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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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Achtes Capitel,
oder an der Kentniß des Erdbodens zuzunehmen,
oder aus einer Art der Desperation, weil er sonsten
nicht fortkommen kan. Manchmahl aber 3. kön-
nen selbst der nächsten Folgen so viel seyn, daß sie in
keine Zahl zu bringen sind; oder wenigstens nicht
zu übersehen sind. Jch sehe, z. E. daß iemand in
eine öffentliche Bibliotheck gehet: ich vermuthe,
daß er ein Buch oder etliche nachschlagen wolle: ich
frage ihn selbst, ob er was suchen wolle? ich ver-
nehme sein Ja! Nunmehro aber wäre die Frage:
Welches Buch er wohl zu sehen verlangt? Wer siehet
nicht, daß da so viel Fälle möglich sind, als Bücher in
der Bibliotheck vorhanden sind. Wiederum, gesetzt,
er erhält das verlangte Buch, er schlägt es auf, er
sucht: man wollte bey sich selbst fragen: was sucht
er? wie viel tausend Fälle sind möglich von Sa-
chen, die er suchen kan? Vielleicht etwas, wovon
er gar noch nicht weiß, ob es drinne stehet? wenn
es drinne stehet, und er weiß es: so kan es ein gantz
Capitel, ein Spruch, ein Wort, eine Con-
struction,
ein Exempel seyn, davon er einige
Notitz hat, daß es darinne stehet, und es also finden
will. Bey den letztern Fällen und deren Untersu-
chung ist fast kein ander Mittel, als daß man die
Person selbst um die Ursache oder Absicht frage; wie
es ietzo unter den Europäischen Potentaten üblich
ist, daß sie bey allen Unternehmungen, deren Ur-
sache und Absicht sich nicht a priori einsehen lässet,
einander um die Absicht befragen lassen: darauf
denn freylich nicht allemahl eine categorische Ant-
wort zu erwarten ist. Wenn durch diesen Canal
des Befragens aber, hinter die eigentliche Be-

schaffen-

Achtes Capitel,
oder an der Kentniß des Erdbodens zuzunehmen,
oder aus einer Art der Deſperation, weil er ſonſten
nicht fortkommen kan. Manchmahl aber 3. koͤn-
nen ſelbſt der naͤchſten Folgen ſo viel ſeyn, daß ſie in
keine Zahl zu bringen ſind; oder wenigſtens nicht
zu uͤberſehen ſind. Jch ſehe, z. E. daß iemand in
eine oͤffentliche Bibliotheck gehet: ich vermuthe,
daß er ein Buch oder etliche nachſchlagen wolle: ich
frage ihn ſelbſt, ob er was ſuchen wolle? ich ver-
nehme ſein Ja! Nunmehro aber waͤre die Frage:
Welches Buch er wohl zu ſehen verlangt? Wer ſiehet
nicht, daß da ſo viel Faͤlle moͤglich ſind, als Buͤcher in
der Bibliotheck vorhanden ſind. Wiederum, geſetzt,
er erhaͤlt das verlangte Buch, er ſchlaͤgt es auf, er
ſucht: man wollte bey ſich ſelbſt fragen: was ſucht
er? wie viel tauſend Faͤlle ſind moͤglich von Sa-
chen, die er ſuchen kan? Vielleicht etwas, wovon
er gar noch nicht weiß, ob es drinne ſtehet? wenn
es drinne ſtehet, und er weiß es: ſo kan es ein gantz
Capitel, ein Spruch, ein Wort, eine Con-
ſtruction,
ein Exempel ſeyn, davon er einige
Notitz hat, daß es darinne ſtehet, und es alſo finden
will. Bey den letztern Faͤllen und deren Unterſu-
chung iſt faſt kein ander Mittel, als daß man die
Perſon ſelbſt um die Urſache oder Abſicht frage; wie
es ietzo unter den Europaͤiſchen Potentaten uͤblich
iſt, daß ſie bey allen Unternehmungen, deren Ur-
ſache und Abſicht ſich nicht a priori einſehen laͤſſet,
einander um die Abſicht befragen laſſen: darauf
denn freylich nicht allemahl eine categoriſche Ant-
wort zu erwarten iſt. Wenn durch dieſen Canal
des Befragens aber, hinter die eigentliche Be-

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[260/0296] Achtes Capitel, oder an der Kentniß des Erdbodens zuzunehmen, oder aus einer Art der Deſperation, weil er ſonſten nicht fortkommen kan. Manchmahl aber 3. koͤn- nen ſelbſt der naͤchſten Folgen ſo viel ſeyn, daß ſie in keine Zahl zu bringen ſind; oder wenigſtens nicht zu uͤberſehen ſind. Jch ſehe, z. E. daß iemand in eine oͤffentliche Bibliotheck gehet: ich vermuthe, daß er ein Buch oder etliche nachſchlagen wolle: ich frage ihn ſelbſt, ob er was ſuchen wolle? ich ver- nehme ſein Ja! Nunmehro aber waͤre die Frage: Welches Buch er wohl zu ſehen verlangt? Wer ſiehet nicht, daß da ſo viel Faͤlle moͤglich ſind, als Buͤcher in der Bibliotheck vorhanden ſind. Wiederum, geſetzt, er erhaͤlt das verlangte Buch, er ſchlaͤgt es auf, er ſucht: man wollte bey ſich ſelbſt fragen: was ſucht er? wie viel tauſend Faͤlle ſind moͤglich von Sa- chen, die er ſuchen kan? Vielleicht etwas, wovon er gar noch nicht weiß, ob es drinne ſtehet? wenn es drinne ſtehet, und er weiß es: ſo kan es ein gantz Capitel, ein Spruch, ein Wort, eine Con- ſtruction, ein Exempel ſeyn, davon er einige Notitz hat, daß es darinne ſtehet, und es alſo finden will. Bey den letztern Faͤllen und deren Unterſu- chung iſt faſt kein ander Mittel, als daß man die Perſon ſelbſt um die Urſache oder Abſicht frage; wie es ietzo unter den Europaͤiſchen Potentaten uͤblich iſt, daß ſie bey allen Unternehmungen, deren Ur- ſache und Abſicht ſich nicht a priori einſehen laͤſſet, einander um die Abſicht befragen laſſen: darauf denn freylich nicht allemahl eine categoriſche Ant- wort zu erwarten iſt. Wenn durch dieſen Canal des Befragens aber, hinter die eigentliche Be- ſchaffen-

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/296>, abgerufen am 25.11.2024.