genugsam untersucht zu haben *). Viele halten eine Sorte, die sie besitzen, schon bey ihrer Aehnlichkeit mit der ächten, für die wahre, weil sie solche aus einer be- rühmten Stadt, oder aus dem Garten eines Freundes, oder berühmten Mannes erhalten haben.
Was nun aber die Classification der Bir- nen betrifft, so hat die Eintheilung derselben nach Fa- milien, außer etlichen, unüberwindliche Schwierigkeiten. Verlassen uns schon bey den meisten Aepfeln die Fami- liencharactere, so ist solches bey der zahlreichen Menge der Birnen noch weit mehr der Fall, und ich habe nach vielen Versuchen und Prüfungen, und nach reifer Ueber- legung befunden, daß, -- zumal für ein solch gemisch- tes Publicum, als die Pomologie hat, -- keine bessere und gemäßere Classification der Birnen seye, als nach ihrem innern Gehalt und Beschaffenheit, nach welcher
*) Es ist bisweilen nöthig, vier, ja sechs Bäume von einer Sorte aus verschiedenen Gärten und Baumschulen zu erziehen, (das freylich nur füglich durch Zwergbäume oder Scherben- bäumchen geschehen kann,) ehe man über eine streitige Sorte einen Schiedsrichterlichen Ausspruch thun will. -- Wir lernen nie aus. Es ist daher ekelhaft, und verräth einen lächerlichen Stolz, wenn ein Pomologe in seinen Schriften, -- ob sie auch übrigens viel lehrreiches haben, -- von seiner anmaßlichen Höhe auf andere herabsiehet, sie anzuzapfen und zu verkleinern sucht, und lauter Machtsprüche thut. Und gesetzt! er habe in einem und dem andern Recht, so heißt es bey einem, wie dem andern: Unser Wissen ist Stückwerk, und Irren ist menschlich! --
Claſſification der Birnen.
genugſam unterſucht zu haben *). Viele halten eine Sorte, die ſie beſitzen, ſchon bey ihrer Aehnlichkeit mit der ächten, für die wahre, weil ſie ſolche aus einer be- rühmten Stadt, oder aus dem Garten eines Freundes, oder berühmten Mannes erhalten haben.
Was nun aber die Claſſification der Bir- nen betrifft, ſo hat die Eintheilung derſelben nach Fa- milien, außer etlichen, unüberwindliche Schwierigkeiten. Verlaſſen uns ſchon bey den meiſten Aepfeln die Fami- liencharactere, ſo iſt ſolches bey der zahlreichen Menge der Birnen noch weit mehr der Fall, und ich habe nach vielen Verſuchen und Prüfungen, und nach reifer Ueber- legung befunden, daß, — zumal für ein ſolch gemiſch- tes Publicum, als die Pomologie hat, — keine beſſere und gemäßere Claſſification der Birnen ſeye, als nach ihrem innern Gehalt und Beſchaffenheit, nach welcher
*) Es iſt bisweilen nöthig, vier, ja ſechs Bäume von einer Sorte aus verſchiedenen Gärten und Baumſchulen zu erziehen, (das freylich nur füglich durch Zwergbäume oder Scherben- bäumchen geſchehen kann,) ehe man über eine ſtreitige Sorte einen Schiedsrichterlichen Ausſpruch thun will. — Wir lernen nie aus. Es iſt daher ekelhaft, und verräth einen lächerlichen Stolz, wenn ein Pomologe in ſeinen Schriften, — ob ſie auch übrigens viel lehrreiches haben, — von ſeiner anmaßlichen Höhe auf andere herabſiehet, ſie anzuzapfen und zu verkleinern ſucht, und lauter Machtſprüche thut. Und geſetzt! er habe in einem und dem andern Recht, ſo heißt es bey einem, wie dem andern: Unſer Wiſſen iſt Stückwerk, und Irren iſt menſchlich! —
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Claſſification der Birnen.
genugſam unterſucht zu haben *). Viele halten eine
Sorte, die ſie beſitzen, ſchon bey ihrer Aehnlichkeit mit
der ächten, für die wahre, weil ſie ſolche aus einer be-
rühmten Stadt, oder aus dem Garten eines Freundes,
oder berühmten Mannes erhalten haben.
Was nun aber die Claſſification der Bir-
nen betrifft, ſo hat die Eintheilung derſelben nach Fa-
milien, außer etlichen, unüberwindliche Schwierigkeiten.
Verlaſſen uns ſchon bey den meiſten Aepfeln die Fami-
liencharactere, ſo iſt ſolches bey der zahlreichen Menge
der Birnen noch weit mehr der Fall, und ich habe nach
vielen Verſuchen und Prüfungen, und nach reifer Ueber-
legung befunden, daß, — zumal für ein ſolch gemiſch-
tes Publicum, als die Pomologie hat, — keine beſſere
und gemäßere Claſſification der Birnen ſeye, als nach
ihrem innern Gehalt und Beſchaffenheit, nach welcher
*) Es iſt bisweilen nöthig, vier, ja ſechs Bäume von einer
Sorte aus verſchiedenen Gärten und Baumſchulen zu erziehen,
(das freylich nur füglich durch Zwergbäume oder Scherben-
bäumchen geſchehen kann,) ehe man über eine ſtreitige Sorte
einen Schiedsrichterlichen Ausſpruch thun will. — Wir lernen
nie aus.
Es iſt daher ekelhaft, und verräth einen lächerlichen Stolz,
wenn ein Pomologe in ſeinen Schriften, — ob ſie auch
übrigens viel lehrreiches haben, — von ſeiner anmaßlichen
Höhe auf andere herabſiehet, ſie anzuzapfen und zu verkleinern
ſucht, und lauter Machtſprüche thut. Und geſetzt! er habe in
einem und dem andern Recht, ſo heißt es bey einem, wie dem
andern: Unſer Wiſſen iſt Stückwerk, und Irren
iſt menſchlich! —
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Christ, Johann Ludwig: Vollständige Pomologie. Bd. 1. Das Kernobst. Berlin, 1809, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/christ_pomologie01_1809/430>, abgerufen am 26.06.2024.
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