Richtungen gegeben, der Umfang der Mittel, das Maaß der Energie bestimmt, und er äußert seinen Einfluß bis in die kleinsten Glieder der Handlung hinab.
Wir haben im ersten Kapitel gesagt, daß die Nieder- werfung des Gegners das natürliche Ziel des kriegerischen Aktes sei, und daß, wenn man bei der philosophischen Strenge des Begriffs stehen bleiben will, es im Grunde ein anderes nicht geben könne.
Da diese Vorstellung von beiden kriegführenden Thei- len gedacht werden muß, so würde daraus folgen, daß es im kriegerischen Akt keinen Stillstand geben und nicht eher Ruhe eintreten könne, bis einer der beiden Theile wirklich niedergeworfen sei.
In dem Kapitel von dem Stillstand im kriegerischen Akt haben wir gezeigt wie das bloße Prinzip der Feind- schaft auf den Träger desselben, den Menschen und alle Umstände angewendet, aus denen es den Krieg zusammen- setzt, aus inneren Gründen der Maschine einen Aufenthalt und eine Ermäßigung erleidet.
Aber diese Modifikation ist lange nicht hinreichend um uns von dem ursprünglichen Begriff des Krieges zu der konkreten Gestalt desselben, wie wir sie fast überall finden, überzuführen. Die meisten Kriege erscheinen nur wie eine gegenseitige Entrüstung, wobei Jeder zu den Waffen greift, um sich selbst zu schützen und dem Andern Furcht einzuflößen, und -- gelegentlich ihm einen Streich beizubringen. Es sind also nicht zwei sich einander zerstö- rende Elemente die zusammengebracht sind, sondern es sind Spannungen noch getrennter Elemente, die sich in einzel- nen kleinen Schlägen entladen.
Welches ist nun aber die nicht leitende Scheidewand, die das totale Entladen verhindert? Warum geschieht der
Richtungen gegeben, der Umfang der Mittel, das Maaß der Energie beſtimmt, und er aͤußert ſeinen Einfluß bis in die kleinſten Glieder der Handlung hinab.
Wir haben im erſten Kapitel geſagt, daß die Nieder- werfung des Gegners das natuͤrliche Ziel des kriegeriſchen Aktes ſei, und daß, wenn man bei der philoſophiſchen Strenge des Begriffs ſtehen bleiben will, es im Grunde ein anderes nicht geben koͤnne.
Da dieſe Vorſtellung von beiden kriegfuͤhrenden Thei- len gedacht werden muß, ſo wuͤrde daraus folgen, daß es im kriegeriſchen Akt keinen Stillſtand geben und nicht eher Ruhe eintreten koͤnne, bis einer der beiden Theile wirklich niedergeworfen ſei.
In dem Kapitel von dem Stillſtand im kriegeriſchen Akt haben wir gezeigt wie das bloße Prinzip der Feind- ſchaft auf den Traͤger deſſelben, den Menſchen und alle Umſtaͤnde angewendet, aus denen es den Krieg zuſammen- ſetzt, aus inneren Gruͤnden der Maſchine einen Aufenthalt und eine Ermaͤßigung erleidet.
Aber dieſe Modifikation iſt lange nicht hinreichend um uns von dem urſpruͤnglichen Begriff des Krieges zu der konkreten Geſtalt deſſelben, wie wir ſie faſt uͤberall finden, uͤberzufuͤhren. Die meiſten Kriege erſcheinen nur wie eine gegenſeitige Entruͤſtung, wobei Jeder zu den Waffen greift, um ſich ſelbſt zu ſchuͤtzen und dem Andern Furcht einzufloͤßen, und — gelegentlich ihm einen Streich beizubringen. Es ſind alſo nicht zwei ſich einander zerſtoͤ- rende Elemente die zuſammengebracht ſind, ſondern es ſind Spannungen noch getrennter Elemente, die ſich in einzel- nen kleinen Schlaͤgen entladen.
Welches iſt nun aber die nicht leitende Scheidewand, die das totale Entladen verhindert? Warum geſchieht der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0107"n="93"/>
Richtungen gegeben, der Umfang der Mittel, das Maaß<lb/>
der Energie beſtimmt, und er aͤußert ſeinen Einfluß bis<lb/>
in die kleinſten Glieder der Handlung hinab.</p><lb/><p>Wir haben im erſten Kapitel geſagt, daß die Nieder-<lb/>
werfung des Gegners das natuͤrliche Ziel des kriegeriſchen<lb/>
Aktes ſei, und daß, wenn man bei der philoſophiſchen<lb/>
Strenge des Begriffs ſtehen bleiben will, es im Grunde<lb/>
ein anderes nicht geben koͤnne.</p><lb/><p>Da dieſe Vorſtellung von beiden kriegfuͤhrenden Thei-<lb/>
len gedacht werden muß, ſo wuͤrde daraus folgen, daß es<lb/>
im kriegeriſchen Akt keinen Stillſtand geben und nicht<lb/>
eher Ruhe eintreten koͤnne, bis einer der beiden Theile<lb/>
wirklich niedergeworfen ſei.</p><lb/><p>In dem Kapitel von dem Stillſtand im kriegeriſchen<lb/>
Akt haben wir gezeigt wie das bloße Prinzip der Feind-<lb/>ſchaft auf den Traͤger deſſelben, den Menſchen und alle<lb/>
Umſtaͤnde angewendet, aus denen es den Krieg zuſammen-<lb/>ſetzt, aus inneren Gruͤnden der Maſchine einen Aufenthalt<lb/>
und eine Ermaͤßigung erleidet.</p><lb/><p>Aber dieſe Modifikation iſt lange nicht hinreichend<lb/>
um uns von dem urſpruͤnglichen Begriff des Krieges zu<lb/>
der konkreten Geſtalt deſſelben, wie wir ſie faſt uͤberall<lb/>
finden, uͤberzufuͤhren. Die meiſten Kriege erſcheinen nur<lb/>
wie eine gegenſeitige Entruͤſtung, wobei Jeder zu den<lb/>
Waffen greift, um ſich ſelbſt zu ſchuͤtzen und dem Andern<lb/>
Furcht einzufloͤßen, und — gelegentlich ihm einen Streich<lb/>
beizubringen. Es ſind alſo nicht zwei ſich einander zerſtoͤ-<lb/>
rende Elemente die zuſammengebracht ſind, ſondern es ſind<lb/>
Spannungen noch getrennter Elemente, die ſich in einzel-<lb/>
nen kleinen Schlaͤgen entladen.</p><lb/><p>Welches iſt nun aber die nicht leitende Scheidewand,<lb/>
die das totale Entladen verhindert? Warum geſchieht der<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[93/0107]
Richtungen gegeben, der Umfang der Mittel, das Maaß
der Energie beſtimmt, und er aͤußert ſeinen Einfluß bis
in die kleinſten Glieder der Handlung hinab.
Wir haben im erſten Kapitel geſagt, daß die Nieder-
werfung des Gegners das natuͤrliche Ziel des kriegeriſchen
Aktes ſei, und daß, wenn man bei der philoſophiſchen
Strenge des Begriffs ſtehen bleiben will, es im Grunde
ein anderes nicht geben koͤnne.
Da dieſe Vorſtellung von beiden kriegfuͤhrenden Thei-
len gedacht werden muß, ſo wuͤrde daraus folgen, daß es
im kriegeriſchen Akt keinen Stillſtand geben und nicht
eher Ruhe eintreten koͤnne, bis einer der beiden Theile
wirklich niedergeworfen ſei.
In dem Kapitel von dem Stillſtand im kriegeriſchen
Akt haben wir gezeigt wie das bloße Prinzip der Feind-
ſchaft auf den Traͤger deſſelben, den Menſchen und alle
Umſtaͤnde angewendet, aus denen es den Krieg zuſammen-
ſetzt, aus inneren Gruͤnden der Maſchine einen Aufenthalt
und eine Ermaͤßigung erleidet.
Aber dieſe Modifikation iſt lange nicht hinreichend
um uns von dem urſpruͤnglichen Begriff des Krieges zu
der konkreten Geſtalt deſſelben, wie wir ſie faſt uͤberall
finden, uͤberzufuͤhren. Die meiſten Kriege erſcheinen nur
wie eine gegenſeitige Entruͤſtung, wobei Jeder zu den
Waffen greift, um ſich ſelbſt zu ſchuͤtzen und dem Andern
Furcht einzufloͤßen, und — gelegentlich ihm einen Streich
beizubringen. Es ſind alſo nicht zwei ſich einander zerſtoͤ-
rende Elemente die zuſammengebracht ſind, ſondern es ſind
Spannungen noch getrennter Elemente, die ſich in einzel-
nen kleinen Schlaͤgen entladen.
Welches iſt nun aber die nicht leitende Scheidewand,
die das totale Entladen verhindert? Warum geſchieht der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/107>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.