſteht eine andere aͤußerſte gegenuͤber, nach welcher
derſelbe aus einzelnen fuͤr ſich beſtehenden Erfolgen zuſam-
mengeſetzt iſt, bei denen, wie im Spiel bei den Partien,
die vorhergehenden keinen Einfluß auf die nachfolgenden
haben. Hier kommt es alſo nur auf die Summe der
*) Zweites Kapitel des erſten Buches.
**) Viertes und fünftes Kapitel des ſiebenten Buches (vom
Kulminationspunkt des Sieges.)
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/112>, abgerufen am 24.11.2024.
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